Britische Firma plant AKW-Flotte vor US-Küsten

Bernd Müller
Mikal Bøe, Chef von CORE POWER, spricht auf dem Gipfel in Houston.

Mikal Bøe, Chef von CORE POWER, spricht auf dem Gipfel in Houston.

(Bild: CORE POWER / Nina Rangoy)

Eine britische Firma plant schwimmende Atomkraftwerke vor US-Küsten. Core Power will ab Mitte der 2030er Jahre eine Flotte von Reaktorschiffen in Betrieb nehmen.

Stellen Sie sich vor, weit draußen auf dem Meer treiben riesige Schiffe. Doch es sind keine gewöhnlichen Schiffe, sondern schwimmende Atomkraftwerke. Sie versorgen die Küstenregionen mit Strom und produzieren Wasserstoff als sauberen Treibstoff für Flugzeuge und Fahrzeuge. Was wie eine Vision aus einem Science-Fiction-Roman klingt, könnte schon bald Realität werden.

Britisches Unternehmen will 2,6-Billionen-Dollar-Markt erobern

Das britische Unternehmen Core Power hat ehrgeizige Pläne. Ab Mitte der 2030er Jahre will es schwimmende Atomkraftwerke vor den Küsten der USA installieren. Das sogenannte Liberty-Programm werde den Grundstein für den Einsatz von Kernenergie im zivilen maritimen Sektor legen, erklärte das Unternehmen.

Vorgestellt wurde das Projekt Mitte Februar in den USA. Bis Mitte der 2030er Jahre soll das Liberty-Programm demnach die "vollständige Kommerzialisierung" erreichen und den Markt für schwimmende AKWs erobern. Dieser wird auf eine Größe von 2,6 Billionen US-Dollar geschätzt.

Die Kraftwerke sollen eine elektrische Leistung von 1.200 Megawatt haben, vergleichbar mit modernen Atomkraftwerken am Land. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Core Power setzt auf eine spezielle Reaktortechnik, die sogenannten Flüssigsalzreaktoren. Dabei zirkuliert der Brennstoff in Form von flüssigen Salzen durch den Reaktorkern. Diese Technik gilt als sicherer als herkömmliche Reaktoren, und im gewählten Aufbau soll auch eine gefürchtete Kernschmelze praktisch unmöglich sein.

Ein weiterer Vorteil: Die schwimmenden Kraftwerke sollen wie am Fließband gebaut werden. Die Serienfertigung der schwimmenden Kernkraftwerke werde "pünktlich und im Rahmen des Budgets erfolgen", verspricht Core-Power-Chef Mikal Bøe. Durch die Standardisierung sollen auch die Genehmigungsverfahren vereinfacht werden. Eine Zulassung soll für alle baugleichen Anlagen gelten.

Russland hat erstes schwimmendes Atomkraftwerk in Betrieb

Doch Core Power ist nicht der erste Anbieter, der auf schwimmende Atomkraftwerke setzt. Russland hat mit der "Akademik Lomonossow" bereits das erste schwimmende Kernkraftwerk der Welt in Betrieb genommen. Es versorgt seit 2020 die abgelegene Region Tschukotka im äußersten Nordosten Russlands mit Strom und Wärme.

Das russische Kraftwerk ist mit konventioneller Reaktortechnik ausgestattet und hat eine Leistung von 70 Megawatt. Es kann eine Stadt mit bis zu 100.000 Einwohnern mit Energie versorgen. Russland plant bereits den Bau weiterer schwimmender Kraftwerke, auch für den Exportmarkt.

In Europa geht Trend zu weniger Atomkraft

Während Core Power und Russland auf die Kernkraft auf hoher See setzen, zeichnet sich in Europa ein anderer Trend ab. Seit der Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 wurden in der EU, Großbritannien und der Schweiz insgesamt 37 Atomkraftwerke dauerhaft abgeschaltet.

Bis 2030 soll sich die Zahl der Stilllegungen auf 52 Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 43.000 Megawatt erhöhen, wie eine Analyse des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) zeigt. Im gleichen Zeitraum sollen nur sechs neue Atomkraftwerke mit einer Leistung von 7.300 Megawatt ans Netz gehen.

"Die Vorstellung einer raschen Renaissance der Atomenergie in Europa ist unrealistisch", sagt IWR-Chef Norbert Allnoch. Hauptgrund sei die Überalterung der Reaktoren. Ende 2024 seien 59 der 114 europäischen Atomkraftwerke bereits 40 Jahre und älter. Auch Neubauten kämen wegen hoher Kosten und langer Bauzeiten nur schleppend voran.