Bringt 5G uns alle in Gefahr?

Bei schlechtem Wetter – hier auf Korfu in Griechenland – müssen Flugzeuge in den USA derzeit oft am Boden bleiben. Bild: Maarten Visser, CC BY-SA 2.0

Zumindest, wenn wir in die USA fliegen wollen. Denn dort stört der neue Standard den Flugverkehr erheblich. Warum hat das niemand kommen sehen – und vor allem adäquat überprüft?

Mehr als 300-mal habe die US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Authority (FAA) Warnungen – sogenannte Notams (Notice to airmen) – vor den Folgen des Mobilfunkstandards 5G herausgegeben. Dies meldete jüngst die Nachrichtenagentur Reuters. Besonders betroffen seien Krankenhäuser, bei denen Helikopter landeten.

Die Beeinträchtigungen des 5-G-Mobilfunks auf die Bordsysteme seien so gravierend, dass man von einer nicht kompatiblen Technik sprechen muss. In den US-Städten Miami und Phoenix seien zwar noch GPS-basierte Landemanöver möglich, an anderen Flughäfen aber nicht.

Betroffen sind alle gängigen Landeverfahren wie Cat I, II und III. "Ab dem 5. Januar können wir nur noch Sichtflüge durchführen", hatte das Fachmagazin Aero gewarnt.

An den 40 größten Flughäfen der USA würde 5G die Flughöhenmesser überlagern, schlicht unbrauchbar machen. Betroffen seien rund 34.500 Passagierflüge, 5.400 Cargo-Transporte und 32 Millionen Passagiere, so Aero.

Nun sollen Vertreter der FAA und der Industrie zusammenkommen, um einen Ausweg zu finden. Bis dahin annullieren viele Gesellschaften Flüge in die USA. Sie fürchten die Beeinträchtigungen durch 5G.

Die Fluglinie Emirates etwa flöge die USA nicht mehr an, heißt es in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Auch American Airlines, Delta Air, United Southwest, Air India, Japan Airways hätten ihre US-Flüge eingestellt, schreibt das Fachblatt Aero Telegraph. Die US-Fluggesellschaften warnten vor einem Luftfahrt-Chaos, meldet das Handelsblatt. Sie und die FAA befürchteten eine Katastrophe.

Der Flugleiter, die Zeitschrift der Fluglotsen, erklärt in seiner aktuellen Ausgabe, der Mobilfunkstandard 5G arbeite weltweit im Frequenzbereich 3,3-4,2 GHz, wobei er in den USA erst ab 3,7 GHz für mobile Telefonie beginne.

"Radiohöhenmesser operieren bevorzugt zwischen 4,2-4,4 GHz, daher befürchtet man bandübergreifende Beeinflussungen zwischen Mobilfunk und Höhenmessern", heißt es in der Zeitschrift. Demnach könnten die Radiohöhenmesser nicht mehr korrekt die Höhe anzeigen. Die Luftfahrt wäre also massiv gefährdet.

Wall Street Journal sieht Verfehlung bei Trump-Regierung

Die aktuelle Ausgabe des Wall Street Journal (WSJ) kritisiert, die vorherige US-Regierung unter Donald Trump habe das Thema über Jahre schleifen lassen, sodass jetzt Notmaßnahmen ergriffen werden müssten.

Betroffen seien nicht nur Passagiermaschinen, sondern auch Militärflieger. Erst jetzt hätten US-Ingenieure begonnen, mögliche Interferenzen des 5-G-Netzes auf militärische Helikopter zu untersuchen.

Die Federal Communications Commission (FCC) habe sich mehr als Promoter einer raschen Einführung verstanden, als frühzeitig auf mögliche Gefahren zu achten, schreibt das WSJ.

An Weihnachten zog die Luftfahrtbehörde die Reißleine. Gemeinsam mit den Unternehmen Boeing und Airbus warnten sie eindringlich vor 5G. In einem Schreiben an US-Verkehrsminister Pete Buttigieg appellieren sie, 5G nicht bzw. später einzuführen.

Das elektromagnetische Frequenzspektrum interferiere mit der Bordelektronik, warnten auch Experten in einer Studie. 5G solle Datenübertragung beschleunigen, gefährde aber Flugzeuge. Eine Folge: Passagiere dürften dann aus Sicherheitsgründen keine Smartphones oder Tabletts mehr nutzen.

An Silvester dann forderte die FAA erneut, die Einführung des 5-G-Standards zu verschieben, so zumindest in Schreiben an die Mobilfunkunternehmen AT&T und Verizon.

Die FAA arbeite an Techniken, um die Interferenzen auszuschließen. Zurzeit müssten hingegen Warnungen an Piloten herausgegeben werden, sofern sie durch Gebiete mit störendem 5G flögen, so die FAA. US-Verkehrsminister Buttigieg schließe sich der Forderung an, hieß es in Agenturmeldungen.

Die britische Zeitung Guardian berichtete, dass laut FAA an 88 US-Flughäfen keine Landung mit Instrumenten möglich sei. Mobilfunkunternehmen sicherten nach Angaben der Behörde zu, ihre Funkmasten an Flughäfen abzuschalten, um die Instrumente nicht zu beeinträchtigen. Das kommt alles recht spät: Piloten hatten bereits seit 2018 vor Interferenzen und deren Folgen für die Luftfahrt gewarnt.

Hersteller von Höhenmessern sollen nun technische Daten vorlegen

Das Fachmagazin Flugleiter berichtet, jetzt würden die Hersteller von Radio-Altimetern aufgefordert, "technische Angaben und Spezifikationen für alle Modelle, die sich in der Entwicklung oder in Gebrauch befinden, an die FAA zu liefern".

Die Zeitschrift schreibt in ihrer jüngsten Ausgabe: "Ferner wird den Herstellern dringend empfohlen, entsprechende Tests und Analysen bezüglich der Störfestigkeit ihrer Modelle gegenüber Einstrahlungen in den Frequenzen 3,7-4,2 GHz durchzuführen."

Dies scheint bei der raschen Einführung des neuen Standards schlicht unterlassen worden zu sein. Jedenfalls antwortet die European Union Aviation Safety Agency (EASA) auf Telepolis-Anfrage, sie habe "technische Informationen von Flugzeug-Herstellern und Zulieferern zusammengestellt", um sicherzustellen, dass 5G nicht zu Beeinträchtigungen führe (not create unsafe conditions).

Aber Datenblätter ersetzen keine Tests über das gesamte Frequenzspektrum in einer Absorberhalle. Um sicherzugehen, dass es zu keinen Einstrahlungen kommt, muss das gesamte Einsatz-Umfeld betrachtet werden: während des Flugbetriebs Passagiere mit ihren elektronischen Geräten, die RFID-Chips im Verkaufstrolley, in den Pässen der Fluggäste uns so fort.

Während der Starts und Landungen gilt es, die weiteren Quellen zu beachten, die Frequenzbänder nutzen. Das Gleiche gilt für das Rollen auf dem Flugfeld. Sicherheitseinrichtungen und Gepäcktracking sind weitere mögliche Quellen von Interferenzen.

In Amsterdam etwa war es immer wieder zu Problemen mit den Abrechnungssystemen der Taxis gekommen, Jahre vor der Einführung von 5G.

Derweil steht die EASA mit dem Electronic Communications Committee of the European Conference of Postal and Telecommunications Administrations (CEPT) in Kontakt, das damit beauftragt worden ist, eine Studie über die sichere Koexistenz von 5-G-basierter Telefonie und Höhenmessern zu erstellen.

Sicherheitsparameter werden im Nachhinein geschaffen

Janet Northcote von der EASA teilt mit, die die EU-Agentur stimme mit den Mitgliedsstaaten ab, wo die Basisstationen errichtet werden und welche Abstände zu Flughäfen gewahrt werden müssen. Die Agentur sei sich im Klaren darüber, dass 5G im sogenannten C-Band in zahlreichen Ländern Europas eingeführt werde. Bis jetzt habe sie aber keine Kenntnis über Störungen, die durch 5G hervorgerufen worden seien.

Bis zur Einführung in den USA hätten die technischen Datenblätter keinen Hinweis auf Anlass zu akuter Sorge gegeben. Erneut: Reine Datenblätter ersetzen keine Tests über das gesamte Frequenzspektrum auch luftfahrtfremder Quellen in einer Absorberhalle.

Die EASA wolle das Geschehen im Blick behalten, heißt es von dieser Seite. Man kenne die Luftsicherheitsverordnungen (Airworthiness Directives) und Warnhinweise für Piloten (Notam), die den Gebrauch der Höhenmesser an zahlreichen Flughäfen und Orten der USA einschränkten und stehe im Austausch mit der FAA.

Diese erinnert, sie habe bereits 2015 gemeinsam mit der Luftfahrtindustrie auf mögliche Probleme zischen Luftfahrt und Mobilfunkindustrie aufmerksam gemacht. Um diese Schwierigkeiten auszuräumen, müsse man sich intensiv über die Technik austauschen.

Es habe auf der Weltfunkkonferenz ein Vorschlag vorgelegen, der 5G im Frequenzbereich von 3,4 bis 3,7 GHz ansiedeln wollte, nicht im höheren GHz-Bereich, der Höhenmesser betrifft.

Auch habe Boeing schon 2018 Bedenken geäußert. Die Internationale Luftfahrtorganisation (ICAO) und die Vereinigung der Piloten hätten bereits 2018 Bedenken angemeldet. Die FAA habe noch 2020 versucht, die Auktion der 5-G-Frequenzen zu stoppen – alles vergeblich. Die Mobilfunkindustrie beteuert beharrlich, 5G sei sicher.

In Deutschland soll es nach Angeben verantwortlicher Unternehmen nicht zu Störungen wie in den USA kommen, weil die Masten nicht so stark sendeten. Es ist eine Aufgabe für unabhängige Stellen, dies zu überprüfen.