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Weltweit erste Demonstration einer "abhörsicheren" Banküberweisung mittels Quantenkryptographie in Wien
Die österreichische Bank Austria Creditanstalt (BA-CA) führte die weltweit erst quantenkryptisch verschlüsselte Geldüberweisung durch. Dabei zeigte der wissenschaftliche Kopf des Experiments, der österreichische Physiker Anton Zeilinger, wie verschränkte Lichtteilchen abhörsichere Datenübertragung ermöglichen. Die Quantenkryptographie könnte künftig wesentliche Probleme der heute gängigen Verschlüsselungssysteme lösen und zum Albtraum für abhörwütige Nachrichtendienste oder Wirtschaftsspione werden.
3.000 Euro sind nicht die Welt. In der heute oftmals unter notorischem Geldmangel leidenden Wissenschaft zählt aber jeder Cent und so lag es in Prof. Anton Zeilingers ureigenstem Interesse, dass sein Experiment auch funktioniert und die Spende der Bank Austria Creditanstalt tatsächlich am Konto seines Instituts landet. Die Informationsübertragung lief schließlich reibungslos über ca. fünfzehnhundert Meter eigens im Wiener Kanalsystem verlegte spezielle Glasfaser-Datenkabel. Gedauert hat sie 30 Sekunden.
Damit ist dem Physiker ein weiteres Quantenexperiment gelungen, das dramatische Auswirkungen auf die gesamte Kryptographie-Industrie haben könnte. Unter Quantenkryptographie versteht man die Erzeugung eines Datenschlüssels zur Nachrichtenverschlüsselung mittels quantenphysikalischer Methoden.
Sie bietet die Lösung für zwei Probleme der heute gängigen Verschlüsselungssysteme: Die Erzeugung absolut zufälliger Schlüssel und deren Übermittlung.
Anton Zeilinger
In der Quantenkryptographie beruhe die Sicherheit der erzeugten Schlüssel auf Naturgesetzen und nicht mehr auf schwer lösbaren mathematischen Problemen wie bei den derzeit eingesetzten Verfahren. Andererseits würde die Quantenkryptographie auch die Schlüsselverteilung vereinfachen und vertrauenswürdige Boten, die den Schlüssel persönlich überbringen überflüssig machen.
Die Quantenkryptographie ermöglicht eine abhörsichere Verteilung der Schlüssel, indem diese beim Sender und beim Empfänger gleichzeitig erzeugt werden.
Die Schlüssel für die Nachritencodierung werden mit verschränkten Lichtteilchen erzeugt. Die Technik geht im Prinzip auf Thesen zurück, die einst vom österreichischen Physiker Erwin Schrödinger angedacht wurden. Einstein sprach von der "spukhaften Fernwirkung". Grundlage hiefür ist, dass die Messung an einem Teilchen die Eigenschaften eines zweiten Teilchens, unabhängig von seiner Entfernung beeinflusst.
Die Verschlüsselung der Nachricht erfolgt über das so genannte "one time pad"-Verfahren. Hier ist der Schlüssel genauso lange wie die Nachricht selbst. Die Nachricht wird bit für bit mit dem Schlüssel verknüpft und anschließend durch das Glasfaser-Datenkabel übertragen. Die Entschlüsselung erfolgt wieder bit für bit. Ohne den genauen Schlüssel kann man die Nachricht nicht lesen. Ein möglicher Lauscher kann schon während der Schlüsselerzeugung erkannt werden, also noch bevor mit der Übertragung der verschlüsselte Nachricht begonnen wird. Jeder Eingriff in die Übertragung der Lichtteilchen beeinflusst die Abfolge der Zahlenfolgen an den Messstationen. Wird abgehört, erhalten beide Partner eine unterschiedliche Folge von Zufallszahlen - also nicht den gleichen Schlüssel.
Projektbeschreibung
Derzeit liege die Fehlerquote bei etwa 6 Prozent, erklärte Zeilinger. Da wären aber noch wesentliche Verbesserungen möglich. Die Marktreife des Geräts könne in fünf Jahren erreicht werden., wahrscheinlich sogar wesentlich früher. Besonderes Augenmerk legen die Forscher auf die Entwicklung von Modulen, die kompatibel zu den gängigen Computersystemen sind.
Während die Gruppe um Anton Zeilinger ihr Know-how im Bereich der Quantenphysik in die Entwicklung des Geräts einbrachte, wurden die Elektronik sowie die Implementierung der Protokolle für die Erzeugung des Schlüssels und die Nachrichtenverschlüsselung selbst von einer Arbeitsgruppe des Bereichs Informationstechnologien der ARC Seibersdorf research GmbH entwickelt, die ebenfalls in Österreich ansässig ist. Das Glasfaser Datenkabel verlegte die Wien Kanal Abwassertechnologien GmbH (WKA) von einer Bankfiliale in das Wiener Rathaus, wo das Experiment stattfand. Bei der Bank Austria Creditanstalt, die sich für den Versuch zur Verfügung stellte, zeigt man sich erfreut über die Fortschritte. "Für uns ist Datensicherheit eine der höchsten Prioritäten", so Vorstandsvorsitzender Erich Hampel anlässlich der Präsentation.
Bereits 1998 gelang Zeilinger die erste Verschlüsselung mittels verschränkter Photonenpaare. Die Verschränkung setzte der Physiker in den vergangenen Jahren immer wieder ein, um Teleportationsversuche anzustellen. Dabei gelang es den Wiener Physikern, einen Quantenzustand - etwa eine bestimmte Polarisation - über ein Hilfsphoton exakt auf ein drittes Lichtteilchen zu übertragen. Sommer 2003 verließen die Forscher das Labor und übertrugen Quantenzustände über eine Strecke von etwa 500 Meter in der freien Luft. Inzwischen wäre die Technologie soweit gediehen, dass man Distanzen von 20 bis 30 Kilometern überwinden könne, so Zeilinger. Bankfilialen oder andere Büros könnten somit in einer Stadt abhörsicher kommunizieren. Vorstellbar wäre in Zukunft auch eine Übertragung mittels Satelliten um größere Distanzen zu überwinden.
Indes dürften sich Lauscher von Echelon oder ähnlichen Systemen warm anziehen. Auch die herkömmliche Kryptographie-Industrie könnte ihrem Ende entgegen sehen, sollte sich die Quantenkryptographie durchsetzen. Motor für eine derartige Entwicklung könnte die Wirtschaft sein, die ein wesentliches Interesse daran hat, ungeliebte Lauscher außen vor zu lassen.