Blackout: Wie erneuerbare Energien die Stromnetze ins Wanken bringen

Bernd Müller
Junge Frau liest Buch mit Taschenlampe zu Hause während des Blackout

(Bild: Pixel-Shot / Shutterstock.com)

Spanien und Portugal kehren nach historischem Stromausfall zur Normalität zurück. Experten sehen Ausbau erneuerbarer Energien als Risiko für Netzstabilität.

Am Tag nach dem historischen Blackout kehren Spanien und Portugal langsam zur Normalität zurück. Wie der spanische Versorger Red Eléctrica laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) mitteilte, seien am Dienstagvormittag wieder 99,95 Prozent der Haushalte mit Strom versorgt.

Auch in Portugal fließt der Strom demnach wieder. U-Bahnen und Züge fahren wieder, die Wasserversorgung funktioniert. Dennoch blieben in einigen Regionen wie Katalonien Nahverkehrszüge wegen anhaltender Instabilität des Stromnetzes vorerst stehen.

Ursachenforschung nach historischem Stromausfall

Weiterhin herrscht Unklarheit über die genauen Ursachen des beispiellosen Stromausfalls, der am Montag gegen 12.30 Uhr weite Teile der iberischen Halbinsel lahmlegte. Millionen Menschen waren stundenlang von der Außenwelt abgeschnitten, ohne Strom, Mobilfunk und Internet. "So etwas haben wir noch nie erlebt", sagte der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez in einer Fernsehansprache.

Der Stromnetzbetreiber Red Eléctrica machte eine abrupte Unterbrechung der Stromverbindung mit Frankreich für den Zusammenbruch verantwortlich. Warum es dazu kam, ist jedoch noch unklar. Die Regierungen in Madrid und Lissabon kündigten Krisensitzungen an, um das Ausmaß des Vorfalls und mögliche strukturelle Schwächen zu analysieren.

Experte sieht Risiken durch erneuerbare Energien

Der spanische Elektrotechnik-Professor Miguel de Simón Martín von der Universität León sieht einen Zusammenhang zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netzstabilität. Er vergleicht das Stromnetz gegenüber dem Science Media Center mit einem System aus Wasserrohren:

Einige Quellen speisen Wasser ein (Kraftwerke) und andere Punkte leiten es ab (Verbraucher). Wenn wir mehr Wasser einleiten, als verbraucht wird, könnten die Rohre platzen; wenn wir weniger einleiten, würde der Bedarf nicht gedeckt werden. Dieses Gleichgewicht muss trotz ständiger Schwankungen im Verbrauch rund um die Uhr aufrechterhalten werden.

Laut de Simón Martín hat sich das Erzeugungsprofil Spaniens durch die Energiewende grundlegend verändert. Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien auf 81 Prozent steigen. Ende 2024 lag er bereits bei 66 Prozent. Wind, Sonne und Wasser sind die wichtigsten Technologien.

Doch im Gegensatz zu Wasser- oder Wärmekraftwerken verfügen Wind- und Solaranlagen nicht über die sogenannte Trägheit, die Schwankungen ausgleichen kann. "Diese Eigenschaft bedeutet, dass die Robustheit des Netzes umso geringer ist, je höher der Anteil erneuerbarer Energien ist", erklärt der Professor.

Mangelnde Anbindung an europäisches Stromnetz als Risiko

Ein weiteres Problem sieht de Simón Martín in der begrenzten Anbindung der iberischen Halbinsel an das europäische Stromnetz. Bedingt durch die Pyrenäen als geografische Barriere beträgt die Austauschkapazität mit dem Rest Europas nur knapp drei Prozent der installierten Leistung. Zum Vergleich: Die EU strebt bis 2030 eine Vernetzung von 15 Prozent an.

"Mit einer geringen Verbundkapazität und einem hohen Anteil an erneuerbarer Energie aus Wechselrichtern ist unser Netz daher heute anfälliger und hat weniger Spielraum, um auf Störungen zu reagieren", fasst der Experte zusammen.

Auch de Simón Martín spricht davon, dass eine Hochspannungsleitung in Frankreich abgeschaltet wurde, wodurch das iberische Stromnetz weniger gegen Schwankungen abgesichert gewesen sei.

Das Problem wurde durch die Umstände verschärft: Um 12 Uhr mittags am Tag des Stromausfalls sollten 73 Prozent des prognostizierten Bedarfs (27 GWh b.c.) durch Solarenergie und nur 3,3 Prozent durch Windenergie gedeckt werden, was die Anfälligkeit für Spannungsschwankungen erhöhte. Der daraus resultierende Spannungsabfall könnte zur Entkopplung von PV- und Windkraftanlagen geführt und den Zusammenbruch des Systems beschleunigt haben.

Kann sich ein Blackout wiederholen?

Ob sich ein Blackout in diesem Ausmaß wiederholen kann, bleibt abzuwarten. De Simón Martín hält es für unwahrscheinlich, dass sich der Vorfall kurz- bis mittelfristig wiederholt, auch wenn die Probleme im französischen Netz bestehen bleiben. Die Stromflüsse könnten auf alternative Leitungen umgeleitet werden.

Langfristig sieht der Professor aber Handlungsbedarf. Eine neue Gleichstromverbindung mit einer Kapazität von 5.000 Megawatt zwischen Spanien und Frankreich ist für Ende 2027 geplant. Sie soll Spannungs- und Frequenzschwankungen entkoppeln und die Austauschkapazität fast verdoppeln.

Daneben seien der Ausbau von Energiespeichern und die Entwicklung von Mikronetzen, die sich im Notfall selbst versorgen können, von entscheidender Bedeutung. "Diese Lösungen werden die Flexibilität und Widerstandsfähigkeit des Netzes erhöhen, erfordern jedoch noch eine größere technologische Reife und eine starke regulatorische Unterstützung", so de Simón Martín.

Der Blackout auf der iberischen Halbinsel hat gezeigt, wie verwundbar die Stromnetze durch den Ausbau der erneuerbaren Energien geworden sind. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen Spanien und Portugal ihre Anbindung an Europa verbessern und in Speicher und intelligente Netze investieren. Sonst drohen weitere Blackouts.