Biden und das Mega-Terminal: Ist es der Anfang vom Ende des LNG-Booms in den USA?
New York Times: Regierung will riesiges Terminal-Projekt auf Eis legen. Es könnte größte Energiewende-Entscheidung Bidens sein. Und seine Wahlchance retten.
Die Biden-Regierung habe die Genehmigung für das umstrittene Flüssigerdgas-Exportterminal Calcasieu Pass 2 (CP2) am Golf vom Mexiko gestoppt und das Energieministerium aufgefordert, die Auswirkungen des Projekts auf die Wirtschaft, die nationale Sicherheit und den Klimawandel zu untersuchen, berichtete die New York Times gestern.
Wird LNG-Export insgesamt auf Eis gelegt?
Das Exportterminal CP2 ist ein Mega-Projekt. Es soll nach seinem Bau jährlich bis zu 24 Millionen Tonnen Flüssigerdgas (LNG) transportieren. Sollte das Weiße Haus tatsächlich das Projekt auf Eis legen, könnte es einen weitreichenden Politikwechsel einleiten.
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 und dem Stopp großer Teile der fossilen Lieferungen von dort hat die Biden-Regierung LNG-Exporte nach Europa forciert. So stiegen die LNG-Exporte aus den USA in den beiden letzten Jahren weiter an, von 71 Millionen im Jahr 2021 auf 90 Millionen Tonne im letzten Jahr.
Da die Überprüfung der Auswirkungen durch das Energieministerium über das CP2-Projekt ausgeweitet werden soll, könnte es laut NYT-Quellen auch für die 16 anderen Export-Terminals, die noch in der Pipeline sind, schwierig werden. Ihre Umsetzung könnte ebenfalls ausgesetzt werden.
Die größte Entscheidung eines US-Präsidenten gegen fossile Industrie
Die Genehmigung für CP2 soll bis nach der Präsidentschaftswahl am 5. November pausiert werden. Der renommierte Umwelt- und Klimaschützer Bill McKibben kommentiert: "Wenn es wahr ist, und ich glaube, dass es wahr ist, ist es die größte Entscheidung, die ein US-Präsident jemals gefällt hat, um sich gegen die fossile Brennstoffindustrie zu stellen."
Jamie Henn, der Direktor von Fossil Free Media, sagte gegenüber Common Dreams, dass "wenn dieser Bericht korrekt ist, es ein großer Sieg im Kampf gegen fossile Brennstoffe" sei.
Diese Entscheidung würde fast 20 neue LNG-Anlagen, die 675 kohlebefeuerten Kraftwerken an Emissionen entsprechen, im Keim ersticken.
Mehr Emissionen als die der EU
Tatsächlich ist Erdgas nicht, wie von Regierungen und der Gas-Lobby immer wieder behauptet, eine saubere Energieform, die einen geringen Treibhausgas-Ausstoß beinhalte. Die New York Times weist zum Beispiel auf die indirekten Emissionen hin:
Erdgas, das hauptsächlich aus Methan besteht, ist sauberer als Kohle, wenn es verbrannt wird. Allerdings ist Methan im Vergleich zu Kohlendioxid kurzfristig ein viel stärkeres Treibhausgas, und es kann überall in der Versorgungskette austreten, von der Förderquelle über die Verarbeitungsanlagen bis hin zu den Herdplatten. Auch die Verflüssigung des Gases, um es für den Transport geeignet zu machen, ist unglaublich energieintensiv und verursacht noch mehr Emissionen.
Das CP2-Terminal würde, wenn es die Genehmigung erhielte, 20 Mal mehr Treibhausgasemissionen ausstoßen als das umstrittene Willow-Ölbohrprojekt in Alaska. Die mehr als 20 an der US-Golfküste zusätzlich geplanten LNG-Exportanlagen würden insgesamt jedes Jahr mehr Klimaschadstoffe freisetzen als die Europäische Union.
Biden steht wegen Wahlkampf unter Druck
"Es ist eine Kohlenstoff-Megabombe", sagte Jeremy Symons, ein ehemaliger Beamter der Umweltschutzbehörde, über CP2 im vergangenen Oktober im Guardian.
Das Ausmaß des Projekts ist nahezu unvorstellbar. Es macht uns für die nächsten 30 Jahre abhängig von fossilen Brennstoffen. Wenn wir nur von Kohle auf Gas umsteigen, sind wir erledigt.
Das Aussetzen des großangelegten Export-Terminal-Projekts im US-Bundesstaat Louisiana wäre ein Erfolg unterschiedlicher Umweltbewegungen und Kampagnen vor Ort, die wegen der vielfältigen schädlichen Auswirkungen dagegen seit Langem mobil gemacht haben. Das hat die Biden-Regierung zunehmend unter Druck gesetzt, auch zum Teil innerhalb seiner eigenen Partei der Demokraten.
Der Schritt kann zudem als ein Versuch von Biden gesehen, im Kampf um die Präsidentschaft im November Boden gutzumachen. Denn seine Politik, umstrittene fossile Projekte zu genehmigen, sowie die rekordverdächtige Öl- und Gasförderung in den USA in seiner Amtszeit, hat Wählerschichten, die für einen Green New Deal in den USA kämpfen, von den Demokraten entfremdet, während Bidens Umfragewerte nach unten gehen.
Wer profitiert von LNG-Terminals?
In Reaktion auf die Nachricht zeigten sich die Republikaner im US-Kongress entsetzt – was als ein Anzeichen angesehen werden kann, dass sie stimmt. "Dieser Schritt käme einem faktischen Verbot neuer LNG-Exportgenehmigungen gleich", sagte Senator Mitch McConnell, der Vorsitzende der Republikaner, im Senat.
Der Krieg der Regierung gegen erschwingliche einheimische Energie ist eine schlechte Nachricht für amerikanische Arbeitnehmer und Verbraucher gleichermaßen.
Doch dieses Argument, von der Gas-Lobby immer wieder vorgebracht, entspricht nicht der Realität. So zeigt eine aktuelle Studie, dass Investoren von fossilen Brennstoffen sowie Rohstoffhändler die Profiteure der neuen LNG-Terminals in den USA sind, während die US-Verbraucher und das Klima unter höheren Preisen und Emissionen zu leiden hätten.
Zweitens wird von der Gas-Lobby in den USA eingewendet, dass Europa nach der russischen Invasion mehr Gas benötige. Doch es wird ja bereits durch die bestehende Infrastruktur enorm viel davon von den USA nach Europa verschifft. Die Welt wird förmlich überschwemmt mit billigem Gas. So sagte Ben Jealous, Vorsitzender des Sierra Club in der Washington Post:
Das Institute for Energy Economics and Financial Analysis macht deutlich, dass die europäische Nachfrage nach Erdgas in den kommenden Jahren stetig sinken wird, weil der Kontinent nach dem Einmarsch von Wladimir Putin seine Umstellung auf erneuerbare Energien drastisch beschleunigt hat.
Pause ist noch kein finaler Stopp
Jetzt muss abgewartet werden, ob die Genehmigung für das Mega-Terminal tatsächlich von Biden ausgesetzt wird. Und dann ist es ja auch nur eine Genehmigungspause, die bis nach den Wahlen im November gelten soll.
Sollte Trump neuer Präsident werden, wird er an seinem ersten "Diktator"-Tag seiner Amtszeit sicherlich die Genehmigung freigeben. Und selbst wenn die Demokraten reüssieren sollten, ist keineswegs ausgemacht, dass sie sich an das De-Facto-Wahlversprechen, dem LNG-Boom einen Riegel vorzuschieben, noch halten werden.
Daher fordert Wenonah Hauter von Food & Water Watch in den USA:
Präsident Biden sollte neue und bestehende Öl- und Gasexporte dauerhaft stoppen und die Industrie für fossile Brennstoffe ein für alle Mal ausbremsen.
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