Berliner Polizei soll nicht mehr diskriminieren
CDU, AfD und Polizeigewerkschaften laufen dagegen Sturm
In Berlin könnte mit der drohenden Räumung des queerfeministischen Hausprojekts Liebigstraße 34 bald ein neuer großer Polizeieinsatz bevorstehen. Bei solchen Anlässen wird dann auch Polizei aus anderen Bundesländern angefordert. In Zukunft könnten der Freistaat Bayern und NRW sich jedoch weigern, im Zuge der Amtshilfe Polizisten nach Berlin zu schicken. Das dürfte die Demonstranten freuen, denn einige Polizeieinheiten aus Bayern hatten dort keinen besonders guten Ruf. Der Grund für die bayerische Zurückhaltung ist ein neues Antidiskriminierungsgesetz in Berlin.
Union und AfD im Gleichgang gegen neues Gesetz
In ihrer Ablehnung des LADG waren sich Medien, die der Union nahestehen, einig mit Onlineredakteuren aus dem Umfeld der AfD. Dort wurde mit klar rassistischem Unterton behauptet, dass Menschen mit migrantischen Hintergrund gegen Polizeimaßnahmen klagen könnten und so kein Polizist mehr gegen sie vorgehen würde. Dagegen hat die bei dem Gesetz federführende Senatsverwaltung für Justiz in Berlin auf die Frage, ob das Gesetz die Polizeiarbeit erschwert, geantwortet:
Nein! Sofern Polizeibeamt*innen eine Maßnahme ergreifen, die innerhalb ihrer Befugnisse, z.B. nach dem Allgemeinen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) liegt, und die sie aufgrund der erkennbaren Umstände für erforderlich halten durften, liegt keine Diskriminierung oder Maßregelung vor.
Senatsverwaltung der Justiz
Auch der Vorwurf, dass damit die Polizei falschen Diskriminierungsvorwürfen ausgesetzt sind, weißt die Justizverwaltung zurück:
Nein. Es geht im Rahmen des LADG nicht darum, einzelne Mitarbeitende im Hinblick auf "Diskriminierungen unter Verdacht zu stellen. Es geht vielmehr darum, juristische Schutzlücken zu schließen. Um für die Beschäftigten jedoch mehr Transparenz und Sicherheit im Umgang mit dem Gesetz zu erreichen, werden eine landesweite Rahmendienstvereinbarung und ein Fortbildungskonzept zum LADG erarbeitet.
Senatsverwaltung der Justiz
Nun mag es durchaus sein, dass im Einzelfall auch vor Gericht darüber gestritten wird, ob eine Polizeimaßnahme diskriminierenden Charakter gehabt hat oder nicht. Da spielen auch subjektive Erfahrungen von Menschen, die keine weiße Hautfarbe haben, eine Rolle. Sie müssen immer wieder die Erfahrung machen, dass sie besonders häufig kontrolliert oder wie der Journalist Marvin Oppong gewaltsam an ihrer Arbeit gehindert werden.
Marvin Oppong hat im Telepolis-Interview geschildert, wie er Opfer von Polizeigewalt geworden war.
Ich bin es halt gewohnt, als Schwarzer häufig generell nicht ernst genommen zu werden. Als Journalist noch mehr, weil viele Menschen sich Journalisten weiß und vielleicht nicht so jung vorstellen. Ich kann darüber nur spekulieren. Ich bezweifele jedoch, dass das alles in dieser Form passiert wäre, wenn ich weiß wäre.
Marvin Oppong
Entwürdigung auf einer Frankfurter Polizeiwache
Vor wenigen Tagen wurde in Frankfurt/Main ein Polizeikommissar verurteilt, weil er einen inhaftierten Migranten, dem nur vorgeworfen wurde, keine gültigen Papiere gehabt zu haben, Negersau genannt hat. Angezeigt wurde er von Autobahnpolizisten. Doch ein Bericht der Frankfurter Rundschau macht deutlich, dass die Diskriminierung und Entwürdigung viel früher begonnen hat. Dieses Kapitel soll hier mal in Gänze zitiert werden, um deutlich zu machen, was Diskriminierung konkret bedeutet:
In der Zelle des Polizeipräsidiums läuft die Sache dann aus dem Ruder. O. soll sich zur abermaligen Untersuchung entkleiden, was er auch tut. Die Autobahnpolizisten sagen zwar, sie hätten ihn bereits durchsucht, Kommissar S. aber findet lauter Dinge, die O. von Rechts wegen nicht dabei haben dürfte: ein Holzkreuz an einem Lederband, das O. um den Hals trägt, einen Siegelring an der Hand, Kopfhörer in der Hosentasche und 50 Euro in bar. Keine klassischen Waffen, aber S. weiß, dass auch "der Klinkenstecker eines Kopfhörers" wehtun kann, wenn er "ins Auge gestochen" wird.
S. ist sauer auf die Kollegen wegen deren schlampiger Untersuchung und fragt nach ihrer Dienststelle, die noch von ihm hören werde. O., das sagt auch S. vor Gericht, lässt alles geduldig über sich ergehen. Nur als er die Unterhose ausziehen soll, weigert er sich. Er habe sich schon vor den Autobahnpolizisten entkleidet, erklärt er auf Englisch und beteuert mehrfach, dass er kein Krimineller sei. Es nutzt ihm nichts. Zu sechst wird der starke Mann, der sich sträubt, aber die Polizisten nicht angreift, niedergerungen, gefesselt und vollständig entkleidet. S. durchsucht O.s sämtliche Körperöffnungen und durchkämmt dessen Haare, aber auch "die Augenscheinnahme des Genitalbereichs", sagt S. vor Gericht, habe ergeben, "dass da alles in Ordnung war".
Aber in Ordnung ist gar nichts. O.s Stolz ist gebrochen. Die Polizisten lassen ihn in seiner Zelle allein, durch die geschlossene Tür hört man nur noch das Schluchzen des seiner Würde beraubten Mannes.
Aus Frankfurter Rundschau
Alles war hier geschildert wurde, ist nicht verboten. Dafür wurde der Polizist weder angeklagt noch verurteilt. Das N-Wort, das zur Anzeige führte, folgte später. So ist auch fraglich, ob ein noch so gut gemeintes Antidiskriminierungsgesetz etwas daran ändert, dass Menschen auf einer Polizeiwache gedemütigt werden.
Gewerkschaft der Polizei - Bollwerk gegen LDAG
Darum ist es umso bezeichnender, dass sich die Gewerkschaft der Polizei als Bollwerk gegen das Landesdiskriminierungsgesetz geriert. Dabei fällt sofort der Widerspruch auf, dass sich die GDP verbal zu einem diskriminierungsfreien Handeln bekennt und mit Verve gegen ein Gesetz vorgeht, das genau dieses Handeln gewährleisten soll.
Wenn es der GDP ernst wäre, müsste sie es doch begrüßen. Wenn angeblich fast alle GDP-Mitglieder diskriminierungsfrei handeln, dann dürften sie kein Problem mit dem Gesetz haben. Die GDP weiß genau, dass es nicht stimmt. Diskriminierung liegt bei der Polizei wie bei anderen Staatsapparaten in der Struktur und nicht in erster Linie am bösen Willen des Einzelnen. Diese Strukturen machen es allerdings Menschen mit rassistischen Einstellungen einfach, sich zu betätigen. Es gibt seit Jahren genügend Berichte, die das immer wieder belegen. Wenn die GDP nicht einmal in einem Halbsatz darauf eingeht, kann man ihre verbale Ablehnung der Diskriminierung als Schutzbehauptung begreifen.
Es ist ein Zufall, dass die Diskussion um das LDAG in eine Zeit fällt, wo nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd bei seiner Festnahme durch die Polizei in den USA auch in Deutschland viele tausend Menschen auf die Straße gegangen sind. In Berlin haben sich am Samstag bis zu 15.000 Menschen am Alexanderplatz versammelt, für viele war es die erste Demonstration. Ein solches Klima könnte es erleichtert, dass das LDAG trotz des Drucks des bürgerlichen Blocks aus AfD, CDU und Polizeigewerkschaft umgesetzt wird.
Es wäre allenfalls ein kleiner Schritt, die alltäglichen Demütigen auf Polizeiwachen, wie sie an einen konkreten Fall in der Frankfurter Rundschau beschrieben werden, wären damit nicht erfasst. Wenn nun neben Bayern auch NRW und andere Bundesländer überlegen, keine Polizisten mehr nach Berlin zu schicken, kann man das nur begrüßen. Sie machen ja implizit deutlich, dass sie auf Diskriminierung nicht verzichten können und wollen, weil sie eben in die Polizeistrukturen eingeschrieben sind. Nicht wenige Bewohner Berlins würden sich freuen, wenn Bayern und andere Bundesländer Ernst machen würden mit ihrer Beendigung der Polizeikooperation Dann werden vielleicht mal Wohnungsräumungen zugunsten der Immobilienwirtschaft abgesagt, weil nicht genügend Polizei zur Verfügung steht.
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