Bitcoin ist offizielles Zahlungsmittel in El Salvador

Bukele, wie er sich sieht. Bild: @nayibbukele

Als erstes Land der Welt führt El Salvador eine Kryptowährung als gesetzliches Zahlungsmittel ein. Viele Fragen bleiben offen

Der Bitcoin ist seit Beginn dieser Woche offizielles Zahlungsmittel in El Salvador. Vier Tage nachdem Präsident Nayib Bukele im Juni auf einer Bitcoin-Konferenz in Miami angekündigt hatte, diese Kryptowährung als gesetzliches Zahlungsmittel einzuführen, hatte er seine Entscheidung im Parlament absegnen lassen. Dank der Unterstützung seiner Regierungsmehrheit wurde das Bitcoin-Gesetz durchgewinkt.

Von 84 Parlamentsmitgliedern stimmten 62-mit Ja, lediglich neunzehn Abgeordnete mit Nein. Ein Schritt, der große Auswirkungen haben könnte, nicht nur für Wirtschaft des mittelamerikanischen Landes, sondern auch weit darüber hinaus.

Wird sich der Bitcoin tatsächlich als Zahlungsmittel durchsetzen? Wird, wie die Bitcoin-Befürworter sagen, sich das Leben der Menschen ohne eigenes Bankkonto verbessern? Werden andere Länder dem Beispiel folgen?

Ein Politiker neuen Stils

Dass es so weit kommen konnte, hat mit Bukele selbst zu tun, einem Politiker neuen Stils, der 2019 mit 53, 8 Prozent der Stimmen Präsident wurde; einem "Populisten, der weder rechts noch links ist", wie die spanische Zeitung La Vanguardia schreibt und dem es gelungen ist, in einem vom Bürgerkrieg "traumatisiertem Land", den Salvadorianer:innen Hoffnung und Selbstwertgefühl wiederzugeben.

Der 39-jährige Bukele beherrscht Marketing. Ein Hipster, der Politik im Stil eines Influencers betreibt. Bei Twitter präsentiert er sich mit Laseraugen, genau wie sein Vorbild Elon Musk, der charismatische Tesla-Chef, der mit seinen Tweets Millionen bewegt.

Einerseits tritt Bukele als starker Mann auf, der schnell durchgreift gegen Gewalt und Korruption, andererseits geriert er sich als Wohltäter, der die Armen unterstützt.

Die Opposition wirft ihm einen autoritären Führungsstil vor. Anfang Februar 2020 ließ er etwa das Militär ins Parlament marschieren, um die Abgeordneten zur schnellen Absegnung eines Kredites zur Finanzierung der Sicherheitskräfte zu bewegen.

Die Corona-Pandemie nutzte er, um die Grenzen zu schließen und er erließ rigide Ausgangssperren, kontrolliert von Polizei und Armee. Wer sie missachtete, wurde in Auffanglager gebracht.

Die Einführung des Bitcoins verkauft er als Hilfe für die Armen. Vor der Verabschiedung des Gesetzes twitterte er Bitcoin bringe "finanzielle Inklusion, Investitionen, Tourismus, Innovation und wirtschaftliche Entwicklung".

In El Salvador aber haben 70 Prozent der 6, 5 Millionen Einwohner keinen Zugang zu traditionellen Bankdienstleistungen.

Wirtschaftliche und finanzielle Situation El Salvadors

Die finanzielle Lage des Landes ist prekär, die Ausgaben der Regierung nicht finanzierbar. Kurz vor Einführung des Bitcoins war Bukele in Gesprächen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über einen Milliardenkredit, der ihm jedoch verwehrt wurde. Eigenes Geld drucken kann er (noch) nicht, denn seit dem Jahr 2000 ist der US-Dollar offizielle Landeswährung.

Anabel Belloso, Abgeordnete der Linkspartei FMLN verglich die Einführung des Bitcoins mit der Dollarisierung der Wirtschaft, die im November 2000 von der rechten Arena-Partei in einer Marathonsitzung des Parlaments durchgesetzt worden war. Bis zu diesem Zeitpunkt hieß die Landeswährung Colón (eingeführt im Jahr 1919).

Belloso kritisiert, dass das Bitcoin-Gesetz "hinter dem Rücken der Bevölkerung, ohne Diskussion und mit der Absicht, eine wirtschaftliche Elite zu begünstigen" eingeführt worden sei. Zudem prangt sie an, dass die Regierungspartei dem Parlament die Befugnis zur Kontrolle der Liquiditätsreserven entzogen hat, um ohne gesetzliche Überprüfung über die Ersparnisse der Menschen in den Banken zu verfügen.

Schulden, die in harten US-Dollar bestehen, können nun problemlos in Bitcoin umgewandelt werden, dessen Marktpreis tagtäglich variiert.

Eine Tatsache, die auch das organisierte Verbrechen zu schätzen weiß, das im Umgang mit dem Bitcoin geübt ist. In El Salvador operieren zwei große Drogenkartelle, MS 13 und Barrio 18, die Präsident Bukeles Partei Nuevas Ideas finanziell unterstützt haben sollen.

Bukele ist ähnlich virtuos im Umgang mit Sozialen Medien, vor allem Twitter, wie der mit ihm befreundete Ex-US-Präsident Donald Trump. Bei einer Youtube-Fragerunde entschied er ad hoc, dass die vulkanische Geothermie des Landes zum Schürfen von Bitcoin genutzt werden soll, zumindest eine weniger schädliche Quelle für den massiven Energieverbrauch, der laut Digiconomist's Bitcoin Energy Consumption Index auf 126 TWh pro Jahr (Stand: 8. Juni 2021) geschätzt wird.

Was ist die Erwartung im Land?

Viele Salvadorianer:innen leben und arbeiten im Ausland, geschätzt rund 1,5 Millionen, und schicken ihren Familien Geld nach Hause. Die Auslandsüberweisungen machen rund ein Viertel der Wirtschaftsleistung aus. Der Präsident glaubt, dass ein großer Teil dieser sechs Milliarden US-Dollar an Vermittler verloren geht.

Er hofft, dass das mit Bitcoin nicht passiert. Seine Rechnung lautet: Das BIP steigt um 25 Prozent, wenn ein Prozent der Marktkapitalisierung der Bitcoin in das Land fließt.

Ob die Rechnung Bukeles so aufgeht, ist fraglich, zumal der Anteil der Schattenwirtschaft, wie in anderen mittelamerikanischen Staaten auch, sehr hoch ist. Geschätzt zwei Drittel der Bevölkerung arbeitet im informellen Sektor.

Würde die Schattenwirtschaft, einschließlich des lukrativen Drogenhandels in der offiziellen Statistik auftauchen, dürfte auch das BIP wesentlich höher sein.

Die Behauptung, der Bitcoin vergünstigte Auslandsüberweisungen, ist zudem schlicht falsch. Im Gegenteil. Es verteuert sie nicht nur, sondern macht sie auch unsicherer, wie es im Report Bukele’s Bitcoin Blunder heißt, der die Kosten von Auslandsüberweisungen nach El Salvador vergleicht.

Bitcoin und technische Infrastruktur

Das Bitcoin-Gesetz sollte innerhalb von 90 Tagen umgesetzt werden. Was angesichts der nicht vorhanden technischen Infrastruktur äußerst ambitioniert war. El Salvador hat nicht nur eine der schlechtesten Internetabdeckungen der Welt, sondern auch eine der schlechtesten Abdeckungen mit Mobiltelefonen, die als Hauptzugang zur Nutzung von Bitcoins als Zahlungsmittel essenziell sind.

Vor allem bei kleinen Beträgen schlagen die Transaktionskosten mitunter extrem zu Buche. Sie schwanke zwischen einigen Cent bis hin zu 50 US-Dollar. Zu Stoßzeiten steigt der Preis. Bedient wird der Höchstbietende.

Die Bestätigung einer Transaktion kann einige Minuten dauern, da ihre Anzahl stark begrenzt ist - lediglich sieben pro Sekunde – bei Visa sind es laut eigenen Angaben bis zu 24.000 Transaktionen pro Sekunde.

Pro Block, der auf ein Megabyte begrenzt ist, können so alle zehn Minuten maximal 4.000 Transaktionen stattfinden, die dann auf die Bitcoin Blockchain festgehalten werden.

Die geplanten Bitcoin-Automaten funktionieren nicht wie normale Geldautomaten. Man füttert sie eher mit US-Dollar, die in Bitcoin umgewandelt werden, als selbst US-Dollar zu erhalten. Der Automat ist eine Art Interface, an dem man mit Bitcoin handeln kann, ohne über eine Kryptoplattform oder eine Bank zu gehen. Die Transaktionsgebühren liegen zwischen zehn und 20 Prozent.

Und wie errechnet sich die Gebühr?

Ganz einfach. Alles, was Sie tun müssen, ist die Größe Ihrer Transaktion in Bytes zu berechnen, sie mit der mittleren Byte-Größe zu multiplizieren, die Antwort in Satoshis zu nehmen, sie durch 100 Millionen zu teilen (oder 1e8 auf einem wissenschaftlichen Taschenrechner) und erhalten die Antwort in Bitcoin und dann in USD.

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Zudem ist ein Mindestumsatz von 50 Dollar Voraussetzung - bei einem monatlichen Durchschnittsgehalt von 300 Dollar eine recht erkleckliche Summe. Eigentlich war geplant, dass der Kryptozahlungsdienstleister Strike – eine Art Paypal für Bitcoin – die notwendige Infrastruktur bereitstellt. Laut eigener Aussage hat Unternehmensgründer Jack Mallers Bukele auf die Idee gebracht, die Kryptowährung zu nutzen.

Wie es scheint, war das wohl eher eine PR-Aktion Mallers für seine App, denn kurz darauf erklärte Bukele, dass mit Chivo, eine landeseigene App entwickelt wird.

Chivo: eine landeseigene virtuelle Brieftasche

Chivo, ein salvadorianisches Slangwort für "cool", ist eine virtuelle Geldbörse (Wallet), die über das sogenannte Bitcoin Lightning-Netzwerk Transfers ermöglichen soll.

Das Lightning-Netzwerk ist eine sogenannte Layer-2-Applikation, die nicht direkt auf der Bitcoin-Blockchain läuft, sondern nur darauf aufsetzt. Ob das System reibungslos läuft und eine derartige Herausforderung meistern kann, ist bisher nicht bewiesen.

Vorteile von Lightning seien eine schnellere Übertragung und geringere Transaktionskosten, aber es gibt weder ein festes Hauptbuch, noch die Möglichkeit verlässlicher Buchhaltung, was für Unternehmen, Händler und auch Privatpersonen unerlässlich sein sollte. Im Grunde herrscht hier das Gigo-Prinzip: "Garbage in, Garbage out".

Chivo-Nutzer:innen erhalten US-30 Dollar Startguthaben in Bitcoin, die nicht auszahlbar sind. Dafür müssen sie ihre Telefonnummer, ihren Personalausweis und ein Foto in der App hinterlegen. Laut Finanzminister Alejandro Zelaya gibt es zudem zwei Chivo-Versionen, "eine Geldbörse für Bürger und eine andere für Unternehmen".

Über den Wechselkurs zwischen Bitcoin und US-Dollar entscheidet der freie Markt, wie bezahlt wird, ob in US-Dollar oder Bitcoin entscheidet jeder für sich. Laut Bukele soll die Chivo-Wallet, die auch mit anderen Bitcoin-Wallets kompatibel sein soll, ab diesem Monat zum Download bereitstehen.

150 Millionen US-Dollar Fonds

Bitcoin hat sich mittlerweile als Spekulationsobjekt etabliert, als Zahlungsmittel taugt er nicht, da der Bitcoin Kurs höchst volatil ist. Um die Gefahr von Preisschwankungen auszugleichen, hat die salvadorianische Regierung einen Treuhandfonds von 150 Millionen Dollar bei der Entwicklungsbank Bandesal – und nicht etwa bei der Zentralbank – eingerichtet.

So will sie die sofortige Konvertierung des Bitcoins garantieren und den Handeltreibenden, die zukünftig Bitcoin akzeptieren müssen, das Risiko der Nutzung der Kryptowährung abzunehmen.

In einer Talkrunde auf Twitter Spaces sagte der Präsident zudem, dass man zukünftig für drei Bitcoin eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommt und das Bitcoin noch nicht offiziell in die Landesreserve aufgenommen wird.

Die Rückkehr des Colón-Dollar als Stablecoin?

Die Zeitung El Faro hat über eine geleakte Präsentation der Cardano Foundation und des zypriotischen Unternehmens WhizGrid, beide befördern Blockchain-Projekte‚ mit Präsident Bukele berichtet. Das Zoom-Meeting fand am 4. Juni 2021 statt, einen Tag vor Verkündung der Einführung des Bitcoins als Landeswährung.

In dem Meeting wurde der Plan präsentiert, eine eigene elektronische Währung zu initiieren, den sogenannte Colón-Dollar, über den nicht nur Sozialhilfe ausgezahlt werden soll, sondern mit dem man auch in Geschäften via QR Codes bezahlen kann.

Die Präsentation der beiden Krypto-Anbieter war schludrig zusammengestellt, es wurden nicht einmal die Euro-Zeichen gegen US-Dollar-Zeichen getauscht. Präsentiert wurde lediglich ein völlig generisches elektronisches Zahlungssystem, das in keiner Weise von einer Kryptowährung profitiert.

Der Colón-Dollar soll ein Stablecoin werden, der an den US-Dollar gebunden sein soll, wie andere Stablecoins wie Tether, oder USCD vorgeblich auch. Bukeles Brüder Ibrajim und Yusef, die beide nicht Teil der Regierung, führten die Verhandlungen mit den Unternehmen.

"Wenn wir diese staatliche Geldbörse (Chivo) mit, sagen wir, 500 Millionen US-Dollar der Zentralbank gedeckt haben, um diesen Stablecoin zu haben, mit dem wir den Leuten Subventionen und Kredite geben können, das würde uns am Anfang sehr helfen", sagte Ibrajim Bukele bei dem Treffen.

Nach Informationen von El Faro sieht der Zeitplan der Regierung vor, dass nachdem sich die Chivo-Geldbörse und der Colón-Dollar als Stabelcoin etabliert haben, alle Regierungsunterlagen und -prozesse schrittweise digitalisiert werden: Ausweise, Sozialversicherungskarten, Steuerunterlagen, gefolgt von Eigentumsurkunden, Geburtsurkunden, Impfausweise und andere Krankenakten, Förderausweise, Berufs- und akademische Zeugnisse und Vorstrafen. Die Digitalisierung aller Dokumente soll zwischen März und November 2022 abgeschlossen sein.

Wie sieht die Bevölkerung El Salvadors das Bitcoin-Projekt?

Bukele hat Bitcoin bisher positiv beworben, bei sich im Land, aber auch international. Das Magazin Disruptiva hat eine Umfrage gestartet und 1.233 Salvadorianer:innen befragt; es ging um das Bitcoin-Gesetz, den Glauben an Bukeles Bitcoin-Pläne, um die Nutzung von Bitcoin im allgemeinen und einer virtuellen Geldbörse im Speziellen.

46 Prozent der Bevölkerung haben noch nie etwas über Bitcoin gehört, lediglich fünf Prozent gaben an, viel darüber zu wissen. 68 Prozent hat das Bitcoin-Gesetz überrascht. 19 Prozent fand das neue Gesetz gut, wohingegen 77 Prozent nicht mit der Entscheidung einverstanden waren.

Der Glaube an Bukele ist mit 52 Prozent groß, der Glaube an das Bitcoin-Projekt hingegen nicht. Lediglich fünfzehn Prozent glauben an Bukele und das Projekt. 30 Prozent sahen beide skeptisch. Unter den Befragten gab es 280 Händler, von denen 24 Prozent angeben, den Bitcoin zu akzeptieren, wohingegen 67 Prozent weiterhin US-Dollar erhalten wollen.

337 Befragte erhalten Auslandsüberweisungen. Über 80 Prozent wollen weiterhin US-Dollar erhalten, fünf Prozent Bitcoin, dem Rest war es egal. 96 Prozent aller Befragten hat noch nie eine Transaktion mit Bitcoin vollzogen.

Auf die Frage, was der Bitcoin wert sei, sagten fünf Prozent, einen US-Dollar, drei Prozent, 100 US-Dollar, ein Prozent sagte 10.000 Dollar, achtzehn Prozent sagten 30.000 Dollar – was zu dem Zeitpunkt der Befragung annähernd korrekt war. 71 Prozent hatte keine Ahnung vom Bitcoin-Preis.