Biden sollte Netanjahu nicht in einen Krieg mit dem Iran folgen
Israel will Teheran zu Gegenschlag provozieren. Man will vom Gemetzel in Gaza ablenken. Warum sich die USA nicht in die Falle locken lassen sollten. Gastkommentar.
Die USA und Israel haben als Reaktion auf den israelischen Angriff auf eine diplomatische Einrichtung des Iran in Damaskus in der vergangenen Woche vor einem möglichen iranischen Vergeltungsschlag gewarnt.
US-Regierung geht in die falsche Richtung
US-Präsident Joe Biden sicherte Israel im Falle eines iranischen Gegenschlags erneut die "eiserne" Unterstützung der USA zu. Der Befehlshaber des US-Zentralkommandos, General Erik Kurilla, war Berichten zufolge am Donnerstag auf dem Weg nach Israel, um sich im Vorfeld des erwarteten Schlags mit der israelischen Führung abzustimmen.
Die Regierung bewegt sich in die falsche Richtung. Die USA sollten sich von Israels illegalem Angriff distanzieren. Aber stattdessen versucht die Biden-Regierung, Israel vor den Folgen seines eigenen Handelns zu schützen.
Die israelischen Streitkräfte haben seit mehr als einem Jahrzehnt regelmäßig iranische und andere Ziele in Syrien angegriffen. Doch der Angriff auf das Konsulat in Damaskus war eine erhebliche Eskalation, sowohl was den Ort als auch den Rang der getöteten iranischen Offiziere betrifft.
Biden nicht befugt, für anderes Land in Krieg zu ziehen
Die israelische Regierung scheint den Iran zu einer militärischen Reaktion veranlassen zu wollen, um von dem Gemetzel und der Hungersnot in Gaza abzulenken und die USA in eine Falle zu locken, damit sie sich dem Kampf anschließen. Der US-Präsident hat es dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu sehr leicht gemacht, indem er sich freiwillig in die Falle begeben hat.
Dank des rücksichtslosen Handelns der Netanjahu-Regierung und der Unterstützung durch den US-Präsidenten laufen die USA Gefahr, in einen direkten Konflikt mit dem Iran verwickelt zu werden.
Das dient nicht den legitimen Sicherheitsinteressen der USA. Sie können sich keinen weiteren Konflikt im Nahen Osten leisten. Und eine Parteinahme für Israel setzt die US-Streitkräfte unnötigen Gefahren aus.
Die Vereinigten Staaten sind nicht verpflichtet, Israel zu verteidigen, wenn der Iran Vergeltung für einen israelischen Angriff übt. Der US-Präsident ist nicht befugt, die USA zu verpflichten, einen Krieg für ein anderes Land zu führen, vor allem, wenn es sich dabei nicht um einen vertraglichen Verbündeten handelt.
Israel kann für sich selbst sorgen
Biden sagte diese Woche, die USA würden "alles tun, was wir können, um Israels Sicherheit zu schützen". Aber diese reflexartige Reaktion ist unter den gegebenen Umständen die falsche.
Warum setzen sich die USA dafür ein, einen Staat zu schützen, der mehr als in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen? Es ist ein unnötiges Engagement und ist unklug. Es birgt die Gefahr, dass ein regionaler Krieg angeheizt wird, den die Regierung nach eigener Aussage vermeiden will. Und es belohnt Netanjahu für sein schurkisches Verhalten.
US-Truppen wurden bereits wegen der Unterstützung Washingtons für Israels Krieg in Gaza angegriffen. Die Reaktion der Biden-Regierung auf den Krieg in den letzten sechs Monaten war bereits schädlich für die Interessen der USA und schadete dem Ruf Amerikas.
Die jüngste Zusage, Israel zu schützen, während der Krieg in Gaza weitergeht, verstärkt diese früheren Fehler und schadet dem Ansehen unseres Landes in der Welt noch mehr.
Iranische Reaktion: USA sollten keine Finger rühren
Berichten zufolge haben die US-Geheimdienste davor gewarnt, dass eine iranische Antwort "unmittelbar" bevorsteht. Es bleibt unklar, welche Form die iranische Vergeltung annehmen könnte.
Aber es scheint sehr unwahrscheinlich, dass die iranische Regierung auf den direkten Angriff Israels auf die gleiche unverfrorene Weise reagieren wird.
Die Antwort könnte aus Raketenabschüssen von iranischem Territorium bestehen, wie wir es bei der Reaktion auf die Ermordung von Qassem Soleimani durch die USA im Jahr 2020 gesehen haben. Oder es könnte eine Kombination aus Raketen- und Drohnenangriffen von verschiedenen iranischen Stellvertretern sein.
Wie auch immer die Reaktion aussehen wird, die USA sollten sich aus dem daraus resultierenden Konflikt heraushalten. Die USA sollten keinen Finger rühren, um eine israelische Regierung zu unterstützen, die alles getan hat, um diesen Kampf zu provozieren.
"Eiserne Beziehung" zu Israel belasten US-Interessen
Der Krieg in Gaza hat den Vereinigten Staaten vor Augen geführt, dass ihre "eiserne" Beziehung zu Israel eine ernsthafte Belastung für die amerikanischen Interessen darstellt. Jon Hoffman vom Cato-Institut hat kürzlich die Argumente gegen die Fortsetzung der "besonderen Beziehung" zu Israel dargelegt:
Eine besondere Beziehung zu Israel bringt den Vereinigten Staaten praktisch nichts, während sie die strategischen Interessen der USA aktiv untergräbt und oft den Werten, für die Washington zu stehen behauptet, Gewalt antut.
Wenn man bedenkt, wie wenig die USA von dieser Beziehung profitieren, macht das automatische und "eiserne" Engagement für Israels Sicherheit, das Biden befürwortet, keinen Sinn.
Vielleicht gab es eine Zeit, in der eine umfassende Unterstützung Israels durch die USA strategisch sinnvoll war. Aber diese Zeit ist längst vorbei.
USA macht sich mitschuldig an Völkerrechtsbruch
Heute macht diese Unterstützung die USA mitschuldig an israelischen Verstößen gegen das Völkerrecht, setzt uns intensiver regionaler Feindseligkeit aus, während sich die US-Streitkräfte einem größeren Risiko ausgesetzt sehen. Im Gegenzug dafür erhalten die USA nur sehr wenig.
Wenn die israelische Regierung nicht gerade aktiv die US-Diplomatie mit anderen Staaten in der Region untergräbt, ignoriert sie offen Washingtons Präferenzen und widersetzt sich dessen Forderungen. Den USA werden Kopfzerbrechen und Kosten bereitet, die mit ausländischen Verstrickungen einhergehen, ohne einen zuverlässigen, konstruktiven Partner zu gewinnen.
US-Vertreter haben die Beziehungen zu Israel oft als "unerschütterlich" bezeichnet. Mehrere Präsidenten sind stolz darauf gewesen, dafür gesorgt zu haben, dass es in der Öffentlichkeit keinen "Spaltbreit" zwischen den USA und Israel gibt. Das ist der Grund, warum die Beziehungen so schlecht und dysfunktional geworden sind.
In der Praxis bedeutete die Verhinderung eines "Spaltbreites" in Bezug auf Israel, dass wir den Präferenzen der israelischen Regierung auf Kosten unserer eigenen Position entgegengekommen sind.
Toxische Beziehung
Die "unerschütterlichen" Beziehungen sind vor allem deshalb so geblieben, weil die USA ihrem Partner ohne Rücksicht auf die Konsequenzen nachgeben. Es ist nicht möglich, eine ausgewogene, respektvolle Beziehung zu einem Land zu haben, wenn die andere Regierung eine solche außerordentliche Ehrerbietung erwartet und erhält.
Stattdessen entsteht eine toxische Beziehung, in der eine Regierung die andere immer ausnutzt.
Die reflexartige Unterstützung Israels durch die USA hat nicht nur die Katastrophe in Gaza ermöglicht und die USA in Kriegsverbrechen verwickelt, sondern auch jahrelang gefährliches israelisches Verhalten in der gesamten Region gefördert.
Update des USA-Israel-Verhältnisses nötig
Die bedingungslose Unterstützung der USA für den Krieg in Gaza hat die israelische Regierung zu der Überzeugung gebracht, dass sie ihr Glück mit weiteren Provokationen auch gegen andere Staaten in der Region versuchen kann. Jetzt droht der israelischen Regierung möglicherweise ein echter Rückschlag. Die USA sollten daran keinen Anteil haben wollen.
Die Interessen der USA und Israels divergieren schon seit Jahrzehnten, aber die US-Politik hat nicht Schritt gehalten. Präsident Biden hält an einer Version der Beziehungen aus dem vorigen Jahrhundert mit einem Land fest, das nicht mehr existiert.
Wir müssen die US-Politik auf den neuesten Stand bringen und sie mit den aktuellen Realitäten im Nahen Osten in Einklang bringen. Dazu müssen die Vereinigten Staaten ihre Vorstellung von einem "eisernen" Einsatz für Israel aufgeben.
Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Hier das englische Original. Übersetzung: David Goeßmann.