Bremen: Historischer Absturz der SPD
Erste Prognosen bestätigen dramatische Stimmenverluste. Nahles "extrem enttäuscht". Bei der Bürgerschaftswahl hoffen die Sozialdemokraten noch auf bessere Zahlen
SPD-Chefin Nahles zeigte sich im Wahlkampf extrem nervös; Vorgänger Sigmar Gabriel, der Abstrafungen der Partei gut kennt und mit Nahles noch eine Rechnung offen hatte, schoss denn auch blitzschnell aus dem Hintergrund, um nach dem miserablen Abschneiden der SPD bei den Europawahlen und bei der Bremer Bürgerschaftswahl "sofortige Konsequenzen" zu fordern:
In Berlin müssen jetzt diejenigen Verantwortung übernehmen, die den heutigen personellen und politischen Zustand in der SPD bewusst herbei geführt haben. (…) Sie müssen jetzt auch Verantwortung für die SPD als Ganzes übernehmen.
Sigmar Gabriel
Ob Gabriel jetzt doch nicht auf die Atlantikbrücke geht, sondern mehr auf das Comeback in eine Spitzenposition der Sozialdemokraten setzt? Oder will er nur seine Macht im Hintergrund demonstrieren? An Spekulationen über personelle Rochaden bei der SPD wird es die nächsten Tage nicht fehlen.
Von Nahles wird übermittelt, dass sie die Wahlergebnisse als "extrem enttäuschend" kommentierte. Am Morgen war es noch ein schöner Tag. Am Abend gab es die nächsten beiden schmerzlichen Wahlniederlagen.
Die SPD hat, nach Stand der Dinge kurz nach 20 Uhr am Wahlsonntag, fast 12 Prozent bei der Europawahl verloren, wo sie mit 15,5 Prozent weit hinter den Grünen landeten, und mehr als 8 Prozent bei der Bremer Bürgerschaftswahl, wo sie nach der ersten Prognose mit 24,5 Prozent um einen Prozentpunkt hinter der CDU angesiedelt wird. Das mag wenig erscheinen, wird aber allgemein als hochdramatisch gewertet, weil die CDU damit "erstmals seit 73 Jahren stärkste Kraft in Bremen" werden könnte.
Zwar hält sich SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe an die Fiktion "Die Hoffnung stirbt zuletzt", da die Auszählung in Bremen kompliziert und der Abend vielleicht noch bessere Zahlen bringen könnte, aber auch er spricht von einem "historisch schlechtem Ergebnis".
Auf Platz drei in Bremen rangieren nach der Prognose die Grünen mit 18,0 Prozent, was einem Zugewinn von fast 3 Prozent entspräche, was für sich genommen als nicht sonderlich viel erscheint, aber wie bei der CDU (plus von 3,1 Prozent) doch einen großen Sprung bedeuten kann, nämlich in die Regierung. Die Grünen sind, wie es am frühen Abend aussieht, die Königsmacher in Bremen. Mit der SPD bekäme man zwar keine Mehrheit zusammen, aber im Verein mit den Linken (12 Prozent; ein Plus 2,5 Prozentpunkte) schon. Oder eben mit CDU und FDP (6 Prozent; ein Minus von 0,6 Prozentpunkten).
Die Grünen sind längst dafür bekannt, dass sie bei Bündnissen "offen" sind. Wo sich dann Grenzen auftun, wird sich erst zeigen. Beim langen Wahlabend in Bremen wird es nicht an Gesprächsstoff fehlen.
Die Wahlbeteiligung war in diesem Jahr deutlich höher als bei vergangenen Wahlen, berichtet die Tagesschau: "Um 16.00 Uhr lag sie in ausgewählten Wahllokalen bei 46,9 Prozent, wie die Hansestadt auf ihrer Internetseite mitteilte. Briefwähler sind dabei nicht mit eingerechnet. Bei der Bürgerschaftswahl 2015 hatte die Wahlbeteiligung um diese Uhrzeit nur 35,5 Prozent betragen; letztlich nahmen 50,2 Prozent der Wahlberechtigten teil."
Neben der FDP fuhr auch die AfD laut Erstprognose mit 7 Prozent ein einstelliges Ergebnis ein. Die Partei hat aber immerhin 1,5 Prozentpunkte gegenüber der letzten Wahl zugelegt.