Bidens Rache macht alles schlimmer

Symbolbild

Nach dem Anschlag am Flughafen Kabul hat US-Präsident Biden reagiert wie alle US-Präsidenten seit dem 11. September 2001. Er schwor "Rache" und sagte: "Wir werden euch jagen". Kommentar

Es ist absehbar, wie die Taliban, der IS und al-Qaida darauf reagieren werden. Kommen wir so je aus dem Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt, von Tod und Rache heraus? Vor 20 Jahren haben islamistische Terroristen den brutalen Anschlag auf die Türme in New York verübt und beinahe 3000 Menschen getötet. US-Präsident Bush schwor Rache, begann den Krieg in Afghanistan. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder gelobte "uneingeschränkte Solidarität".

20 Jahre lang führten die USA und die Nato Krieg in Afghanistan. Militärisch wurden die Taliban besiegt. Doch die afghanische Bevölkerung wurde nicht gewonnen. Deshalb herrschen jetzt wieder die Taliban im Land am Hindukusch. Peter Struck sagte einmal den dummen Satz: "Deutschlands Freiheit wird am Hindukusch verteidigt."

Was wirklich in Afghanistan passierte, hat mir der ehemalige afghanische Ministerpräsident Hamid Karzai im Jahr 2017 in einem privaten Gespräch erklärt. Karzai damals aber auch im ZDF zur Politik von US-Präsident Trump wörtlich:

"Washington hat versucht, seine eigene Agenda durchzusetzen - gegen die Interessen Afghanistans. Ich meine damit, die wiederholten Bombardierungen unschuldiger Menschen und Dörfer. Das US-Militär ist dort oft einfach einmarschiert, hat Türen und Fenster eingeschlagen, Familien mitten in der Nacht terrorisiert. Das US-Militär hat geheime Gefängnisse geschaffen und es wurden Menschen gefoltert."

Warum waren die Friedensbemühungen um Afghanistan bisher erfolglos?

Karzais Antwort 2017: "Weil die Hauptakteure, die USA und Pakistan, kein Interesse am Frieden haben. Sie mache ich für die Fortsetzung des bewaffneten Konflikts verantwortlich. Die USA begehen in Afghanistan Kriegsverbrechen. Deutschland sollte eine Friedensinitiative starten. So könnte Deutschland der aktuellen US-Politik in Afghanistan auch einen Sinn geben."

Das tat Deutschland leider nicht, sondern blieb ein militärischer und politischer Vasall einer Großmacht, der es primär um Machtpolitik ging.

Es war diese US-Politik, welche die Taliban jetzt zurück an die Macht führte. Wir sehen im Augenblick in den Nachrichten nur Bilder von Afghanen, die vor dem Terror der Taliban fliehen. Doch die Ursachen, von denen Karzai schon vor Jahren sprach, spielen in den deutschen Medien fast keine Rolle. Die müssen aber aufgearbeitet werden, wenn wir aus dem Afghanistan-Desaster etwas lernen wollen.

Hat der Westen in Afghanistan versagt?

Der Westen insgesamt hat in Afghanistan versagt. Mit Rache, Rache, Rache kann man keine konstruktive Politik gestalten und schon gar keine arme Bevölkerung, die in Stammes-Strukturen lebt, für die Demokratie gewinnen.

Deutsche Soldaten haben sicherlich an einigen Orten dabei geholfen, dass Mädchen in die Schule gehen, dass Frauen sich emanzipieren konnten, und dass eine bessere Wasserinfrastruktur errichtet und Straßen gebaut werden konnten. Doch insgesamt ist die militärische Intervention des Westens wieder einmal gescheitert wie fast immer seit 1945. In Vietnam, im Irak, in Syrien und jetzt in Afghanistan.

Der Afghanistan-Krieg war ein "Krieg der Lügen", schrieb die Süddeutsche Zeitung. Präsident George W. Bush jr. im Jahr 2005: "Eine Nation, die einst nur den Terror der Taliban kannte, erlebt nun die Wiedergeburt der Freiheit." Donald Trump im November 2017: "Wir kämpfen hier, um zu gewinnen: Unsere Truppen haben das Blatt wirklich gewendet."

Präsident Karzais Aussagen machen jedoch deutlich, dass die Amerikaner von der Mehrheit der Afghanen eher als Besatzer denn als Befreier gesehen wurden. Zum ersten Mal sagt jetzt Präsident Biden ohne Wenn und Aber: "Wir haben den Krieg verloren". Nur: Mit Rache wird er ihn auch nicht gewinnen.

Ganz offensichtlich ist das Zeitalter ausländischer militärischer Interventionen vorbei. Der Westen hat bisher seine militärischen Interventionen nach dem alten römischen Motto unternommen: "Wenn du Frieden willst, musst du den Krieg vorbereiten." Das ging jetzt über 70 Jahre lang schief.

Und Bidens Rache macht nur wieder alles noch schlimmer. Das Motto einer besseren Zukunft könnte vielleicht heißen: "Wenn du Frieden willst, musst du den Frieden vorbereiten."

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