Billigstrom für Industrie könnte Deutschland bis zu 50 Milliarden Euro kosten
Gewerkschaften wollen Industriestrompreis bei vier Cent. Ohne Hilfen ist deutsche Industrie kaum wettbewerbsfähig. Was das mit einer verschleppten Energiewende zu tun hat.
Die deutsche Wirtschaft steht unter Druck. Im internationalen Vergleich sind die Strompreise hierzulande hoch. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) möchte ihn deshalb für die Industrie deckeln. Bei diesem Vorhaben zeigen sich erneut die potenziellen Bruchlinien innerhalb der Regierungskoalition.
Habecks Plan sieht vor, den Strompreis für die Industrie bis 2030 auf sechs Cent je Kilowattstunde (kWh) zu deckeln. Das wäre etwa die Hälfte des aktuellen Preises. Den Staat würde dies bis zu 30 Milliarden Euro kosten. Finanziert würde der Industriestrompreis über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) – mit anderen Worten: über Schulden.
Im Grundsatz begrüßte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) das Projekt, nur dass man den Strompreis bei vier Cent je kWh deckeln möchte. "Denn im globalen und europäischen Wettbewerb sind sechs Cent netto immer noch zu viel", sagte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi im Interview mit dem Handelsblatt.
Auf rund 50 Milliarden Euro würde sich dann der Finanzierungsbedarf belaufen. Für Fahimi ist das gut angelegtes Geld, denn es gehe nicht nur um den Erhalt der Industrien in Deutschland, sondern auch um ihre Transformation. Es handle sich um eine Verabredung mit der Wirtschaft für Zukunftsinvestitionen.
Damit sich das insbesondere für die energieintensiven Industrien nach wie vor lohnt, muss man jetzt die richtigen Anreize setzen. Mit wettbewerbsfähigen Energiepreisen können qualitativ hochwertige Standorte hier mittel- und langfristig auch gegenüber China mithalten, bei mehr Sicherheit für ihre Investitionen.
Yasmin Fahimi
Die FDP lehnt bislang einen subventionierten Strompreis ab. Bundesfinanzminister Christian Lindner fürchtet, dass "eine dauerhafte Energiekostenhilfe" den Strommarkt unnötig zersplittern könnte. Hohe Preise seien ein Zeichen von Knappheit, und dieses Signal würden die Betriebe mit einem gedeckelten Strompreis nicht mehr bekommen.
Die betroffenen Betriebe hätten beispielsweise über zehn Jahre keine Anreize, auf Preise zu reagieren und stromintensive Prozesse zum Beispiel dann einzutakten, wenn Strom gut verfügbar und günstig ist. Wettbewerb und ökonomisches Verhalten würden damit ausgebremst.
Christian Lindner
Das konterte Fahimi nun allerdings mit dem Verweis, dass auf die "große und stabile Industriebasis" Deutschlands. Lindner solle die Frage beantworten, ob es sie auch in Zukunft geben solle und er dafür tun wolle. Sie verwies auch darauf, dass die staatlichen Versorger in Frankreich auch den Preis für die Industrie einfach auf 4,2 Cent festgelegt hätten.
Gleichwohl raten Ökonomen von einem Preisdeckel ab und auch in der Industrie wird er nicht in jedem Fall begrüßt.
"Ich bin im Allgemeinen nicht für Eingriffe in den Markt", sagte kürzlich der Chef des Chemiekonzerns Lanxess, Matthias Zachert, dem Manager Magazin. Am besten wäre es, die Angebotsseite zu stärken. Dass jetzt staatliche Hilfen notwendig werden, hat für Zachert auch mit der seit Jahren wenig energisch vorangetriebenen Energiewende zu tun.
Aber wenn die Politik auf Atom und Kohle verzichten möchte und zugleich bei den Erneuerbaren nicht genug passiert, dann haben wir ein Problem. Wenn wir die Industrie nicht abwandern lassen wollen, werden wir um staatliche Energiehilfen nicht herumkommen.
Matthias Zachert
Inzwischen hat auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen alternativen Vorschlag zum Industriestrompreis vorgelegt. Man sei ebenfalls der Meinung, dass die Preise sinken müssten, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der Welt am Sonntag. Nur das "wie" stellt man infrage.
Die hohen Strompreise seien ein dauerhaftes Standortproblem, an dem der Vorschlag aus dem Bundeswirtschaftsministerium nichts grundlegend ändert. Es würde vermutlich nur eine sehr geringe Zahl von Unternehmen geholfen.
Der DIHK-Vorschlag sieht vor, dass der Staat zunächst Steuern, Umlagen und Entgelte "möglichst komplett übernehmen" oder "so stark wie möglich verringern" soll. Blieben dann noch Härtefälle übrig, müsste es dort ergänzende Maßnahmen geben. Firmen und Haushalte könnten um rund zehn Milliarden Euro entlastet werden, wenn die Stromsteuer und andere Abgaben abgesenkt würden.
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