Boom von Solarstrom in Spanien: Einwohner wehren sich zunehmend

Bild: Sebastian Ganso auf Pixabay

Klare Daten zur Entwicklung im Bereich Eigenverbrauch fehlen, der Widerstand gegen einen Wildwuchs zum Bau großer Freiflächenanlagen zur Energieversorgung Europas wächst.

Die gute Nachricht für Spanien ist, dass der Ausbau von erneuerbaren Energien wieder boomt. Doch anders als beim Boom vor 15 Jahren, als mit massiven Subventionen das "große Geschäft" gemacht wurde und große Solarparks auf Freiflächen als gute Geldanlage mit staatlich garantiertem Profit gesehen wurden, profitieren nun endlich auch Privatleute von staatlicher Unterstützung.

Angesichts von exorbitant gestiegenen Strompreisen, der Abschaffung der von den rechten Vorgängern eingeführten sogenannten Sonnensteuer und das staatliche Förderprogramm von Solaranlagen zum Eigenverbrauch, das inzwischen aufgelegt wurde, kam es hier hauptsächlich in den im vergangenen beiden Jahren zum Solarboom.

"Wir hatten mit einem zweistelligen Wachstum gerechnet, und wir haben ein dreistelliges erzielt", erklärt der Sprecher der Vereinigung der Produzenten Erneuerbarer Energien (APPA), Jon Macías, zur Entwicklung im vergangenen Jahr.

Er leitet die Abteilung für Eigenverbrauch. Er geht davon aus, dass die "Energiewende beschleunigt" wurde. Im vergangenen Jahr habe es "sehr viel mehr individuellen Eigenverbrauch" gegeben. "In Einfamilienhäusern haben die Leute, die das konnten, Solarmodule installiert."

Allein im Bereich des Eigenverbrauchs sollen 2022 insgesamt 2,5 bis 2,7 Gigawatt neue Solarstromleistung installiert worden sein, schätzt die APPA. Damit habe sich die Kapazität praktisch in nur einem Jahr auf gut fünf Gigawatt verdoppelt.

Dabei hatte die sich schon im Vorjahr stark erhöht. "In zwei Jahren haben wir die Leistung vervierfacht", führt Macías aus. Vor allem die hohen Strompreise hätten den Vorgang angetrieben.

Doch Macías streicht heraus, dass mehr als 65 % der installierten Eigenverbrauchskapazität auf den industriellen Eigenverbrauch entfällt. Denn über die Installation von Solaranlagen ließen sich die Stromrechnungen von Firmen um "mehr als 60 Prozent" senken, rechnen die Installationsfirmen vor. Die Anlagen würden sich auch wegen der Subventionen schon in fünf Jahren amortisieren.

Mit 15 Prozent der Kosten werden Großunternehmen und mit bis zu 45 Prozent werden kleine und mittlere Unternehmen unterstützt. Speichersysteme über Batterien werden gar mit bis zu 65 Prozent subventioniert. Dazu kommt, dass die Investitionen steuermindernd wirken. So erklärt sich, warum besonders Firmen auf den günstigen Solarstrom setzen.

Der Zuwachs wäre sogar noch deutlich größer ausgefallen, wenn die Installationsfirmen nicht überlastet wären. "Seit dem vergangenen Sommer kommen wir nicht mehr hinterher", erklären die unisono. "Wenn man sich mit den Firmen in der Branche unterhält, spricht niemand mehr darüber, dass ihnen Arbeit fehlt", hatte Daniel Pérez im Interview mit dem Online-Portal eldiario.es erklärt.

Der Vizepräsident des Photovoltaikverbands (UNEF), dem größten im Land, erläutert, dass der Sektor zwischen "50.000 und 60.000 Beschäftigte perfekt" aufnehmen könne. Gehe der Boom weiter, wie in den letzten beiden Jahren, könne es zu einer großen Herausforderung werden, qualifiziertes Personal zu finden.

Einige Projekte mussten wegen Personalmangel schon gestoppt werden. Dazu kommt, dass auch die Verwaltung überlastet ist und bei der Bearbeitung der vielen Anträge nicht hinterherkommt. Lieferengpässe hätten den Zuwachs zudem behindert. Bemängelt werden Engpässe bei Wechselrichtern, mit denen der Strom aus den Solarmodulen in die hausüblichen 220 Volt umgewandelt werden, damit der überschüssige Strom auch ins Netz eingespeist werden kann.

Probleme gäbe es aber auch bei Batterien, zum Teil auch bei Solarmodulen. Darüber hätten sich die Preise für Industrieinstallationen im Bereich von 10 bis 15 Prozent verteuert und bei meist kleineren Hausanlagen sogar um 20 bis 30 Prozent. Auch die UNEF beklagt die Abhängigkeit von chinesischen Produkten, da unter anderem die einheimische Produktion von Solarpanels fast vollständig verschwunden sei. Brechen die Lieferungen aus China ein, könnte aus einer Utopie schnell eine Dystopie werden, warnt die UNEF.

Neue Förderung von Eigenverbrauch

Dass es trotz gestiegener Preise zum Solarboom kommt, hat neben den hohen Strompreisen vor allem damit zu tun, dass die Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten (PSOE) und der Linkskoalition "Unidas Podemos" die von der konservativen Vorgängerregierung 2015 eingeführte "Sonnensteuer" abgeschafft hat. Darüber wurde nicht nur Eigenverbrauch besteuert. Nötig war auch eine teure und bürokratische Registrierung und es drohten drakonische Strafen, wenn Anlagen nicht registriert wurden, weshalb sogar einige wieder außer Betrieb genommen worden waren.

Der Eigenverbrauch wurde darüber fast vollständig ausgebremst, wie die rechte Regierung der Volkspartei (PP) insgesamt den Ausbau erneuerbarer Energien ausgebremst hat. Dadurch gingen zehntausende Arbeitsplätze verloren und auch deshalb fehlen heute Installateure. Vom einstigen Vorreiter rutschte Spanien immer stärker ab und wurde unter anderem von Portugal überholt. Während in Spanien 2021 aus Erneuerbaren 47 Prozent des Strombedarfs gedeckt wurde, kam der kleine Nachbar schon auf 59 Prozent.

Nun wird aber auch in Spanien der Eigenverbrauch gefördert, denn das Land mit etwa 3.000 Sonnenstunden im Jahr verfügt über ein riesiges Potenzial für Solarstrom. Im Sommer 2021 wurde deshalb ein Subventionspaket im Umfang von 1,3 Milliarden Euro für Solaranlagen sowie Speicher- und Klimaanlagen mit erneuerbaren Energien aufgelegt.

Anlagen von Privatpersonen, auch Windanlagen, können bis zu 40 Prozent subventioniert werden, bei kollektivem Eigenverbrauch – viele leben in Eigentumswohnungen in Hausgemeinschaften – können es auch 50 Prozent werden und in kleinen Städten werden sogar noch einmal fünf Prozent draufgepackt. Batteriespeicher können mit bis zu 70 Prozent gefördert werden.

Je nach Region in unterschiedlicher Höhe können die Investitionen auch steuermindernd von der Einkommenssteuer abgesetzt werden. Zum Teil wird darüber auch die Grundsteuer vermindert. Im zentralspanischen Albacete gibt es etwa keine Verminderung, im baskischen Donostia sind es zehn Prozent über fünf Jahre und im katalanischen sogar 50 Prozent über fünf Jahre. Die Mittel für die direkten Subventionen der Anlagen kommen aus dem sogenannten "Wiederaufbaufonds" der "Next Generation EU".

Eingespart werden sollen über die Maßnahme mehr als eine Million Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid pro Jahr. Dazu soll die Wirtschaftsleistung 1,7 Prozent gesteigert sowie mehr als 20.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Verband APPA rechnet vor, dass schon 2021 die erneuerbaren Energien mit 1,6 Prozent zur Wirtschaftsleistung beigetragen hätten. Der Sektor beschäftige nun wieder mehr als 110.000 Menschen. "Das starke Wachstum im Jahr 2021 ist eine großartige Nachricht für unser Land", meint APPA, und es sei vorwiegend durch den Boom von Eigenverbrauchsanlagen geschaffen worden.

Nach Ansicht der Branche dürften die bisherigen Prognosen der Regierung für den Eigenverbrauch weit übertroffen werden. Aus einem Dokument der Börsenaufsicht geht hervor, dass die Branchenverbände damit rechnen, dass die installierte Leistung für Eigenverbrauchsanlagen, die ihren Überschuss ins Netz einspeisen, 2030 sogar doppelt so hoch ausfallen könnte, als von der Regierung angesetzt. Die Regierung erwartet neun Gigawatt und im besten Fall sogar 14 Gigawatt.

Ein Problem ist in Spanien auch in diesem Fall, dass man über keine vernünftige Datenbasis verfügt und auf Schätzungen zurückgegriffen werden muss. Deshalb bereitet die Regierung jetzt ein Gesetz vor, um die Stromversorger dazu zu verpflichten, mindestens vierteljährlich Daten über die Anzahl der ans Netz angeschlossenen Eigenverbrauchsanlagen zu übermitteln.

Verhindert werden soll, dass die unklare Lage über die reale Leistung der Anlagen "die Versorgungssicherheit gefährdet", wurde eine neue Informationspflicht gegenüber dem Netzbetreiber eingeführt, mit dem Ziel, "die Identifizierung jeder einzelnen Eigenverbrauchsanlage zu ermöglichen".

Nach dem bisherigen Informationssystem des Stromnetzbetreibers (REE) gab es Ende September des vergangenen Jahres 140.000 Anlagen. Die hätten aber nur eine Gesamtkapazität von knapp einem Gigawatt. Das wäre nicht einmal ein Fünftel der Leistung, von der die Branchenverbände ausgehen.

Nach den Daten, welche im Eigenverbrauchsregister verzeichnet sind, wären es sogar nur knapp 25.000 Anlagen mit nicht einmal 350 Megawatt Leistung. Für die Vorhersagen und Planung ist REE allerdings auf verlässliche Daten angewiesen, weshalb die Datenlücke schnell geschlossen werden soll.

Andererseits boomen aber auch große Solar- und Windparks. Gesprochen wird schon von einem "Goldrausch bei erneuerbaren Energien". Bis zu 3.000 riesige Anlagen sollen über den sogenannten "Green Deal" der EU finanziert werden und dagegen entwickelt sich immer stärkerer Widerstand.

Verbessert werden sollen auch Stromtrassen und das Gasnetz zur Anbindung an Frankreich soll ausgebaut werden. Eine wichtige Rolle soll dabei "grüner Wasserstoff" bilden. Dazu soll nun eine Pipeline aus der katalanischen Metropole Barcelona unter dem Mittelmeer in die südfranzösische Hafenstadt Marseille verlegt werden.

Über Sinn und Unsinn dieses Vorhaben wurde hier schon ausführlich berichtet. Angeblich will Spanien 2030 "zehn Prozent des gesamten Verbrauchs von grünem Wasserstoff in Europa" produzieren. Es handelt sich bei der angeblichen Wasserstoff-Pipeline H2Med um einen Etikettenschwindel, es wird bestenfalls regasifiziertes Flüssiggas durch die Röhre fließen, wenn sie tatsächlich fertiggestellt wird.

Es ist irrwitzig, ein Pilotprojekt ausgerechnet kostspielig durch das Mittelmeer zu verlegen, statt mit der unausgegorenen Technik mit erheblicher Anforderung an die Materialien nicht an Land zu experimentieren. Klar ist, dass es den grünen Wasserstoff aus überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energien auch gar nicht geben wird.

Sogar der spanische Energieplan sieht nämlich lediglich vor, dass Spanien 2030 seine Stromversorgung nur zu 74 Prozent aus erneuerbaren Quellen decken wird. Daran wird auch der Boom im Bereich Eigenverbrauch angesichts der zunehmenden E-Mobilität nichts ändern.

Widerstand formiert sich

Immer mehr Menschen im Land sind von der Idee alles andere als begeistert, dass Spanien Hauptenergieversorger für Europa werden soll, denn das bedeutet auch massive Zerstörung der Natur und zudem werden Kulturlandschaften bedroht und Landwirte und andere Grundstücksbesitzer enteignet. Gewinner dieser Pläne sind abermals die Konzerne und große Finanzinvestoren, die sich schon beim ersten Boom eine goldene Nase verdient hatten.

Im Rahmen des Green Deal will die spanische Regierung schnell so viel wie möglich Projekte auf den Weg bringen. Als Investitionsvolumen sind 92 Milliarden Euro vorgesehen und das wird zu einem neuen Boom im Bereich von großen Freiflächenanlagen und der "Verspargelung der Landschaft" über Windräder führen. Schon ohne Subventionen wirft der Sektor auch über die hohen Zufallsgewinne derzeit besonders hohe Renditen ab und erneut springen deshalb große Kapitalgesellschaften und Fonds auf den Zug auf.

Inzwischen hat sich mit "Aliente" ein großes Bündnis zusammengeschlossen, das gegen den Wildwuchs und die Naturzerstörung über erneuerbare Energien vorgeht. Schon 216 Organisationen beteiligen sich.

Aufgezeigt wird von ihnen auch, wie eine dezentrale Versorgung mit erneuerbaren Energien aussehen könnte, also primär der Eigenverbrauch gefördert werden soll. Kommunen könnten demnach energieautark werden, Wohnungs- und Hausbesitzer ihren Strom erzeugen und teilen, Landwirte, die Ölmühlen und Bewässerungspumpen über nachhaltige Nutzung speisen.

Im Interview mit der taz macht der Aliente-Sprecher Luis Bolonio die Ablehnung der Brüsseler und Madrider Pläne deutlich, von denen zum Beispiel im bisherigen Energieplan nichts zu finden ist, der vorrangig auf die Eigenversorgung abzielte.

Gefordert werden deshalb von dem Bündnis eine gesamtgesellschaftliche Debatte und die Ausarbeitung eines neuen Plans unter Einbindung der Bevölkerung. "Keiner hat die Spanier gefragt, ob sie Energieproduzent und -lieferant für Mittel- und Nordeuropa werden wollen", erklärt der Aktivist.

Er macht auch deutlich, dass das Bündnis nicht per se gegen Großprojekte ist, allerdings komme es zentral darauf an, welche Ziele damit verfolgt würden. "Wir wollen einen echten Energiewandel, grün und gerecht zugleich." Gefordert wird die Umsetzung der Europäischen Richtlinien, die Energieeffizienz und Eigenverbrauch in den Vordergrund stellen und nicht den Energieexport.

Warum sollten in Spanien Projekte realisiert werden, die in Deutschland etwa abgelehnt würden. "In Deutschland gibt es sehr viel Widerstand gegen Windkraftprojekte in Regionen, die sich als Opfer dieser Entwicklung sehen."

Er kommt deshalb zu dem Schluss: "Der Ausbau der Großprojekte für den Verbrauch irgendwo anders inner- und außerhalb Spaniens ist ein koloniales Projekt. Es profitierten die reichen Länder, die zu viel Strom verbrauchen.

Die Bevölkerung in den ärmeren Ländern, in denen der Strom produziert wird, profitierten davon jedoch nicht. Das Gegenteil sei der Fall. Die Entwicklung auf dem Land in Spanien würde noch weiter verlangsamt werden, die Landflucht verstärkt "Es muss den Betroffenen erklärt werden, was der Plan ist, wer davon profitiert und was ihre Region davon hat."

Neben den Auswirkungen auf die Umwelt stellt Ambiente soziale Fragen ins Zentrum. "Ganz konkret die Frage nach den Gewinnen bei der Produktion Erneuerbarer Energien. Bleibt Geld vor Ort? Hat die betroffene Bevölkerung was davon?" Darum ginge es bei den Projekten allerdings nie.

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