Besorgte Bürger und Impffans, Übersensible und ein Guter
Die Gegenwartsgesellschaft in der "Black Box": Die Berliner Regisseurin Asli Özge erzählt von Lockdown, Paranoia und Postfaschismus in Deutschland. Wer hat die Macht?
Am Anfang wird ein merkwürdiges gläsernes Rechteck mit einem Kran in einen Berliner Innenhof gehoben. Dies ist nicht die Black Box des Filmtitels; es handelt sich vielmehr um das Büro von "Herrn Horn".
Herr Horn ist Vermieter des Gebäudekomplexes, er sorgt für Ordnung und Sicherheit, renoviert, und wie nebenbei versucht er, mit seinen "Maßnahmen" auch Wohnungen zu "entmieten" und danach teuer zu verkaufen.
Dies ist ein ungewöhnlicher Film für das deutsche Kino, in der fast immer sehr wenige Figuren das Zentrum der Geschichte bilden, Gruppenpsychologie und gesellschaftliche Beziehungen aber meist ausgeschlossen bleiben.
Entmietung und Gentrifizierung
In diesem Fall ist es anders: Ein einziger Schauplatz steht im Zentrum – ein Berliner Mietshauskomplex, in dem Vorder- und Hinterhaus durch einen Innenhof verbunden sind, und der gerade vom Vermieter "entmietet" und "gentrifiziert" wird.
Und der Zeitraum eines einzigen Tages: Denn wegen einer Terrorwarnung riegelt die Polizei Straße und Gebäude ab, sodass die verschiedenen Bewohner, Hausmeister und Hausbesitzer, die sich sonst tunlichst aus dem Weg gehen, oft in herzlichem Desinteresse oder gar Abneigung verbunden sind, durch diesen Quasi-Lockdown für eine ungewisse Zeit zusammengezwungen werden.
Das Ergebnis ist der Mikrokosmos einer deutschen Gesellschaft, in dem die Spannungen eskalieren.
Diese Mietergemeinschaft ist wie das ganze Land, der Innenhof wie die ganze Gesellschaft: Es gibt versteckten Rassismus und besorgte Bürger, es gibt Impffans und Überwachungsfetischisten, es gibt Übersensible und Unsensible, es gibt Mülltrenner und eine Polizei, die ständig maskiert herumläuft, bei Fragen nach Begründung für ihr Handeln auf die Vorgesetzten verweist und sich auch sonst recht zweideutig verhält.
Es gibt verschiedene Hautfarben und Herkünfte, es gibt verschiedene Identitäten und Wohlstandsverhältnisse, es gibt Arme und Reiche, Linke und Rechte.
Erzählt wird das Zusammenspiel dieser gut ein Dutzend Figuren. Obwohl alle präsent sind, stehen unter ihnen besonders drei im Zentrum: einerseits der von Felix Kramer gespielte Hausbesitzer, ein Verführer mit großer manipulatorischen Kraft, schillernd und undurchschaubar zwischen "Gut" und "Böse".
Dann einer der Mieter, ein "Alt-Linker", der diesen Hausbesitzer mit guten Argumenten bekämpft, aber selbst angreifbar ist, weil er dogmatisch und latent paranoid ist, gespielt von Christian Berkel.
Schließlich eine weitere Mieterin, gespielt von Luise Heyer, verheiratete Mutter, die gerade versucht, wieder beruflich Fuß zu fassen. Sie steht dazwischen und sucht stellvertretend für uns Zuschauer nach einer Position und Haltung.
Die Frage nach der Macht
Diese vielen Figuren, Perspektiven und vor allem Themen – eine Terrorwarnung, der Lockdown mit vorhersehbaren Anspielungen auf Pandemiedebatten, die Gentrifizierung, die Klassenkonflikte und die bereits alle aggressiv machenden vielen Facetten der Identitätsdebatten – scheinen auf den ersten Blick "viel Holz" für einen Spielfilm.
Tatsächlich aber stellt die Regisseurin Asli Özge, eine genaue und sensible Beobachterin gesellschaftlicher Verhältnisse, eine Frage ins Zentrum: Es ist die Frage nach der Macht.
Özge zeigt Techniken der Verführung und auf der anderen Seite unsere Mechanismen der Anpassung. Das filmische Vorbild für die inszenatorischen Mittel ist offenkundig: Wie in Robert Altmans Meisterwerk "Shortcuts" hört man mehrmals Hubschrauber über den Häusern kreisen, ist Paranoia dauerpräsent. Und wie bei Altman werden viele Charaktere gleichberechtigt erzählt.
Das muss ein Guter sein
Die Hauptfigur aber ist der verführerische Vermieter. Wie jeder gute Händler und Verkäufer hat er die Fähigkeit, in jedem Gegenüber den Schwachpunkt zu finden.
Chamäleongleich kann er sich anpassen, er glaubt selbst, was er den Leuten erzählt. Diesen Charaktertypus gibt es in der Politik, bei dem, was wir Populismus nennen, und es gibt ihn auch im Management.
Er argumentiert immer damit, dass seine "Maßnahmen" ja gut für uns alle seien, dass er das ja für uns macht. Allen will er das Gefühl geben: Ich bin einer von euch. Er trägt nicht Anzug, sondern T-Shirt und benutzt ein Fair-Phone. Er will allen zeigen, dass er ja "ein Guter" ist.
Ein Held unserer Zeit.