Bin ich Rassist? Ein Selbsttest
Seite 3: Der Hingucker
Zweiter Testfall: Das bereits erwähnte "Aufblicken" bei der Begegnung mit dunkelhäutigen Mitmenschen. Ist dies nicht Zeichen eines unwillkürlichen Rassismus?
Ich besuchte eine Fortbildung, bei der sich fast ausschließlich hell pigmentierte Menschen fanden. Als ich mich allein in einem Raum befand, tauchte dort unvermittelt ein Kollege von beinahe schwarz erscheinender Hautfarbe auf. Auch er ist schlank und groß, wie jene Menschen im Berliner Park. Wie war meine Reaktion auf diese unerwartete Situation? In der Selbstbetrachtung komme ich hier zu einem interessanten Ergebnis.
Sicher war ich etwas überrascht - aber genauso würde meine Reaktion ausfallen, wenn jemand mit leuchtend roten Haaren durch die Tür käme, oder jemand mit dem Körperbau einer mobilen Tonne. Eben jemand, dessen Aussehen nicht jenen hunderten Menschen entspricht, die einem üblicherweise begegnen. So reagiere ich nicht, wenn ich an einem Ort unterwegs bin, an dem die Vielfalt Normalität ist.
Viel wichtiger ist die Frage: Habe ich den Kollegen mit den Berliner Parkdealern in Verbindung gebracht? Der Gedanke kam mir gar nicht. Wie reagierte ich stattdessen? In mir erwachte Interesse. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Person eine interessante Lebensgeschichte hat, nicht dem Bild der deutschen Spießbürgerlichkeit und der ermüdenden Trivialität des Büroalltags entspricht, erscheint deutlich höher: Wer ist diese Person, wo kommt sie her, was treibt sie an?
Wie erlebt sie die deutsche Mentalität, oder hat sie selbst diese? Was ist ihre Geschichte, ihr Schicksal? Das ließe sich bereits als "rassistisch" bezeichnen, aber auch hier würde dies zu einer Entwertung des Begriffs führen und zu der gefährlichen Trivialisierung eines Problems, das Leben zerstört. Es wäre genau die Umdeutung, die Rechtsextreme mit Freuden vornehmen würden, um dann zu behaupten, dass Rassismus doch gar nicht schlimm sei. Steigbügelhalter des Faschismus nehmen eine solche Zuordnung vor.
Negativ fällt meine innere Schnellbewertung allerdings aus, wenn eine Person spießbürgerlich, als Macho, arrogant oder anderweitig protzig daherkommt - dann ist es allerdings auch ganz gleichgültig, welche Farbe ihre Haut hat. Rassismus ist das nicht.