Bioterror: Die Pockenpanik

USA bestellen 50 Millionen Dosen Impfstoff

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280 Millionen Dosen Impfstoff müssen her, damit die amerikanische Bevölkerung der zweiten Welle des Bioterrorismus, nämlich den Pocken, stand halten kann. (Vgl. Schily warnt vor Panik rund um Bioterror, Biopanik)Die amerikanische Regierung hat 50 Millionen Impfstoffdosen beim britische Unternehmen Acambis PLC geordert und verhandelt mit weiteren Herstellern. 15 Millionen Vakzine, die 1972 übrig blieben, weil das Impfprogramm in den USA auslief, sind für Militär und Ordnungskräfte sowie den ersten Schub der Bioterroristen reserviert.

Sollte man besser warten bis die Erreger wirklich eingeschleppt werden? Die amerikanischen Internisten halten sich bedeckt und verweisen auf die Warnung der WHO, wonach die Pockenimpfung einen von einer Million Impflingen zu Tode bringt. Die Zahl ist schlichtweg geschönt. Deutschland kennt seit 150 Jahren die gesetzliche Pockenimpfung. Und da hatten die Gegner der Pflichtimpfung ganz andere Erkenntnisse zusammengetragen. Der wichtigste Grund für den Impfbeginn im Säuglingsalter war nämlich die schmerzhafte Erkenntnis, dass einer von 15.000 überalterten Erstimpflingen an einer Hirnentzündung (postvakzinale Enzephalitis) erkrankt. Das Pikante an der Problematik ist der Begriff "überalterter Erstimpfling". Überaltert ist bereits das Kleinkind im vierten Lebensjahr.

Legt man diese Zahlen zugrunde, errechnen sich für die USA 66 Enzephalitis-Erkrankungen auf eine Million Impflinge, und rund 2000 Erkrankungen, sollte die Bevölkerung total geimpft werden. Die aus Erfahrung gewonnene Realität war in Deutschland der Grund für die gesetzlich vorgeschriebene Impfung im Säuglingsalter und für die Vorimpfung mit einer abgetöteten Vakzine bei Personen mit erhöhter Gefahr der postvakzinalen Enzephalitis. Die Vorimpfung verringerte das Risiko für die Hirnentzündung allerdings zu Lasten erheblicher Allgemeinreaktionen bei einem von zehn Geimpften.

Mit anderen Worten: Würde vorgeimpft werden, sind 28 Millionen Amerikaner für eine Woche arbeitsunfähig. Das sind bei weitem nicht alle Impfrisiken. Gefürchtet werden weitere Komplikationen, nämlich Superinfektionen an der Impfstelle, sowie die Gefährdung der Umwelt. Schließlich handelt es sich um einen Lebendimpfstoff. Leicht und unkontrollierbar kann sich das Virus auf ungeimpfte Personen übertragen und damit auf jene, die wegen einer Erkrankung mit Abwehrschwäche oder, weil sie zu den Senioren zählen, gar nicht geimpft werden dürfen.

Das schlimmste Szenarium der generalisierten Vorsorgeimpfung ist eine Situation, bei der nicht nur die typischen Impfkomplikationen auftreten, sondern alle Abwehrgeschwächten, obwohl nicht geimpft, durch die staatlich angeordnete und ärztlich begonnene Verbreitung der Pockenviren zu Tode kommen.

Die Verantwortlichen des Centers for Disease Control (CDC) in Atlanta können sich ebenfalls nicht mit der Generalimpfung anfreunden. Meltzer und Mitarbeiter haben zusammen mit einem Experten für Computersimulation das Szenarium einer Epidemie durchgespielt.

In der Modellrechnung kam zu Tage, dass die Impfung allein keinen wirklichen Schutz bietet. Nur unter optimalen Bedingungen könnte die Pockenepidemie innerhalb eines Jahres beherrscht werden. Müssen wir deshalb alle sterben? Keineswegs: Quarantäne heißt die altbekannte und einzig überzeugende Lösung. Wenn die Politiker schon über Vorbereitungen nachdenken, dann geht es um die Früherkennung der Pockenerkrankung und um ein wirksames System, den Notfall in geordneten Bahnen und ohne Hysterie zu bewältigen. Ferner müssen vorplanbare Regelungen sicherstellen, dass die Übertragung der Pocken frühzeitig unterbunden wird. Die Quarantäne ist zugleich die einzige Möglichkeit, mit einer gentechnologisch erzeugten Abart der bekannten Pockenviren fertig zu werden, falls der herkömmliche Impfstoff versagt.