Björn Höcke droht mit "Dunkeldeutschland"

Seite 2: Die neue Elite

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Höcke tritt ein für die Reinigung und Führung Deutschlands durch eine Elite. Mit starkem Besen sollen die "feste Hand" (231) und der "Zuchtmeister" (286) den Saustall ausmisten. Das ist Höckes politisches Projekt. Dessen einzelne inhaltliche Ziele bleiben mit einer Ausnahme im Dunkeln.

Zur Besessenheit, mit der das Migrationsthema ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit gerückt und nicht zu anderen Themen ins Verhältnis gesetzt wird (Klimawandel, schlechte Personalausstattung von Schulen und Krankenhäusern, Mangel an bezahlbaren Wohnungen), passt der Verlust an Augenmaß.

Zum Beispiel beklagt der AfD-Politiker die Verwendung von "150 Millionen Euro Steuergeld" in "Bundestags- und Landesprogramme‚ für Demokratie, die in ihrer Hauptstoßrichtung 'gegen Rechte' gerichtet sind". (137)

Urteilskraft erfordert unter anderem: Einen Sachverhalt in seinem realen Stellenwert im Verhältnis zu anderen Sachverhalten angemessen gewichten zu können. Höckes Urteil über die Ausgabe von 150(!) Millionen(!) Euro in der Bundesrepublik Deutschland 2017: "Da bleibt am Ende, wie wir alle leidvoll spüren können, kaum noch Energie, um die eigentlichen Probleme anzupacken." (137f.)

Höckes ökologisches Patentrezept

Das Thema des Klimawandels und der Schädigung der für menschliches Leben relevanten ökologischen Bedingungen kommt bei Höcke kaum vor. Im Gespräch heißt es: "Allein die größten fünfzehn von ihnen (Containerschiffe, Anm. d. Verf.) stoßen jährlich mehr schädliche Schwefeloxide aus als alle 760 Millionen Autos weltweit!" (278) Die Botschaft ist klar: Legt fünfzehn Schiffe an die Kette und das Umweltproblem ist schon so gut wie gelöst.

Religion

Höcke spricht von der "Notwendigkeit einer religiösen Wiederverankerung" als "einer der entscheidenden Aufgaben der Zukunft". (269) Wie die überwiegende Mehrheit der AfD-Mitglieder verbindet Höcke nichts mit dem Christentum. Die Religion kommt nicht wegen ihres Inhalts ins Spiel, sondern aus einer politischen Wirkung, die sich Höcke von der Stärkung der Religion verspricht: Freisetzung "innerer Kräfte der Menschen" "für die grundlegende Erneuerung unseres Landes". (162)

Der Kyffhäuser-Mythos als Leitbild

Höcke möchte "unserem Volkscharakter" (156) zur Regeneration und zum Durchbruch verhelfen. Dieser Begriff bleibt nebulös. Der AfD-Politiker spricht von "inneren Substanzen, aus denen der Genius des Volks seine Kraft schöpft und den es zu erhalten gilt". (291) Bei diesen "inneren Substanzen" handele es sich um Mythen. Ihnen schreibt Höcke eine "belebende und identitätsstiftende Wirkung auf Menschen und Völker" zu. (159)

Besonders am Herzen liegt Höcke der "Kyffhäuser-Mythos der Deutschen: Bekanntlich schläft der alte Kaiser Barbarossa in einer Höhle des Kyffhäuserberges, um eines Tages mit seinen Getreuen zu erwachen, das Reich zu retten und seine Herrlichkeit wiederherzustellen". (159)

Diese Legende passt haargenau zum politischen Projekt von Björn Höcke. Vermutlich stellt er sich vor, er sei der zweite König Barbarossa. Immerhin wohnt er schon mal in der richtigen Gegend. "Die mitteldeutschen Refugien, das sagenumwobene 'Dunkeldeutschland' könnte als Überlebenskern unserer Nation eine elementare Bedeutung bekommen". (183)

Warum aber rangiert die Kyffhäusersage an vorderster Stelle unter den "deutschen Mythen"? Wie viele kennen diese Sage überhaupt? Und wem bedeutet sie heute etwas?

Der "deutsche Volkscharakter"

Wir haben es zusammengefasst mit folgendem Gedankengang zu tun: Der deutsche Volkscharakter nähre sich von Mythen. Das Besondere an den Deutschen sei, dass sie einen starken inneren Bezug zu diesen Mythen haben ("romantische Tiefenhellsichtigkeit der Deutschen" (158)). Diese Mythen wirken sich auf die Deutschen dann "stärkend und heilbringend" (158) aus, wenn die Deutschen ihre Identifikation mit ihren Mythen verstärken.

Dafür, dass die Deutschen dies tun, brauche es eine Führung durch eine solche Elite, die die Mythen wertschätzt. Geführt von dieser Elite wachse dem deutschen Volk eine Macht und Herrlichkeit zu, der nichts widerstehen könne. Der Glaube versetze Berge.