Blue Origin verschiebt Jungfernflug der New Glenn-Rakete erneut
Verstopfte Leitung: Blue Origin muss Erststart seiner Orbitalrakete weiter nach hinten verlegen. Gelingt mit New Glenn der Angriff auf Elon Musks SpaceX?
Das private US-Raumfahrtunternehmen Blue Origin hat den lang erwarteten Jungfernflug seiner Schwerlastrakete New Glenn erneut verschoben.
Das Unternehmen von Amazon-Gründer Jeff Bezos sagte den für Montag, 1:00 Uhr Ortszeit (07:00 Uhr MEZ) geplanten Start vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida am Sonntag kurzfristig ab, nachdem im Countdownverlauf "einige Anomalien" aufgetreten waren, meldet die Nachrichtenagentur Reuters.
Wie das Portal Ars Technica berichtet, war die Ursache möglicherweise eine durch Eis verstopfte Entlüftungsleitung. Mehrere Versuche zum Abschmelzen des Eises sind nicht gelungen, weshalb eine Reinigung notwendig wurde.
Bereits am Samstag war der ursprünglich für Sonntag vorgesehene Start wegen zu rauer See im Atlantik auf Montag verlegt worden. Dort soll die 98 Meter hohe Trägerrakete nach ihrem Flug auf einem Schiff landen.
"Wir verschieben den heutigen Startversuch, um ein Problem mit einem Subsystem des Vehikels beheben, das uns über unser Startfenster hinaus in Anspruch nehmen wird", erklärte Blue Origin in einer Mitteilung.
"Wir prüfen die Möglichkeiten für unseren nächsten Startversuch." Die Verzögerung dürfte mindestens 24 Stunden betragen, wahrscheinlich aber länger, während das Unternehmen die Störung für die risikoreiche und bedeutsame Mission untersucht.
Kulmination einer milliardenschweren Entwicklung
Der Flug markiert den Höhepunkt einer zehnjährigen, milliardenschweren Entwicklungsreise und soll einen Versuch beinhalten, die erste Stufe der New Glenn-Rakete zehn Minuten nach dem Start auf einem Seeschiff im Atlantik zu landen, während die zweite Stufe der Rakete weiter in Richtung Umlaufbahn fliegt.
"Das, worüber wir am meisten nervös sind, ist die Landung des Boosters", sagte Bezosin einem Interview vor dem Start gegenüber Reuters. "Bei einem Erstflug kann es natürlich in jeder Missionsphase zu einer Anomalie kommen, es kann also alles passieren."
In der Nutzlastbucht der New Glenn ist der erste Prototyp des Blue Ring-Raumfahrzeugs von Blue Origin untergebracht, ein manövrierfähiges Raumschiff, das das Unternehmen dem Pentagon und kommerziellen Kunden für Missionen im Bereich der nationalen Sicherheit und der Satellitenwartung verkaufen will.
Das Raumschiff bei einem ersten Raketenstart in seine vorgesehene Umlaufbahn zu bringen, wäre für ein Raumfahrtunternehmen eine seltene Leistung. "Wenn wir das schaffen könnten, wäre das ein großer Erfolg", sagte Bezos. "Die Landung des Boosters wäre das Sahnehäubchen."
Wettlauf mit Elon Musk
Die Entwicklung der New Glenn erstreckte sich über drei CEOs von Blue Origin und war mit zahlreichen Verzögerungen konfrontiert, während Elon Musks SpaceX mit seiner wiederverwendbaren Falcon 9, der am meisten gestarteten Rakete der Welt, zu einem Branchengiganten heranwuchs.
Ende 2023 ergriff Bezos Maßnahmen, um die Dinge bei Blue Origin zu beschleunigen, indem er der Entwicklung der New Glenn und ihrer BE-4-Triebwerke Priorität einräumte. Er ernannte Dave Limp, einen Amazon-Veteranen, zum CEO, mit dem laut Mitarbeitern ein Gefühl der Dringlichkeit Einzug hielt.
Die New Glenn ist mehr als doppelt so leistungsfähig wie die Falcon 9 von SpaceX und hat Dutzende von Kundenverträgen für Starts im Gesamtwert von mehreren Milliarden Dollar in Aussicht.
Derzeit liegt Musk mit SpaceX in der kommerziellen Raumfahrt klar in Führung und hat als enger Vertrauter des designierten US-Präsidenten Donald Trump nun auch politischen Einfluss.
Sowohl kommerzielle Satellitenbetreiber als auch das Pentagon und die US-Raumfahrtbehörde Nasa nutzen die Falcon-9-Raketen von SpaceX. Konkurrenten wie United Launch Alliance, Arianespace und Rocket Lab sind weit abgeschlagen.
Mit New Glenn soll Blue Origin nun der Einstieg in den Markt für Orbitalraketen gelingen. Bislang beförderte das Unternehmen mit seiner kleineren Suborbital-Rakete New Shepard Passagiere und Nutzlasten lediglich auf kurzen Reisen an den Rand des Weltraums. Orbitalraketen gelangen, anders als Suborbitalraketen, in eine Erdumlaufbahn.
Der geplante Jungfernflug der New Glenn dürfte die Raumfahrt-Rivalität zwischen den beiden reichsten Menschen der Welt weiter verschärfen. Wann die Rakete tatsächlich erstmals abheben kann, ist nach der erneuten Verschiebung weiter ungewiss. Ein baldiger Starttermin dürfte jedoch wahrscheinlich sein.