Big Oil steigt in den Lithium-Krieg gegen China ein

Luftaufnahme einer Lithiummine

Lithiummine in Argentinien, Foto: Freedom_wanted, Shutterstock

ExxonMobil investiert heftig in begehrtes Energiewende-Metall. Deutschland und USA sehen mit Sorge nach Südamerika: Ist die chinesische Dominanz noch zu brechen?

Der weltweite Kampf um Lithium, das "weiße Gold", ist voll entbrannt. Als entscheidender Rohstoff für die Herstellung von Batterien, der (zu mindestens 60 Prozent) in Elektrofahrzeugen sowie in Technologien erneuerbarer Energie benötigt wird, hat Lithium erhebliche Auswirkungen auf die Weltpolitik.

Die zunehmende Bedeutung des Energiewende-Leichtmetalls hat zu einem intensiven Wettbewerb um die Sicherung von Lieferketten geführt, insbesondere zwischen China und den Ländern des Westens. In diesen Kampf steigen nun offenbar auch diejenigen ein, die von der Energiewende augenscheinlich am wenigsten profitieren: die großen Player der sogenannten fossilen Industrie.

Wettbewerbsvorteil zugunsten der USA?

So hat der Öl-Riese ExxonMobil einem Bericht des US-amerikanischen Online-Portals oilprice.com zufolge kürzlich einen vorläufigen Vertrag zur Lieferung von Lithium an den südkoreanischen Batteriehersteller SK On unterzeichnet und mit Bohrungen zur Lithiumgewinnung im US-Bundesstaat Arkansas begonnen.

Gegenüber dem US-Magazin Economist erklärte ExxonMobils Chefberater Dan Holton Ende Juni, dass ein "wesentlicher" Teil der 20 Milliarden US-Dollar, die das Unternehmen zwischen 2022 und 2027 für kohlenstoffarme Investitionen vorgesehen habe, in den Lithiumsektor fließen wird. ExxonMobil hofft demzufolge, bis 2030, genug Lithium zu produzieren, um eine Million Elektrofahrzeuge pro Jahr zu versorgen.

Patrick Howarth, Lithium Global Business Manager bei Exxon, gab dem US-News-Medium Bloomberg zu verstehen, dass die Welt dringend mehr Lithium benötige, als sie heute produziert. Die Ölkonzerne erschließen neue Minen, extrahieren Lithium aus den Abwässern der Öl- und Gasindustrie und nutzen Grundstücke, auf denen die Öl- und Gasvorkommen bereits versiegt sind.

China dominiert den Weltmarkt

Die Beteiligung der Ölkonzerne an der Lithiumproduktion könnte oilprice.com zufolge gravierende Auswirkungen auf die globalen Märkte für erneuerbare Energie haben. Mit ihrer Verhandlungsmacht, ihren finanziellen Ressourcen und ihrem Netzwerk könnten sie dem Westen im Wettbewerb mit China um die Erneuerbaren ausgeglichenere Wettbewerbsbedingungen verschaffen, heißt es weiter.

Australien führt die Liste der größten Lithiumproduzenten an und stellt (Stand: 2023) fast die Hälfte der weltweiten Produktion. 2023 produzierte das Land 86.000 Tonnen Lithium, vor Chile mit (nur) 44.000 Tonnen. Die Länder des "Lithium-Dreiecks" Bolivien, Chile und Argentinien sollen derweil zusammen über die größten geschätzten Ressourcen des Metalls verfügen, insgesamt fast 50 Millionen Tonnen.

Chile und Argentinien gelten dabei als besonders investorenfreundlich, während Bolivien, unter dessen Uyuni-Salzsee die größten Lithium-Vorkommen der Erde schlummern sollen, aufgrund politischer Zerwürfnisse nur eingeschränkten Zugang zu seinen Ressourcen hat.

Chile und Argentinien besonders investorenfreundlich

Der globale Lithiummarkt wird derweil von einer Nation dominiert: China. Im Jahr 2022 kontrollierte das Land fast zehn Prozent der weltweiten Lithiumreserven und 72 Prozent der Lithiumraffineriekapazität.

Wie oilprice.com berichtet, arbeitet die chinesische Regierung hart daran, weitere Lithiumlieferverträge mit Schwellenländern abzuschließen, insbesondere im dem südamerikanischen Lithium-Dreieck Bolivien-Argentinien-Chile. Den Großteil der verarbeiteten Produkte nutzt die Volksrepublik für die Batterieproduktion.

Laut einem Bericht der japanischen Wirtschaftszeitung Nikkei vom Oktober 2023 hat das chinesische Unternehmen Ganfeng Lithium Group seit 2018 mehrere bedeutende Projekte in Argentinien gestartet.

Demnach hat Ganfeng in der Provinz Salta das "Mariana Lithium Project" übernommen und plant, jährlich 20.000 Tonnen Lithium zu produzieren. Insgesamt investiert Ganfeng 2,7 Milliarden Dollar in vier Projekte in Argentinien, mit einer erwarteten jährlichen Produktion von 100.000 Tonnen Lithiumkarbonat.

USA und Deutschland alarmiert

Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) schätzt, dass sich der Lithiumbedarf allein für die Batterieherstellung im Jahrzehnt zwischen 2020 und 2030 verzehnfachen wird.

Ein Bericht des US-Wissenschaftsmagazins Popular Mechanics stellte 2023 die Berechnung an, dass eine elektrifizierte Wirtschaft im Jahr 2030 wahrscheinlich zwischen 250.000 und 450.000 Tonnen Lithium benötigen wird. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 produzierte die Welt nur 105 Tonnen.

Die Dominanz Chinas hat die westlichen Länder alarmiert, da sie zunehmend von China abhängig sind, um ihre eigenen Lithiumprodukte zu veredeln und zu kommerzialisieren. Die USA und Australien haben bereits Maßnahmen ergriffen, um chinesische Investitionen in ihre Lithium-Vorkommen zu begrenzen.

In den USA nur eine produzierende Lithiummine

Deutsche Medien äußerten erst kürzlich erneut die Befürchtung, dass China zusammen mit Russland Deutschland in der Region "den Rang ablaufen" könnte.

Um die Abhängigkeit von China zu verringern, investiert die US-Regierung beträchtliche Mittel in den Ausbau der inländischen Lithiumproduktion. Im Rahmen des Inflation Reduction Act hat die Biden-Regierung mehr als 407 Millionen Dollar für die inländische Erkundung und Produktion von Lithium bereitgestellt. Dennoch gibt es in den USA derzeit nur eine einzige produzierende Lithiummine, und andere Projekte "steckten noch in den Kinderschuhen", betont oilprice.com.

Kanada verfügt über geschätzte 3,2 Millionen Tonnen Lithiumoxid-Reserven und hat seine Produktion in den letzten Jahren ausgeweitet. Projekte wie die North American Lithium Mine in Quebec und die TANCO Mine in Manitoba stärken die nationale Produktion.

Überangebot drückt Preise

Die hohe Nachfrage nach Elektrofahrzeugen und Engpässe in der Versorgung ließen die Preise für Lithium in den letzten Jahren explodieren. Im Jahr 2022 erreichte der Spotpreis für Lithiumhydroxid 85.000 US-Dollar pro Tonne.

Derzeit erlebt der globale Lithiummarkt allerdings eine Phase des Überangebots und sinkender Preise, wie die Nachrichtenagentur Reuters zuletzt berichtete. So ist der Preis für Lithiumhydroxid auf 11.930 US-Dollar, derjenige für Lithiumkarbonat von über 40.000 US-Dollar auf 12.850 US-Dollar gefallen.

Als Grund für den Preisverfall führt Reuters zum einen die Zunahme des "handwerklichen Bergbaus" (artisanal mining) in Afrika an, besonders in den Regionen Nigeria und Simbabwe. Laut dem britischen Forschungsunternehmen CRU zeichneten jene handwerklich betriebenen Minen 2023 für fast zwei Drittel der afrikanischen Lithiumversorgung verantwortlich. Diese Mengen entsprächen etwa dem globalen Überschuss des letzten Jahres. China importierte im ersten Quartal dieses Jahres ein Viertel seines Lithiums aus Afrika.

Nachfrage nach Elektroautos gesunken

Als zweiten Grund führt die Agentur einen Rückgang der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen an. Eingetrübt habe sich diese Nachfrage demnach nicht nur in China, dem größten Markt für Elektroautos, sondern auch im Westen. Die französische Großbank BNP Paribas erwarte dennoch ein globales Verkaufswachstum von 23 Prozent im Jahr 2024, was über 18,7 Millionen Fahrzeugen entspricht.

Während die Verkäufe von reinen Elektrofahrzeugen stagnierten, nähmen diejenigen von Hybridfahrzeugen dagegen stark zu. So stiegen die chinesischen Verkäufe von Plug-in-Hybriden im April und Mai um 90 Prozent, während die von reinen Elektrofahrzeugen nur um 10 Prozent zunahmen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.