Bei Luisa Neubauer wird Markus Lanz schwach

Luisa Neubauer bei einem anderen Auftritt. Bild: Jan Zappner / re:publica - re:publica 23 - Tag 2 / CC BY-SA 2.0

Mediensplitter (40): Gefährliche Autoindustrie und die Frage: Wem was nutzt? Wie die Aktivistin den Moderator entlarvt und überraschenderweise zur Realistin unter lauter Ideologen wird.

"Ich glaube nach dem Dieselskandal tun wir uns alle ein sehr sehr großen Gefallen, die Integrität der Automobilindustrie mal ganz grundsätzlich in Frage zu stellen."

Luisa Neubauer

Wenn Markus Lanz ironisch wird, muss man schnell in Deckung gehen. Denn richtigen Humor hat Lanz nicht.

Der hochbegabte Südtiroler will aber unbedingt die Irritation und den Ärger mancher Leute ironisieren, die nicht verstehen, warum bei den Bundesjugendspielen der Leistungsgedanke abgeschafft und es keine Sieger mehr geben soll, und darüber, dass man offiziell nicht mehr von "Wettkämpfen" reden darf, sondern "Wettbewerbe" sagen muss.

Also macht er einen Witz (oder was er dafür hält) und sagt:

Das Thema geht gerade richtig hoch, weil die Leute denken, jetzt werden die Bundesjugendspiele abgeschafft und Deutschland geht endgültig den Bach runter.

Keiner lacht im Studio. Luisa Neubauer meint, sie habe zu dem Thema nichts zu sagen, dann kontert der andere Studio-Gast Konstantin Kuhle kühl: "Offensichtlich trifft es ja auch bei Ihnen einen Nerv." Da lächelt auch Neubauer.

Mahner, Kassenwarte und ein Moderator, der nicht auf den Punkt kommt

Dieser kleine banale Wortwechsel zu Beginn der Sendung am Donnerstag, setzte den Ton für eine Sendung, in der Markus Lanz schon mit der Einleitung so viel Zeit verschwendete, dass am Ende der 75-Minuten zwei seiner Gäste kaum zu Wort kamen.

Biologin Katrin Böhning-Gaese durfte immerhin ab Minute 60 kurz noch betroffen ihr Buch über asiatische Tigermücken, invasive "Japan-Käfer" und das allgemeine Artensterben referieren, denn sie wird bestimmt erst in ein paar Jahren wieder eingeladen.

Während der Zeit-Redakteur Marc Widmann sicher noch mal wiederkommt, um sich über die Unlust globaler Investoren, den Niedergang des Standorts Deutschlands und des Leistungsgedankens unter den jungen Gen-Z-Deutschen und "die ganze grüne Transformation" auszulassen.

Die Reihe "Markus Lanz" ist wie eine Daily-Soap mit regelmäßigen A- und B-Rollen, wie Neubauer und neuerdings Kuhle, den "Experten" und Funktionsträgern, die bedarfsweise Themen abdecken, seltenen Highlight-Promis wie Gauck und Schäuble, die Einzelsendungen bekommen, dafür nur ein-zweimal pro Jahr, und dazu dann den einmal auftretenden flankierenden Komparsen, die in der eng strukturierten, um den Moderator als Hauptakteur gebauten Sendung Vielfalt simulieren müssen.

Grüne Bürgermeister, die Probleme mit Flüchtlingen haben; Bundestagshinterbänkler, die gegen die Bundesregierung klagen oder ihre Parteiführung kritisieren; engagierte Bürger, die Windräder bauen und private Pflegedienste einrichten und natürlich die Opfer irgendeines Schicksalschlags, die stammelnd erzählen, was das Leben ihnen angetan hat.

Am Donnerstag gab es keine Opfer, sondern nur Täter, also Handelnde wie Neubauer, die "was tut" und Kuhle, der – jedenfalls in Lanz' Lesart – "nicht genug tut" und außerdem für diese Sendung den Watschenmann der Ampel-Regierung geben musste.

Und dazu die beiden Beobachter/"Experten" in klarer Rollenverteilung: Böhning-Gaese als Mahnerin vor den "unvermeidlichen Folgen" des Klimawandels und Marc Widmann als Kassenwart, der die Runde daran erinnert, dass auch die ökologische Transformation für die angeblich alle sind, Geld kostet, das erwirtschaftet werden muss.

Respektlosigkeit der Autokonzerne gegenüber den deutschen Arbeitsplätzen

Dafür, dass es eine außergewöhnliche und tatsächlich sehenswerte Sendung wurde, sorgte in diesem Fall fast ausschließlich Luisa Neubauer.

Wer möglicherweise vermutet hatte, dass sich bei Neubauers Auftritten mit der Zeit eine gewisse Redundanz entwickelt und ihre Argumentationen dadurch an Kraft verlieren, dass sie sich wiederholen, den widerlegte die 27-jährige "Klimaaktivistin" spielend.

Sie war sachlich und vor allem konkret, wo andere bei diffusen und in manchen Fällen auch vorgestanzten Phrasen bleiben.

Auch Neubauer hatte nach dem so uninteressanten wie überlangen Einleitungsgeplänkel – "Die Ampel wollte mal eine Fortschrittskoalition sein."... "Immer wieder stellt die Ampel das Koalitionsklima vor das Weltklima." ... "Die Leute hören das Wort Klimaschutz und kriegen die Krise; es ist ein Hass-Thema geworden." – ab Minute 43 nicht mehr als eine gute Viertelstunde Zeit, um überaus dichte, klare, gut begründete Thesen über die Automobilindustrie zu formulieren.

Man muss weder Anhänger der "Fridays for Future", noch Klimaapokalyptiker und auch kein Neubauer-Fan sein, um ihr recht zu geben, wenn sie zum Beispiel sagt:

Ich halte es für respektlos, den Beschäftigten [der Autobobilindustrie] gegenüber, nicht eine Sekunde damit zu verbringen, mal zu überlegen, wie eine nachhaltige Zukunft ihrer Industrie aussieht, die ja kommen muss, sondern Menschen da reinrennen zu lassen.