Blauer Wasserstoff: Die größte Lüge der Energiewende?
Blauer Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger. Er soll CO2-neutral sein und Klimaziele retten. Doch ist die vermeintlich saubere Lösung wirklich so grün?
Auf dem Weg zum Erreichen der europäischen Klimaschutzziele soll blauer Wasserstoff als Übergangslösung dienen. Er wird als CO2-neutral bilanziert. In der Praxis ist dies jedoch kaum wirtschaftlich darstellbar.
Wie wird Wasserstoff blau?
Blauer Wasserstoff wird mithilfe der Dampfreduzierung von Erdgas gewonnen. Soweit wäre es jedoch nur grauer Wasserstoff. Denn bei diesem Prozess entsteht CO2. Für jede Tonne grauen Wasserstoff entstehen zehn Tonnen CO2. Die Produktion von grauem Wasserstoff ist daher nicht klimaneutral und äußerst energieintensiv. Das freigesetzte CO2 muss gespeichert oder direkt industriell weiterverarbeitet werden.
Erst dann kann der Wasserstoff als blau bezeichnet werden. Zwar gilt das Verfahren der Dampfreformierung als eines der wirtschaftlichsten zur Herstellung von Wasserstoff, es ist jedoch energieintensiv und abhängig von fossilen Brennstoffen.
Mit der CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) soll das bei der Dampfreformierung entstehende CO2 unterirdisch gelagert werden. Neben Gas- und Öllagerstätten dienen salzwasserführende Gesteinsschichten als geologische Speicher. Dort wird das CO2 in Speichergestein gepresst und mindestens 800 Meter tief unter der Erde gelagert, sodass es nicht mehr entweichen kann.
Bei blauem Wasserstoff soll es zu nahezu keinen CO2-Emissionen kommen. Es wird lediglich eine kleine Menge CO2 und Methan ausgestoßen. Allerdings sind die Langzeitfolgen der Speicherung bislang unklar.
Leckagen können zum Beispiel zu negativen Auswirkungen für die Umwelt führen. Ebenso ist ungeklärt, wie die geologischen Speicher vor Sabotage geschützt werden können, wenn es zu militärischen Konflikten kommen sollte.
Ohne CCS und CCU scheinen die Klimaziele auf der Kippe zu stehen
CCS steht für die Abscheidung und Speicherung von CO2, CCU für die Abscheidung und Nutzung von Kohlendioxid. Das möglichst am Ort der Entstehung abgeschiedene CO2 wird komprimiert und per Pipeline, Schiff, Bahn oder Lkw transportiert, um es in verschiedenen Anwendungen zu nutzen oder in tiefen geologischen Formationen injiziert. Dazu zählen erschöpfte Öl- und Gaslagerstätten oder salzhaltige Grundwasserleiter.
Wenn jetzt für die Erzeugung von blauem Wasserstoff zusätzliches CO2 in erheblichem Umfang entsteht, steht dies in Konkurrenz zur Anwendung von Carbon Capture and Storage (CCS) sowie Carbon Capture and Usage (CCU) und Offshore-Speicherung vor der deutschen Küste zur Speicherung im Rahmen der deutschen Carbon Management Strategie.
Eine zusätzliche CO2-Menge, wie sie bei der Herstellung von blauem Wasserstoff anfällt, passt kaum zu dieser Strategie und kann daher nicht mit einer Förderung durch die Politik rechnen. Ohne staatliche Förderung dürfte CCS zumindest in der Startphase kaum die Wirtschaftlichkeit erreichen.
Mit der Carbon Management Strategie und der Änderung des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes legt Deutschland den strategischen Fokus für den Einsatz von CCS auf schwer oder nicht vermeidbaren Emissionen.
Schon heute ist Carbon Capture, Utilisation and Storage oder CCUS, wie der angestrebte Umgang mit CO2 zusammengefasst wird, jedoch bei weitem noch nicht soweit umgesetzt wie erhofft und weit vom Ziel eines Net Zero Szenarios entfernt. Dies gilt auch, wenn sich derzeit weltweit über 700 einschlägige Projekte in verschiedenen Stufen der Umsetzung befinden.
Welche Möglichkeiten bietet CCU?
Während CCS derzeit nur in der Nordsee vorgesehen ist und onshore mit größerem Widerstand der Anlieger rechnen muss, kann die Nutzung von CO2 via CCU an Land auf größere Akzeptanz hoffen. In Nordamerika wurde CO2 aus Kraftwerken in der Vergangenheit bei der Produktion von Softdrinks eingesetzt. Nach einer beträchtlichen Starteuphorie wurde es um diese Projekte jedoch wieder auffällig still.
Eine direkte Nutzung von CO2 in einem CCU-System ist etwa der Einsatz in Feuerlöschanlagen. Die indirekte, rohstoffliche Nutzung umfasst die Synthese von Grundchemikalien oder Produkten der chemischen Industrie sowie von Endenergieträgern wie Methan, die im Verkehr, in der Industrie sowie der Wärmeversorgung genutzt werden können.
Da die Vermeidung von CO2 gegenüber der Nutzung des unerwünschten Gases höhere Priorität hat, ist eine Versorgung einer CCU-Anlage möglicherweise nicht langfristig gesichert und sorgt für unangenehme Fragen bei den potenziellen Investoren.
Abscheidung von fossilem Kohlenstoff mittels CCU bringt keine Vorteile
Scheidet man fossilen Kohlenstoff mittels CCU ab und nutzt in anderen Produkten, gelangt dieses CO2 unabhängig von der Anzahl der nachfolgenden Nutzungszyklen am Ende der Nutzungskette immer in die Atmosphäre. Dies gilt beispielsweise für Kohlenstoffemissionen aus industriellen Produktionsprozessen, wie der Zement-, Kalk- und Glasherstellung, die nach heutigem Kenntnisstand technisch nicht vermeidbar sind.
Besser wäre hier, wenn man Innovationen fördern würde, welche die aus heutiger Sicht nicht vermeidbaren Treibhausgasemissionen am Ende doch noch vermeiden oder wenigstens vermindern könnte.
Wird solcher Kohlenstoff mit CCU-Maßnahmen erneut genutzt, wird die Abgabe in die Atmosphäre nur verlagert. Für die aus der CO2-Emission entstehende Klimawirkung macht das letztlich jedoch keinen Unterschied.
CCU kann somit nur einen Zwischenschritt auf dem Weg der Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft darstellen, denn für einen effektiven Klimaschutz sind die Vermeidung von fossilen Treibhausgasemissionen und Substitution fossiler Energieträger und Produkte wichtiger.
Solange aber derartige nicht klimaneutrale Produktionsprozesse für die Gesellschaft notwendig erscheinen und keine treibhausgasneutralen Alternativen verfügbar sind, können diese CCU-Maßnahmen aus rohstofflichen Gründen sinnvoll sein.