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Biotechnologie, Staat und Kapital

Eine wirtschaftssoziologische Betrachtung zum Zusammenhang zwischen der Corona-Krise und der Stamokap-Theorie

Aufgrund der im Ersten Weltkrieg in Deutschland zu beobachtenden Interessenverstrickung zwischen Staat und Wirtschaft sieht Lenin in seiner 1917 erschienenen Schrift "Staat und Revolution" das Wesen des Stamokap in der totalen Verschmelzung der Monopolmacht der Wirtschaft mit der Regierungsmacht zu einem sich wechselseitig bedingenden einheitlichen Machtkomplex.

Wirtschaftslexion [1] 24. Ausgabe 2020

Dass das Finanzkapital das entwickelte kapitalistisch verfasste Wirtschaftssystem dominiert, ökonomische Monopolisierungs- und politisch-militärische Expansionsprozesse fördert, weiß man schon länger als hundert Jahre – etwa seit John A. Hobson: Der Imperialismus (1902), Rudolf Hilferding: Das Finanzkapital (1910) oder Wladimir I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (1917).

Dieser Einfluss des Finanzkapitals auf die Realwirtschaft erfolgte zunächst über Banken

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Einfluss der Banken und Versicherungen durch den der Investitionsagenten (Fonds, Vermögensgesellschaften), die gegenwärtig die Aktienmärkte beherrschen, ergänzt. Es bildete sich ein Finanzmarkt-Kapitalismus (Paul Windolf, 2005) und eine Finanzoligarchie (Albrecht, 2020) heraus.

Damit ging einher, dass die Produktion nicht mehr (nur oder allein) auf den zeitlich festgelegten Zinssatz des vorgeschossenen (fiktiven) Kapitals der Banken ausgerichtet wurde; sondern auf das Anlageverhalten zur Profitmaximierung und Renditensicherung der Investmentbanken und -fonds. Da Investitionen dieser Institutionen in die Realwirtschaft kurzfristiger erfolgen können, wird das Wirtschaftssystem schnelleren Entscheidungen ausgesetzt, damit auch verletzbarer.

Ebenfalls bekannt ist, dass unter den Akteuren des Finanzmarktkapitals, zwischen seinen Märkten (Aktiengesellschaften, Banken, Versicherungen, Investmentfonds, Ratingagenturen sowie Vermögensverwaltungen) und dem Staat sowohl enge Verflechtung als auch Konkurrenz herrscht. Dies ergibt sich aus dem ökonomischen Zwang zur unternehmensbezogenen Profitrealisierung.

Er nötigt auch zu immer stärker werdenden machtpolitischem Einfluss von Industrie- und Finanzkonzernen mittels Lobbyismus (wie auch schon Jahrzehnte bekannt in seiner institutionalisierten Form z.B. über Conseil on Foreign Relation [1921], Atlantikbrücke [1952], Bilderberg-Konferenz [1954], World Economic Forum [1971], Trilaterale Kommission [1973], Group of Thirty [1978]) auf Staat und Gesellschaft.

Der Staat wird vom gesamtgesellschaftlichen Interessenvermittler und Agent fürs Kapital zu einem ökonomischen und polit-sozialen integralen Bestandteil des Kapitals selbst: Die Herrschaft des Staatsmonopolistischen Kapitalismus (Stamokap) bildet und etabliert sich.

Seit den 1980er-Jahren, nachdem es schon in den 1970ern mit der Aufhebung der Goldbindung des USA-Dollars, der keynsianistischen Staatsverschuldungspolitik zur Überwindung zyklischer Wirtschaftskrisen und der Ablösung des politischen Kolonialismus durch den wirtschaftlichen gekommen war, gelang es dem Finanzkapital ausgehend vom anglo-amerikanischen Raum (Thatcherismus 1979-1990; Reaganomics 1981-1993), mehr und mehr das Staatshandeln kaum verdeckt zu korrumpieren, um staatliche oder gemeinwirtschaftliche Tätigkeitsfelder zu privatisieren und staatliche Regulierungen auszuhebeln. Dies war auch möglich wegen der zunehmenden Staatsverschuldung, die mit einer Abhängigkeit vom internationalen Finanzmarkt einhergeht.

Diese Ausweitung des Finanzmarktsektors und die Ausbildung zunehmend parasitärer Geschäftsfelder und Sektoren führte auch zu erhöhter Krisenanfälligkeit seit Ende der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts:

Diese Krisen im Finanzsystem beinhalten das Potenzial eines Zusammenbruchs des gesamten Weltfinanz- und damit Weltwirtschaftssystems (Krall, Otte, Friedrichs, Wolff, Kaufmann/Muzzupappa, 20202 [3]).

Auch gefährden sie die Macht der Herrschenden, wenn offensichtlich wird, dass die Rettung des Finanzsystems zu einer tiefgreifenden Ausplünderung und Verarmung breiter Volksmassen führen muss. Denn die Regierungen der großen Wirtschaftsräume hatten Schulden aufgenommen, um einen Großteil der privaten "faulen" Finanzanleihen zu garantieren und das Finanzsystem zu stützen.

So verdoppelten sich die weltweiten Staatsschulden zwischen 2007 und 2019 auf 70 Billionen US-Dollar. Staatliche und private Schulden addiert, erreichten 2019 den Rekord von 255 Billionen US-Dollar. Das entsprach über 320 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Und bedeutet: Die globale Wirtschaftsleistung war noch stärker durch Kredit vorfinanziert und dadurch aufrecht erhalten worden.

Kaufmann/Muzzupappa, 2020

Unter dem Deckmantel der Corona-Krise konnte nicht nur der Zusammenbruch des Finanzsystems; sondern auch seine Rettung mit Milliarden Steuergeldern versteckt werden. Allein die EU schüttete 2020 für ihre Mitgliedsländer 500 Milliarden Euro an Zuschüssen und 250 Milliarden Euro an Darlehn aus (Europäische Kommission: Eurostat/Statista), hinzu kommen allein für die Bundesrepublik 2020 haushaltswirksame Maßnahmen von 353,3 Milliarden Euro und Garantien von 819,7 Milliarden Euro (BMF) sowie eine Aussetzung der Schuldenbremse mit einer Schuldenüberschreitung im Bundeshaushalt von 164,2 Milliarden Euro (BMF).

Stärkung des digital-finanziellen Komplexes

Mit der Rettung des Finanzsystems soll zugleich aber auch der digital-finanzielle-Komplex gestärkt werden. Deshalb beinhalten die sogenannten Coronahilfen auch immer Förderung der Digitalisierung in jedweder Form. Dieser digital-finanzielle Komplex besteht aus

Diese gelten jetzt schon jetzt durch die Politik der "Lockdowns" als die Profiteure der Corona-Krise.

Einher mit der Krise ging und geht die Erschließung von Geschäfts- und Profitfelder im Bereich neuer Technologien wie im Energiesektor, bei der weiteren Digitalisierung, innerhalb von Computer-, Multimedia- und Telekommunikation sowie von mathematisierter Wissenserschließung und -vermarktung für Waren und Dienstleistungen. Hierzu gehört auch das Geschäftsfeld der Biotechnologie mit eigener Medizintechnik und (vorsorgenden) Gesundheitstechnologie.

Unter Biotechnologie versteht man die Form von marktbezogener Wissenschaft, die sich mit der Nutzung von Enzymen, Zellen und Kleinorganismen und deren technologischen Anwendung beschäftigt. Ziel sind Diagnosemethoden und Heilverfahren auf der Basis chemischer Verbindungen.

Moderne biotechnische Verfahren kommen im 20. Jahrhundert im Kontext der Chemieindustrie auf und umfassen mikrobielle und enzymatische Umwandlung organischer Stoffe.

Mit der Klärung von Struktur und Wirkungsweise der Desoxyribonukleinsäure (DNA) und den damit einhergehenden Möglichkeiten der Beeinflussung bis Veränderungen des Erbgutes startete 1990 das Humangenomprojekt mit dem Ergebnis der Entschlüsselung und Sequenzierung des menschlichen Genoms. Darauf baut Gentechnik, Gentherapie und Stammzellenforschung auf, mit deren Hilfe rekombiniert hergestellte Proteine der Pharmazie zugänglich gemacht wurden.

Das Marktvolumen dieser biotechnischen Unternehmen (Pflanzen-, Tier- und Menschenbereich) erreichte 1999 ein Nettovolumen von zehn Milliarden US-Dollar. Eine spezielle Untergruppe in der Biotechnologie stellt die sogenannte rote Biotechnologie mit ihren gentechnischen Anwendungsbereichen für den Menschen dar. In der Corona-Krise erlangte sie mit mRNA (messenger ribonucleic acid)-Impfstoffen besondere Bedeutung.

Neuer, ungeheurer Weltmarkt

Im Kontext der weltweiten Corona-Hysterie 2020/2021 wurde für die Arzneimittelindustrie und speziell für Impfstoffhersteller ein ungeheuer großer Markt aufgeschlossen, der schon zuvor ein monopolisierter Weltmarkt darstellte, wie Katren Montag in Zur Wirksamkeit von Influenza- und Corana-Schutzimpfungen ausführt3 [4]:

Das weltweite Marktvolumen für Impfungen betrug 2019 circa 33 Milliarden Dollar und wird zu 90 Prozent von den vier Pharmaunternehmen GKK, Pfizer, Merck und Sanofi kontrolliert. Der globale Markt für Grippeschutzimpfungen betrug 2019 4,5 Milliarden Dollar. Bis 2027 wird ein Wachstum auf 7,6 Milliarden Dollar erwartet.

Dieser Markt ließe sich unermesslich steigern, sollte die Propaganda, dass die gesamte Menschheit (B. Gates) und in Deutschland fast die gesamte Bevölkerung (A. Merkel) geimpft werden solle und auch müsse, umgesetzt werden. Deshalb schätzt das Finanz- und Analyseunternehmen "Morningstar" für 2021 zu erwartenden Umsatz von 67 Milliarden US-Dollar für Covid-19-Impfstoffe. Der Umsatz der Rüstungsindustrie umfasste 2019 166 Mrd. US-Dollar.

Unternehmensgründung mit staatlicher Unterstützung

Zwei dieser Biotech-Unternehmen sollen näher betrachtet werden: Biontech und Curevac.

Biontech (Biopharmaceutical New Technologies) mit dem Ziel der Entwicklung von Medikamenten auf mRNA-Basis für die Krebstherapie wurde 2008 mit staatlicher Unterstützung gegründet. Vorausgegangen war die erfolgreiche Teilnahme der am Unternehmen beteiligten Forscher an der vom Bundesministerium für Forschung und Technologie initiierten Gründungsoffensive Biotechnologie 2005, um diesen Sektor nach dem Zusammenbruch des "Neuen Marktes" Anfang der Nullerjahre wiederzubeleben.

Unter den 58 zu fördernden Projekten befand sich auch eines zur Krebsbekämpfung der Medizinischen Klinik der Universität Mainz. Im Zusammenhang mit diesem Projekt kam es zur Unternehmensgründung. An ihr beteiligt waren die Onkologen Christoph Huber (*1944), Ugar Sahin (*1965), die Ärztin Özlem Türeci (1967) sowie als Kapitalgeber die Zwillingsbrüder Andreas und Thomas Strüngmann (*1950); diese stiegen mit 180 Millionen US-Dollar ins Unternehmen ein.

Die Strüngmann-Brüder kamen aus einem Elternhaus, das vormals die Generika-Firma Durachemie (1950) und 1986 die Generika-Firma Hexal (Holzkirchen in Bayern) besaß. Nach dem Verkauf dieser Firma 2005 an die Schweizer Novatis-Gruppe für 7,5 Mrd. US-Dollar stiegen die Brüder in die Exklusivgruppe der Welt-Milliardäre auf. 2003 gründeten sie die Stiftung "Frankfurt Institut for Advanced Studies", ein public-private-partnership-Projekt mit der Universität Frankfurt, der Max-Planck-Gesellschaft etc. und eben Biontech.

Nach der Gründungsphase 2008-2013, begann 2014-2018 die Zeit der Kommerzialisierung mit erweiterter Forschung, Patentanmeldungen und Publizierung; sodass 2019 der Börsengang an der Nasdaq als BNTX mit 150 Millionen US-Dollar erfolgte. Es kam zu einer Kooperation mit J.P.Morgan, Merrill Lynch, UBS, SBB, sodass die Bewertung des Unternehmens rasch auf 3,1 Milliarden US-Dollar stieg. Ebenfalls 2019 fand eine Kooperation mit der Gates-Foundation statt.

Mit der Corona-Krise ging im März 2020 eine Zusammenarbeit mit Pfizer und Forsun Pharma (Shanghai) einher. Sie führte zur Entwicklung des Covid-19-Impfstoffes Tozinameran. Im September erhielt Biontech-Pfizer von der BRD Fördermittel in Höhe von 325 Millionen Euro und einen Kredit der Europäischen Zentralbank (als von 19 Staaten der Europäischen Union, der sogenannten Eurozone) von 100 Millionen Euro. Im Dezember 2020 erfolgte die vorläufige Zulassung des Impfstoffes, der zunächst für 54,08 Euro je Impfdosis den Regierungen angeboten wurde.

Biontech plant bis 2023 in Singapur eine Produktionsanlage für mRNA-Impfstoffe und Therapeutika mit einer Kapazität von 100 Millionen Impfdosen pro Jahr und einem Umsatz von fünf Milliarden US-Dollar. Auch die anderen Covid-Impfstoffentwickler erhöhen ihre Produktionskapazitäten – sei es durch neue eigene Produktionsstätten, sei es durch Zusammenarbeit mit fremden in- und ausländischen Herstellern von Impfstoffen und Arnzneimittel: Die EU hat zu Jahresbeginn 2021 2,3 Milliarden Impfdosen bestellt, darunter 600 Millionen bei Biontech/Pfizer, 405 Millionen bei Curevac, 400 Millionen bei Astrazeneca und 400 Millioenen bei Johnson&Johnsen, so der Der Stern, 1.2.2021); denn es gilt, etwa 80 Prozent der EU-Bevölkerung durchzuimpfen.

Das biopharmazeutische Unternehmen Curevac wurde 2000 aus einem akademischen Forschungsprojekt (Biologie, Chemie, Immunologie) der Universität Tübingen gegründet von Günther Jung (*1937), Hans-Georg Rammensee (*1953), Igmar Hoerr (*1968), Florian von der Mülbe und Steve Pascolo (*1970) und von der Landesregierung Baden-Württemberg durch Bereitstellung von universitären Laborräumen und -materialien gefördert. 2003 wurde in Tübingen eine internationale Konferenz zu mRNA-Heilmethoden durchgeführt und das Biologiezentrum Tübingen mit 18 Mitarbeitern eingerichtet.

2006-2014 finanzierte Dietmar Hopp (*1940, Mitgründer der IT-Firma Systemanalyse und Programmentwicklung [SAP]) mit seiner "Dievini Hopp Biontech Holding" Curevac zunächst mit 80 Mio. Euro; 2012 hielt Hopp 90 Prozent des 145 Millionen Euro umfassenden Kapitals, im Februar 2015 engagierten sich auch die Bill und Melinda Gates Stiftung mit 46 Millionen Euro und Böhringer Ingelheim mit 35 Millionen Euro an diesem Unternehmen; 2016 kamen als weitere Investoren die L-Bank (Ba-Wü) und die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte mit 26,5 Millionen Euro hinzu, 2017 der US-Pharmakonzern Elly&Co mit 45 Millionen und die EIB mit 75 Millioenen Euro. Allerdings scheiterte 2017 das Vorhaben der Entwicklung eines mRNA-Krebs-Impfstoffs. Im Mai 2018 wurde der US-Manager Daniel B. Menichella Vorsitzender des Aufsichtsrates von Curevac.

Im Februar 2019 wieder traf Cepi, die Impfallianz der Gates-Stiftung, eine Vereinbarung in Höhe von 34 Millionen US-Dollar mit Curevac über die Entwicklung von Impfstoffen. Mit der Corona-Krise sprudelte geradezu das Geld. So beteiligte sich im Juni 2020 die Bundesrepublik über die KfW mit 300 Millionen Euro und erlangte einen 23 Prozent Anteil am Unternehmen, im Juli 2020 unterzeichneten Curevac und der britische Pharma-Konzern GlaxoSmithKlein einen Kooperationsvertrag über die Entwicklung von Impfstoffen auf mRNA-Basis über 150 Millionen Euro.

im September 2020 erhielt das Unternehmen öffentliche Fördermittel in Höhe von 252 Mio. Euro für die Entwicklung von Impfstoffen gegen Corona.

Zuvor ging das Unternehmen im August an die US-Börse Nasdaq, wo es mit 2,3 Mrd. US-Dollar bewertet wurde. Aktien-Haupteigentümer sind "Dievini Hopp Biotech Holding" mit 49,5 Prozent, KfW mit 17 Prozent und Glaxo mit 18,5 Prozent.

Diese beide Firmengeschichten verdeutlichen: Es entwickelten sich Start-ups erst, als Großinvestoren einen profitablen Markt zu erkennen glaubten, etwa um die Jahre 2018/19, der Staat sich mit Steuermitteln auch finanziell beteiligte und das Produkt, hier Impfstoff, auch institutionell abgesichert werden konnte.

In einem Interview in der Neuen Zürcher Zeitung (23.2.2021) erzählte der Curevac-Mitgründer Igmar Hoerr unter anderem, dass er und Florian von der Mülbe ursprünglich einen Masernimpfstoff entwickeln wollten, jedoch für diesen "Cent-Markt" keine Investoren fanden4 [5]:

Wir waren damals unterwegs Geld einzusammeln. Und wenn wir mit Impfstoffen für Infektionskrankheiten gekommen wären, hätte uns niemand Geld gegeben. Wir waren durch den Markt gezwungen.

Deshalb orientierten sie sich auf einen Massenimpfstoff zur Tumortherapie. 2003 sei es zu einem Treffen mit Friedrich von Bohlen aus der Krupp-Familie, selbst ein Biotech-Gründer, gekommen. Zu diesem Treffen habe er den Schweizer Investmentbanker Chris Tanner mitgebracht. Nach der Präsentation ihres Biotech-Start-up habe von Bohlen gemeint: "Herr Hoerr, wenn das wirklich klappt, werden Sie einen Millionenmarkt haben. Ihre Firma wird eine Revolution auslösen." Deshalb investierte von Bohlen 2004 in Curevac und gewann auch Dietmar Hopp (SAP), der dabei war, selbst eine Biotech-Holding aufzubauen, als weiteren Financier.

Beide erkannten, dass langfristig gesehen mit mRNA-Methoden, die anregen könnten, jedes Protein im Körper zu produzieren, die "molekulare und digitale Transformation der Medizin" (Business Insider, 28.10.2020) eingeleitet und ein weltweiter neuer Markt erschlossen werden würde.

Hopp wiederum stellte die Verbindung her zu Bill Gates, den die Junggründer in Paris trafen und der sich 2015 an der Firma beteiligte, als ihm zugesichert wurde, dass der Curevac-Impfstoff eine Temperaturstabilität von um 4° C. erreichen würde (Wirtschaftswoche-Interview 5.3.2021).

Auch zum Tesla-Chef Elon Monk bestehen Verbindungen im Kontext des Vorhabens, mRNA-Drucker für die individualisierte Krebstherapie herzustellen, die von Tesla Automation GmbH (bis 2017 Grohmann Engineering) Prüm/Eifel produziert werden sollen.

Angesichts dieser Marktaussichten intervenierten die deutschen Biotech-Unternehmen Biontech und Curevac auch erfolgreich bei der Bundesregierung Merkel und der EU, um die Forderung der Biden-Administration, die Impfstoffpatente offen allen Staaten zur Verfügung zu stellen, zurückzuweisen. Von Bohlen erklärt5 [6]:

Zum ersten Mal in der Biotech-Geschichte kommen zwei oder drei (erfolgreiche) Firmen nicht aus den USA. […] Wenn die Firmen alle Amerikaner wären, glaube ich nicht, dass sie [die US-Amerikaner] diesen Vorschlag gemacht hätten.

Schließlich wird die im Zusammenhang mit Corona geführte offensive Impfstoffkampagne auch als Türöffner für weitere Geschäftsfelder betrachtet. So teilte von Bohlen im angeführten Interview mit, er habe mit "Molecular Health" eine Datenbank gegründet, die auf "molekularer Ebene den biologischen Prozess im Körper analysiert und aufzeichnet, um Krankheiten an gezielte Medikamente anzugleichen" (The Irish Times 19.5.2021).

Der Staat und Unternehmensinteressen

Am Beispiel der Biotech-Technologie lässt sich exemplarisch der sogenannte "wissenschaftlich-technische Transformationsprozess" im Stamokap nachzeichnen. Hier geht es nicht allein um die Durchdringung des Staates durch Monopole und die damit einhergehende Unterordnung von Politik und Gesellschaft unter Monopolinteressen, sondern der Staat agiert eigenständig, um über Förderung von Innovationen den Gesamtprozess der Kapitalakkumulation in Gang zu halten. Dabei bildet sich folgendes Muster heraus:

Staatliche Förderung von zumeist von Hochschulforschern gegründeten Start-up-Unternehmen Beteiligung privater Geldgeber Einstieg verschiedener internationaler Investoren Börsengang Erschließung neuer Märkte sowohl mithilfe massiver staatlicher Finanzförderung als auch in politischer Hinsicht nationale Erprobungsphase internationaler Konkurrenzkampf der Unternehmen und Staaten um neue Märkte.

Und die makabre Ironie des Gesamtvorgangs: infolge der Staatsinitiative am Beginn dieses Prozesses erscheint es unbedarften Beobachtern, als handelte es sich um sozialistische Maßnahmen.

Über alle Prozessbeschreibungen hinaus lassen sich zwei Grundzüge als Muster analytisch erkennen: Zum einen handelt es sich um reale sozioökonomische und organisationssoziologische Entwicklungen im letzten Jahrzehnt der globalen Bipolarität, den 1980er-Jahren, die den erheblich angestiegenen wirtschaftlichen und politischen Machtballungen6 [7] entsprechen.

Zum anderen bildete sich in den 1980er-Jahren im finanzkapitalistisch entwickelten Westen ein mehrstufiges Verfahren zum Investitionsprozess heraus (in Deutschland mit besonders wirksamen staatsinterventionistischen Formen), das anfänglich in kleinen Einheiten, oft Projekten, und zunehmend als Start-ups begann und schließlich nach Übernahmen durch finanzstarke Gruppierungen zu global tätigen Unternehmen mit global finanzoligarchischer Dominanz führte.

Langfristiges Projekt mit Staatsgeld

In diesem Kurzbeitrag wurde aufgezeigt, dass es sich bei der Erschließung des Geschäftsfeldes Biotechnologie zusammen mit Medizin- und Gesundheitsvorsorgetechnik um ein langfristiges Projekt handelt, das viel Kapital, sei es aus öffentlichen Steuermitteln, sei es von Anlage suchenden Privatinvestoren aufsaugt.

Vor allem Privatinvestoren erwarten Gewinn auf ihr vorgeschossenes Kapital. Und auch wenn das Finanzkapital wild spekuliert … Profite lassen sich letztlich nur in der Realwirtschaft erzielen. Und da das ursprüngliche Ziel von Biontech und Curevac, ein Krebsmittel auf mRNA-Basis zu entwickeln, nicht erreicht wurde, es überhaupt offen bleibt, die Krebskrankheit ausrotten zu können, kam die sogenannte Corona-Pandemie mit seinem "dummen Virus" (Hoerr) wie bestellt, um mit dem relativ einfach herzustellenden mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 Renditeerwartungen zu erfüllen.

Immerhin kostete eine Impfstoffdosis von Biontec zwölf Euro, von Curevac zehn Euro, von Moderna 14,69 Euro, von AstraZeneca 1,78 Euro und von Johnsen&Johnsen 6,44 Euro (Business Insider, 18.12.2020). Allerdings sind dafür Massenimpfungen erforderlich. Insofern ist es einsichtig, dass nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt geimpft werden soll.

Wilma Ruth Albrecht, Sprach- und Sozialwissenschaftlerin (Dr.rer.soc. Lic.rer.reg.), Arbeitschwerpunkten 19. und 20. Jahrhundert, letzte Buchveröffentlichte Über Leben. Roman des Kurzen Jahrhunderts (4 Bände, Verlag freiheitsbaum: Edition Spinoza 2016-2019). - Der Beitrag schließt an an die Aufsätze Finanzoligarchie (in: Sozialwissenschaftliche Literatur Rundschau 91/2020: 72-79) und Krisenhaft beschleunigter Epochenbruch? (in: soziologie heute 77/2021: 10-14); e-Post dr.w.ruth.albrecht@gmx.net


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