Brics vs. USA: Wer gewinnt den Kampf um die globale Dominanz
Gipfel in Kasan beginnt. Gruppe strebt nach globaler Bedeutung. Neue Mitglieder stärken Wirtschaftsmacht. Doch wer wird die Oberhand in der Weltpolitik erlangen?
Das morgen beginnende Gipfeltreffen der Brics-Staaten in Kasan, Russland, stößt nicht nur wegen der zeitlichen Nähe zu den US-Präsidentschaftswahlen auf globales Interesse. Der Gipfel wird zweifellos die internationale Agenda beeinflussen. Ob er eine nachhaltige geopolitische Bedeutung hat, wird in den Ländern des Südens offen diskutiert, in Europa aber kaum wahrgenommen.
Die Brics-Gruppe, das schreibt der venezolanische Journalist Sergio Rodríguez Gelfenstein, werde vor allem im Globalen Süden als gerechtere und demokratischere Alternative zur bestehenden Weltordnung angesehen. Allerdings gebe es noch keinen klaren Konsens über die zukünftige Entwicklung der Brics, so Gelfenstein, der der venezolanischen Linken angehört.
Seiner Meinung nach fehlen wichtige Elemente wie Kriterien für die Aufnahme neuer Mitglieder, eine Gründungscharta und formelle Statuten. Die Organisation habe weder einen festen Sitz noch ein Generalsekretariat oder eine klar definierte Struktur.
Dennoch sei die Brics schon jetzt demokratischer und repräsentativer als der UN-Sicherheitsrat, da sie Afrika, Westasien und Lateinamerika einschließe - Regionen, die zwar 119 der 193 UN-Mitglieder stellen, aber keinen ständigen Sitz im Sicherheitsrat haben. Vor diesem Hintergrund müsse der Gipfel in Kasan wegweisende Entscheidungen treffen, so der Venezolaner.
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Der russische Außenminister Sergei Lawrow hält eine "Erweiterungspause" für notwendig, um die Aufnahme neuer Mitglieder ab 1. Januar zu ermöglichen. Bei mehr als 40 Beitrittskandidaten drohe sonst eine Lähmung der Gruppe. Für die Brics ist Konsolidierung wichtiger als Wachstum.
Zweifellos muss die Gruppe ihren Charakter definieren. Bisher war sie vor allem ein Diskussionsforum für zentrale weltpolitische Fragen. Nun sollen die Brics auch die wirtschafts-, handels- und technologiepolitischen Beziehungen im Globalen Süden stärken.
Kryptisches aus Moskau
Die beitretenden Staaten streben laut Lawrow eine "gerechtere Lebensweise" an, die auf "souveräner Gleichheit" und "zivilisatorischer Vielfalt" beruht. Der Übergang zu einer neuen Weltordnung werde jedoch aufgrund des Widerstands der USA und des Westens ein "dorniger Weg" sein. Das klingt alles noch recht kryptisch und wird wohl erst im Zuge konkreter politischer Maßnahmen fassbarer werden.
Wjatscheslaw Wolodin, Vorsitzender der russischen Staatsduma, betonte, dass sich Brics in 15 Jahren zu einem der größten Wirtschaftszentren der Welt entwickelt habe. Laut Weltbank ist Russland trotz Herausforderungen zur viertgrößten Volkswirtschaft (nach Kaufkraftparität) aufgestiegen.
Die Zahlen zu den Brics
China liegt an der Spitze, Indien an dritter und Brasilien an siebter Stelle. Unter den Top 25 finden sich auch neue Brics-Mitglieder wie Ägypten, Saudi-Arabien und Iran. Damit repräsentieren die Brics bereits 36,8 Prozent des globalen BIP, mehr als die G7 mit 29 Prozent.
Offiziell strebt die Brics-Allianz keine neue Hegemonie an, sondern einen Dialog auf Augenhöhe. Doch dafür braucht es eine Struktur, die solche Gespräche konfliktfrei ermöglicht. Gelfenstein jedenfalls sieht die Brics als "Bollwerk und Prototyp einer multipolaren Welt". In dieser Rolle könnten sie das System der internationalen Beziehungen effektiver und demokratischer gestalten.
Verzweifelte Hoffnung in Kuba
Im sozialistisch regierten Kuba, das angesichts des längsten Sanktionsregimes der USA zunehmend mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat und zwischen die Mühlsteine der geopolitischen Neuordnung zu geraten droht, setzt man große Hoffnungen in die Entstehung eines neuen Machtblocks des Globalen Südens.
Der kubanische Journalist und politische Analyst Hedelberto López Blanch sieht den Westen sogar in der Defensive. Auf dem Vormarsch sei der Brics+-Block, dem derzeit Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika sowie weitere Mitglieder wie Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Äthiopien angehören - wobei der Status einiger der neuen Mitglieder nicht ganz geklärt ist.
Kürzlich haben drei weitere Staaten – die Türkei, Venezuela und Malaysia – ihr Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet. Diese Länder bringen nicht nur wirtschaftliches Potenzial mit, sondern auch politisches Gewicht in ihren jeweiligen Regionen. Die Türkei - die Kubaner nennen das Land gemäß einer Forderung Ankaras "Turkiye" – würde den Block mit einem BIP von 700 Milliarden US-Dollar aufwerten.
Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg hatte Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit dem Wunsch zitiert, den globalen Einfluss zu stärken und neue Allianzen zu schmieden. Erdoğan geht inzwischen offen von einer geopolitischen Machtverschiebung weg von den westlichen Industriestaaten aus.
Venezuelas und Malaysias Ambitionen
Venezuela, dessen Bruttoinlandsprodukt bei rund 100 Milliarden US-Dollar liegt, könnte mit seinen immensen Ölreserven und strategischen Bodenschätzen der Brics-Gruppe wichtige Handelsmöglichkeiten bieten.
Der venezolanische Außenminister Yván Gil betont, dass sein Land de facto bereits Teil des Blocks sei, da es an allen Treffen teilnehme und auf eine formelle Aufnahme warte.
Präsident Nicolás Maduro betont die Bedeutung der "größten Investitionen" der Brics-Staaten in den venezolanischen Öl- und Gassektor sowie die attraktiven Investitionsmöglichkeiten, die der Block Venezuela bietet.
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Malaysia, das 2025 den Vorsitz der Association of Southeast Asian Nations (Asean) übernehmen wird und über ein BIP von 432 Milliarden US-Dollar verfügt, strebt als erstes Asean-Mitglied die Integration in den Brics-Block an.
Premierminister Anwar Ibrahim hat nach einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow offiziell die Absicht bekundet, im Jahr 2025 beizutreten.
Weitere potenzielle Mitglieder
Neben diesen drei Staaten zeigt auch der Iran mit einem BIP von rund 410,3 Milliarden US-Dollar und einem beachtlichen Energiepotenzial Interesse an einer Mitgliedschaft. Der Brics-Block, der von Dienstag bis Donnerstag dieser Woche in Kasan tagt, könnte durch die Aufnahme neuer Mitglieder seine globale Bedeutung weiter erhöhen. Ein wichtiger Faktor dabei: fossile Energieressourcen.
Mit der Erweiterung von Brics+ ab 2024 kontrollieren die Teilnehmer bereits 46 Prozent der Weltbevölkerung, 38,3 Prozent der Industrieproduktion und 80 Prozent der Ölförderung.
Streben nach Multipolarität
Schließlich verfolgen die Brics+ das Ziel, die Dominanz des US-Dollars in ihren Transaktionen zurückzudrängen, was als Antwort auf die von Washington gegen zahlreiche Länder verhängten "willkürlichen Sanktionen" gesehen wird.
Diese Entwicklungen deuten auf eine zunehmend multipolare Welt hin, von der vor allem die Schwellen- und Entwicklungsländer profitieren könnten, so López Blanch. Seine Hoffnung: Mehr Chancen für eine solche multipolare Welt, die den Interessen der Schwellen- und Entwicklungsländer dient.