Beamte zittern vor digitaler Leistungsbewertung

Wassilis Aswestopoulos
Fünf Anzeigelichter mit Stmpel-Motiv. Drei leuchten

Griechenland modernisiert seinen öffentlichen Dienst. Eine KI soll künftig die Leistung von über 200.000 Beamten bewerten. Was die ersten Tests zeigen, lässt viele zittern.

Die Absicht ist ähnlich wie das vorgebliche Ziel von Doge der aktuellen US-Regierung. Der öffentliche Dienst soll effizienter werden. Das griechische Innenministerium setzt dabei statt auf ein Expertenteam unter der Führung eines Oligarchen auf die künstliche Intelligenz, um die Leistung von Beamten objektiv zu bewerten.

Ferner soll die KI dabei helfen, die jeweiligen Ziele von Behörden und öffentlichen Organisationen zu bestimmen. Bei der Gewerkschaft für den Öffentlichen Dienst, Adedy, stößt das auf Protest und Unverständnis.

Es geht im Kern auch darum, dass die Regierung den Kündigungsschutz der Beamten aushebeln und diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer nicht mehr ins Konzept passen, entlassen will.

Menschen beurteilen Angestellte wohlwollender als Maschinen

Zum ständigen Personal des griechischen Staatsapparats gehören 595.676 Angestellte. Davon unterliegen 205.242 einer Evaluierung. Von der Leistungsbewertung ausgeschlossen sind die Uniformierten (Militär, Polizei, Wasserpolizei und Feuerwehr), Geistliche der Orthodoxen Kirche sowie die Lehrkräfte in Schulen und Universitäten.

Bei den jährlichen Beurteilungen der Arbeitsleistung befanden die Vorgesetzten als menschliche Prüfer von 2017 bis 2022, dass rund 90 Prozent der Mitarbeiter ihren Job "ausgezeichnet" oder "sehr angemessen" erledigen würden.

Bei den Parlamentswahlen von Mai 2023 und den folgenden Wiederholungswahlen im Juni hatte die regierende nationalkonservative Nea Dimokratia versprochen, mit der Nutzung modernster Technologien Arbeitsweise und Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu verbessern.

Dabei stand auch die KI auf dem Programm. Ihr Einsatz wird nun früher als geplant erfolgen. Denn eine stichprobenartige Evaluierung der Möglichkeiten der KI in der Mitarbeiterbeurteilung legte eklatante Abweichungen zu den von Menschen erteilten Testaten zutage. Die KI befand bei Tausenden Mitarbeitern, die von ihren Vorgesetzten als "Leistungsträger" eingestuft wurden, dass sie die gesetzlich vorgegebenen Kriterien nicht erfüllen würden.

Dies ergab eine Untersuchung mit dem vom Ministerium eingesetzten KI-Tool. Konkret folgte aus der Überprüfung der Testate, dass von den 54.650 Mitarbeitern, die von ihren Vorgesetzten als "High Performer" beurteilt wurden, nur 4.259 den Ansprüchen genügten. Bei 39.394 wurden Mängel attestiert und die übrigen 10.997 Personalakten müssen noch einmal überprüft werden.

Welche Kriterien die KI genau anlegt, ist nicht bekannt. Zudem sind die spezifischen Anforderungen für die jeweiligen Planstellen sehr unterschiedlich. Für jede Behörde sollen deshalb jeweils zugrundeliegende Datensätze und Vorgaben der KI maßgeschneidert an den jeweiligen Aufgabenbereich angepasst sein.

Den griechischen Medien zur Verfügung stehenden Informationen zufolge werden bald alle Vorgesetzten im Öffentlichen Dienst einen KI-gesteuerten "digitalen Assistenten" an ihrer Seite haben.

Es soll sich um ein ChatGPT ähnliches Sprachmodell handeln. Das System hat eine doppelte Aufgabe. Es soll Arbeitsabläufe beurteilen und gleichzeitig Ziele gemäß dem Smart-Modell formulieren. Smart ist das englische Akronym für: spezifisch, messbar, erreichbar, realistisch, terminiert.

Im vergangenen Jahr wurde das Smart-Modell erstmals allumfassend umgesetzt. Dabei wurden im gesamten öffentlichen Sektor 180.000 Zielvorgaben erfasst. Der KI-Assistent evaluiert nicht nur die Arbeitsleistung der Untergebenen, sondern auch die der jeweiligen Vorgesetzten.

Gemäß dem vom Innenministerium umgesetzten Gesamtplan bestimmt die Planerfüllung maßgeblich die Gesamtbewertung der 25.000 vorgesetzten Mitarbeiter, die 1.400 Abteilungen des öffentlichen Dienstes leiten. Der letztjährigen Auswertung zufolge gab es nur bei elf Prozent eine Übererfüllung des Plansolls. Vier Prozent der Abteilungen erfüllten sogar weniger als die Hälfte der gesetzten Ziele.

Fördern und Fordern steht daher auf dem Programm der zuständigen Staatsministerin Vivi Charalambogianni. Offiziellen Angaben zufolge wurden im Rahmen individueller Entwicklungspläne 68.290 Schulungen für Beamte durchgeführt.

Überdurchschnittliche Leistungen werden bei diesem Ansatz mit einer Produktivitätsprämie belohnt. Deren Auszahlung erfolgt als Einmalzahlung und beträgt jährlich bis zu 15 Prozent des Grundgehalts. Auch über diese Prämie wird künftig kein Mensch, sondern die KI urteilen.

Die Gewerkschaft verteufelt die KI. In ihrer Erklärung heißt es:

Der Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Bewertung zeigt, dass ihr (der Regierung) Plan darin besteht, dass wir uns den Regeln und Grenzen der Ziele eines unmenschlichen, klassenbasierten und volksfeindlichen Staates vollständig unterwerfen. Jede Abweichung vom vorherrschenden, unpopulären Plan wird von Plattformen künstlicher Intelligenz abgelehnt.

Zu erwähnen ist, dass der heutige Premier Kyriakos Mitsotakis vor dreizehn Jahren als Minister für Verwaltungsreform, damals während der Finanzkrise, mit dem Tabu der Beamtenentlassung brach. Mitsotakis entließ, damals noch ohne KI, zum ersten Mal nach der Wiederherstellung der Demokratie im Jahr 1974 systematisch Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes.