Bedingungsloses Grundeinkommen für Ecclestone?
Wie Steuerzahler die Zeche der Formel 1 bezahlen
Erstaunlich wenig erfahren interessierte Leser derzeit über die 44 Millionen Dollar, die Bernie Ecclestone an Gerhard Gribkowsky bezahlt hat. 2005 erhielt die Bayerische Landesbank als Gäubigerin des CSU-Spezis Leo Kirch für 46,65% der Anteile der damaligen Formel 1 Gesellschaft SLEC Holding 837 Millionen Dollar. Bernie Ecclestone berechnete den freistaatlichen Staatsbankern für die Vermittlung des Verkaufes eine Provision von 66 Millionen Dollar. Provisionen und Schmiergelder setzen aber Leistungen voraus. Worin bestanden die? Cui bono? Der heutige Eigentümer, die CVC, sollte es wissen.
Vermittler Ecclestone vermittelte sich selbst
Bernie Ecclestone war über zahlreiche Schein- und Tochterfirmen selbst Hauptnutznießer der Formel 1. Bei der Rechteverwertung hatte er sich dennoch mehrfach verspekuliert - mit dem Ergebnis, dass Leo Kirch auf einmal in den Besitz fast der Hälfte der Formel 1-Rechte geriet. Das Geschäftsmodell von Kirch bestand dabei in der Weitervermarktung der Rechte in TV und Merchandising. Warum selbst jedes Jahr teure Lizenzen bezahlen, wenn mir der Laden gehört? Oder noch besser: Warum nicht jedes Jahr zur Gewinnminderung überhöhte Lizenzgebühren an eine Gesellschaft bezahlen, deren Miteigentümer man ist?
Dieses Geschäftsmodell verfolgte zeitgleich auch Thomas Middelhoff, als er an die Karstadt AG die eigenen Immobilien vermietete. Und so hielt es auch Ingvar Kamprad, an dessen liechtensteinische Stiftung die Lizenzgebühren für die Nutzung des Namens Ikea gehen
Nun hatte sich auch Leo Kirch verspekuliert. Bayern LB-Vorstand und Gläubigervertreter Gribkowsky fühlte sich - und dies teilte er mit seinen Vorstandskollegen, die zeitgleich die Hypo-Alpe-Adria-Bank kauften - wie eine Mischung aus Gordon Gekko und Carsten Maschmeyer. Im undurchschaubaren Geflecht von Scheinfirmen und eingespielten Geschäftsbeziehungen gelang es Ecclestone, bei den in Geschäftsdingen unerfahrenen Bajuwaren das Gefühl zu wecken, die Anteile könnten völlig wertlos sein.
Die geflüstert lancierte Information nämlich, die Automobilhersteller könnten eine eigene Serie starten, die auch einen anderen Namen tragen könne, ließ den fiktiven Wert der Formel 1-Anteile in den Keller rauschen. Ecclestone präsentierte am Rande dieses vermeintlichen Abgrundes nicht nur einen Käufer - er gab sich auch als Geschäftspartner, der selbst 25% an der Formel 1 kaufen wolle. Ein Joint-Venture sozusagen. CVC selbst warb nach der Übernahme der Formel 1 2006 mit folgendem Zitat von Ecclestone:
CVC has been a helpful partner for the management team over the last number of years, in pursuit of the strategic opportunities for the business.
Bernie Ecclestone, CEO
Dass man als Miteigentümer keine Provision erhält - wer wird im Milieu der Formel 1, wo auch unter Fahrern und Ingenieuren nur Betrug und Vorteilsnahme als respektable Tugenden gelten, so eine Kleinigkeit bemängeln? Im Prozess sagte Gribkowsky freimütig aus, dass die Provision eigentlich nicht hätte bezahlt werden müssen.
Überraschung am 12. Juni 2012: Die Formel 1 ist 9,1 Milliarden Dollar wert
Die CVC Capital, die Eigentümerin der Formel 1, scheint den Prozess gegen Gribkoswky im fernen Upper Bavaria für derart unerheblich zu halten, dass sie fünf Tage vor seinem Geständnis und 13 Tage vor der Urteilsverkündung folgende Mitteilung veröffentlichte:
CVC Capital Partners is pleased to announce that several funds managed by Waddell & Reed Investment Management Company and Ivy Investment Management Company have today agreed to invest a further $500m in a private placement in Formula 1 at $9.1bn enterprise value, increasing their aggregate stake to 20.9%.
CVC
Während nämlich sowohl Ecclestone wie die Anwälte von Gribkowsky und selbst Anklage und Gericht eine den Tatbestand der Untreue beweisende Unterbewertung der 2005 verkauften Formel 1-Anteile bisher nicht feststellen wollten, schien CVC das umgekehrte Interesse zu haben, nämlich das, der Formel 1 einen beachtlichen Zeitwert von 9,1 Milliarden US-Dollar zuzumessen. Es gelang der CVC, zu dieser Bewertung für 500 Millionen Dollar Anteile abzugeben. Alleine zwischen Mai und Juni 2012 erhöhte sich der Wert der Formel 1 um eine Milliarde Dollar.
So schafft man Werte in der Finanzkrise - eine kleine Bewertungsgeschichte der Formel 1:
- 2005: Die Bayerische Landesbank verkauft 46,65 % der Formel-1-Anteile für 837 Millionen Euro. Bernie Ecclestone erhält von der Bayerischen Landesbank 66 Millionen Dollar Provision.
- 2006: Bayern-LB Vorstand Gribkowsky erhält 44 Millionen Euro
- 2006: Die CVC erwirbt für 2,5 Mrd. Dollar 63,4% der Formel 1
- 05. Januar 2011: Gerhard Gribkowsky wird verhaftet und wegen Untreue, Steuerhinterziehung und Bestechlichkeit angeklagt. Er verweigert die Aussage.
- 22. Mai 2012: CVC verkauft 21% der Formel-1-Anteile für 1,6 Milliarden Dollar an Black Rock, Waddell&Reed Financial und Norges Bank Investment Management.
- 17. Juni 2012: CVC verkauft für 500 Millionen Dollar Anteile an der Formel 1 an Waddell&Reed Financial bei einer Gesamtbewertung der Formel 1 von 9,1 Milliarden Dollar.
- 19. Juni 2012: Gerhard Gribkoswky gesteht, von Ecclestone bestochen worden zu sein. Die Provision für Ecclestone sei unnötig gewesen.
- 28. Juni 2012: Gerhard Gribkowsky wird zu einer Haftstrafe von 8 ½ Jahren verurteilt.
Allerdings ist die Erfolgsbilanz der CVC der Beweis dafür, dass die 2005 von der Bayerischen Landesbank erzielten 837 Millionen Dollar rund 80 Prozent unter dem tatsächlichen, sprich realisierten Wert lagen. Damit hätten die bayerischen Steuerzahler etwa 3 Milliarden Dollar verloren. Es könnten aber auch 90 Prozent sein, wenn man berücksichtigt, dass die Formel 1 2005 noch weitaus größere Beachtung und Akzeptanz fand, als 2012, jetzt, wo möglicherweise Daimler-Benz aus Gründen der Compliance das Milieu so meiden muss, wie einst Telekom und ARD den Radrennsport.
BMW ist bereits 2009 ausgestiegen - und eilt seitdem von Verkaufsrekord zu Verkaufsrekord.
Marktwirtschaft 3.0: Wenn Subvention und Gewinn identisch sind
Dass die CVC Capital trotz des Prozesses gegen Gribkowsky für 2,1 Milliarden Dollar Formel 1-Anteile verkaufen konnte, liegt an dem aus dem Fußball bekannten Geschäftsmodell, dass Städte und Länder selbst mit Milliardenbeträgen Infrastruktur und Spielstätten für das Kommerzspektakel bereithalten müssen.
In der Formel 1 müssen die Streckenbetreiber, meist staatliche Gesellschaften, in langjährigen Verträgen die Formel 1 durch "Promotion Fees" mitfinanzieren. Die Umwelt- und Landschaftsschäden von Formel-1-Strecken gehen ohnehin zu Lasten der Gemeinschaft. Wie die interne Gewinnplanung der Formel 1 zeigt, sind der ausgewiesene Gewinn und die Subvention der Rennstreckenbetreiber fast identisch:
Mit der völlig risikolosen Grundfinanzierung des Formel-1-Zirkus können wiederum die Automobilhersteller, Fernsehanstalten und Werbetreibenden gegeneinander ausgespielt werden. Die Drohung: In wesentlichen Wachstumsmärkten wie China und künftig auch Russland und Indien müsse man dabei sein. Die Zahl der Kundenkontakte berechnet sich in Milliarden.
Der norwegische Staatsfonds NBIM (Norges Bank Investment Management) ist seit 22. Mai Shareholder zusammen mit CVC und Ecclestone. Auf seiner Webseite wirbt der der norwegischen Zentralbank gehörende NBIM, er schaffe Werte "für künftige Generationen". Norwegische Nachhaltigkeit bekommt so einen neuen Inhalt.
Auch das nicht im Geld schwimmende Bundesland Rheinland-Pfalz hat seit 2003 die Formel 1 auf dem Nürburgring mit mehr als 50 Millionen Euro subventioniert. 2012/13 ist erstmals keine "Fahrerfeldgebühr" mehr im Landeshaushalt vorgesehen. Nun klafft im Budget der Nürburgring Automotive GmbH eine Lücke von mindestens 10 Millionen Euro. Mit Hilfe des ADAC möchte man doch noch an die Staatsknete kommen. Bis 31. Juli müssen angeblich internationale Motorsportveranstaltung bei der FIA in Paris angemeldet werden.
Doch Pech für die Empfänger des öligen BGE: Wirtschaftsministerin in Mainz ist derzeit die Grüne Eveline Lemke. Ob sich doch noch ein Sponsor findet? In einem offenen Brief schreibt der ADAC am 29.06. 2012 an Ministerpräsident Kurt Beck:
Ich bin sicher, dass es nicht in Ihrem Interesse liegt, den Ring zu einer Kirmesmeile verkommen zu lassen. Deshalb fordere ich Sie auf, den Nürburgring zur Chefsache zu machen, das Chaos zu beenden und so auch in Zukunft professionellen Motorsport sowie bezahlbaren Breitenmotorsport möglich zu machen.
ADAC
Tipp für den ADAC: Die Formel 1 könnte leicht von ihren Fans finanziert werden: Wenn von jeder Dose Red Bull 5 Euro an die Formel 1 gingen, könnte sie in "Formel Red Bull" umbenannt werden. Die TV-Übertragung erfolgt dann nur noch kostenpflichtig im hauseigenen "Servus-TV".
Oder, noch einfacher: Der ADAC erhöht seine Jahresgebühr um einen Formel-1-Soli in Höhe von 20 Euro pro Mitglied und Jahr. Beck könnte dann tun, was angeblich das Geschäftsmodell des Nürburgrings war, nämlich 20 Millionen Euro Benutzungsgebühr pro Jahr in Rechnung stellen.