Blau, Grün, Gelb: SAP kategorisiert Mitarbeiter nach Leistung und Verhalten

Marcus Schwarzbach
Aufziehmännchen schiebt Pfeil nach oben

SAP führt ein neues Bewertungssystem ein. Mitarbeiter werden nach Leistung und Sozialverhalten beurteilt. Wer in die "gelbe Zone" rutscht, muss um seine Zukunft bangen.

SAP-Vorstand Christian Klein will seiner Belegschaft mehr Leistungsdenken verordnen, meldeten Medien bereits letztes Jahr. Jetzt wurde bekannt, mit welchen Instrumenten "mehr Härte" gezeigt werden soll.

SAP führt neues Bewertungssystem für Mitarbeiter ein

Das Unternehmen setzt ein neues Bewertungssystem ein, wie das Handelsblatt berichtet. Einige Jahre hatte SAP auf klassische Leistungsbewertungen verzichtet – Führungskräfte sollten stattdessen mit ihren Mitarbeitern einen Dialog zur persönlichen Entwicklung führen.

Das ändert sich. Offensichtlich wird beim "Performance Management" zukünftig unterschieden zwischen Zielvereinbarung und Beurteilung des Verhaltens: Einerseits die Erreichung von Zielen, die der einzelne Angestellte mit seiner Führungskraft am Jahresanfang zu besprechen hat.

Ferner erhalten die Arbeitenden "eine Art Kopfnote, also eine Beurteilung des Sozialverhaltens wie in der Schule", meldet Capital.

Nach Handelsblatt-Informationen wird das Sozialverhalten überprüft: "Jeden am Arbeitsplatz respektvoll behandeln" und "Kollegen für Diskussionen und Fragen zur Verfügung stehen" sind genannte Beispiele. Aber das ist nicht alles:

Mithilfe der Bewertungen teilt SAP die Belegschaft in verschiedene Kategorien ein:

Blau für Leistungsträger ("Exceptional Zone")
Grün für die Mehrheit, die die Erwartungen erfüllt ("Achievement Zone")
und Gelb für jene, bei denen der Softwarehersteller Verbesserungen einfordert ("Improvement Zone")

Handelsblatt

Experte hält Vorstellung von faulen Mitarbeitern für unangebracht

Die Vorstellung vieler Unternehmensvertreter, Mitarbeiter seien faul, hält Ludwig Andrione vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen für unangebracht.

Wir meinen, das Individuum muss sich ändern, zum Beispiel durch Workshops, aber vielleicht liegt mangelnde Leistung nicht an der Person.

SAP-Boss Klein betont, dass es "unermüdlichen Einsatz, anhaltendes Wachstum und eiserne Disziplin" benötige, um zu den Besten zu gehören.

"Eine neue Leistungskultur für Deutschland", titelt Haufe.de. Diese Diskussion suggeriert, dass agile Teams und die Arbeit im Homeoffice für eine entspannte Bürowelt sorgen. Statistiken zeigen, dass der Druck zur Zielerreichung enorme Auswirkungen hat. Psychische Erkrankungen von Beschäftigten sind in den vergangenen zehn Jahren laut Erhebungen der Techniker Krankenkasse um rund 35 Prozent angestiegen.

Tesla behält Lohn von Langzeiterkrankten ein

Druck auf die Beschäftigten wird auch auf andere Weise ausgeübt, etwa im Krankheitsfall. Vor Monaten hat Elon Musk den hohen Krankenstand seines deutschen Werkes kritisiert und Gegenmaßnahmen gefordert. Tesla soll im Werk in Brandenburg damit begonnen haben, den Lohn von Langzeiterkrankten einzubehalten.

Laut IG Metall wird Betroffenen eine "Überbezahlung" vorgeworfen, da sie während der Krankschreibung Geld erhalten. Diese "Schulden" würden sie dadurch los, dass sie einen Aufhebungsvertrag unterzeichneten. Die Gewerkschaft spricht von "unzulässigen Einschüchterungen" und "haltlosen Behauptungen".

Union und SPD verhandeln derzeit über eine neue Bundesregierung. Leistung heißt laut Sondierungspapier offensichtlich: länger arbeiten. Denn als Regierung wollen die Verhandelnden Überstunden steuerlich fördern.

Fachkräfte fordern zunehmend Arbeitszeitverkürzung

Einen anderen Trend beschreibt jedoch Eike Windscheid-Profeta von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Gesuchte Fachkräfte fordern in Bewerbergesprächen zunehmend Arbeitszeitverkürzung. In vielen Betrieben gebe es "echte Vier-Tage-Woche, das heißt Arbeitszeitreduzierung ohne Lohnverlust. Und diese Betriebe arbeiten stabil, ohne dass ihre Produktivität bedroht wäre. Die Menschen sind gesünder, zufriedener, motivierter und auch für die Sorgearbeit besser aufgestellt".

Druck komme vom Arbeitsmarkt, so der Forscher:

Viele Unternehmen merken aber von selbst, was sie ihren Angestellten bieten müssen. Einige Krankenhäuser, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, probieren inzwischen die Vier-Tage-Woche aus, weil das Personal aus Belastungsgründen gekündigt hat.

Eike Windscheid-Profeta

Gründe für Unzufriedenheit mit dem Personal gibt es aufgrund aktueller Zahlen kaum, wie die Profite der Unternehmen zeigen. Die in Dax und MDax gelisteten Konzerne wollen für das abgelaufene Geschäftsjahr 61 Milliarden Euro Dividenden ausschütten. Das ergaben vorläufige Berechnungen der DZ Bank. Das ist ein Plus von einer Milliarde Euro.

Verglichen mit dem Vorjahr ist das – "aufgrund der US-amerikanischen Zollpolitik und der hiesigen Konjunkturschwäche aber ein sehr robustes Ergebnis", sagt Stephen Schneider, Analyst der DZ-Bank.