Brüssels neue Sorge: Trumps Energie-Erpressung

Energie – eine Waffe in Trumps Händen. Bild: Tomasz Makowski/ Shutterstock.com
Donald Trump erhöht den Druck auf die EU. Er fordert mehr Öl- und Gas-Käufe aus den USA, sonst drohen Strafzölle. Brüssel steht vor einem Dilemma.
US-Präsident Donald Trump hat seine Forderung an die Europäische Union erneuert, mehr Erdöl und -gas zu kaufen, wenn sie Strafzölle vermeiden will. "Das eine, was sie schnell unternehmen können, ist unser Öl und Gas zu kaufen", sagte Trump laut einem Bericht der US-Nachrichtenagentur Bloomberg. "Wir werden das mit Zöllen gerade biegen, oder sie müssen unser Öl und Gas kaufen", zitiert ihn die Agentur weiter.
Wie Bloomberg zudem berichtet, erwägen die Europäische Union sowie einige asiatische Regierungen, mehr Energie vom weltweit größten Produzenten von Rohöl und Exporteur von Flüssiggas (LNG) zu kaufen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe vergangenes Jahr die Idee ins Spiel gebracht, dass Importe aus den USA den Verbrauch von russischem LNG in der EU ersetzen könnten.
Allerdings: Die USA verfügen kurzfristig nicht über viel zusätzliche Kapazitäten, um die LNG-Exporte zu steigern. Da LNG über langfristige Verträge verkauft werde, müssten die ursprünglichen Käufer des Gases einer Umleitung der Lieferungen nach Europa zustimmen – dies würde aber die Exportmenge der USA nicht erhöhen.
Lesen Sie auch
Chrupalla in Washington: Heute Trumps Fan, morgen Trumps Opfer
Europas Energiepreise vs. USA: Das 5:1-Desaster
Internes Dokument an das Außenamt: Deutscher US-Botschafter warnt vor Energiekrieg unter Trump
Telepolis exklusiv: Top-Diplomat warnt vor US-Offensive auf Energiemärkten
Russlands Energie-Einfluss schwindet: EU nimmt Putins LNG-Geschäft ins Visier
Stattdessen könnten europäische Käufer erwägen, die Versorgung durch langfristige Verträge mit US-LNG-Projekten zu sichern, deren Bau jedoch Jahre dauern würde.
"Wir werden mit Energie viel Geld verdienen", wird Trump zitiert, als er unmittelbar nach Amtsantritt eine Reihe von Durchführungsverordnungen unterzeichnete. "Wir haben mehr als alle anderen."
Dies alles versetzt die Europäische Union sichtlich in Aufruhr. Interne Dokumente, die Telepolis vorliegen, belegen die tiefe Besorgnis hochrangiger EU-Gremien über die jüngsten Entwicklungen in Washington.
EU-Gremium tagt am 18. Februar auch zu den USA
Beim Rat für Wirtschaft und Finanzen am 18. Februar will die amtierende polnische Ratspräsidentschaft – dann erstmals in geplantem Rahmen – die Haltung gegenüber den zunehmend als Bedrohung empfundenen USA auf die Agenda setzen.
Man werde über "Schlussfolgerungen zur Überarbeitung der EU-Liste der nicht-kooperativen Jurisdiktionen in Steuerfragen" sprechen und Vertreter der Europäischen Entwicklungsbank sowie des Europäischen Stabilitätsmechanismus hinzuladen.
Blick auf Trumps Erlasse – und Kommentare
Besondere Aufmerksamkeit erregen in Brüssel die handelspolitischen Ankündigungen des neuen US-Präsidenten. Die Kommission habe davor gewarnt, nur die Ausführungserlasse von Donald Trump selbst zu beachten, heißt es dort: "Fast noch wichtiger seien die Kommentare Trumps beim Prozess der Unterzeichnung, unter anderem zu Zöllen", ist in einem vertraulichen Protokoll aus Brüssel zu lesen.
Experten für die Beziehungen der EU zu den USA erwarten demnach eine zunehmende Vermischung von Außen- und Wirtschaftspolitik. Als Beispiel dafür sehen sie den kurzen und heftigen Konflikt zwischen der Trump-Regierung und Kolumbien an. Als die linksgerichtete Regierung des südamerikanischen Landes gegen Abschiebeflüge aus den USA vorging, regierte Trump unlängst mit massiven und unmittelbaren Strafmaßnahmen. Die kolumbianische Regierung gab umgehend nach.
In einer Expertenrunde des EU-Rats konstatierten die Teilnehmer Ende Januar, dass schon drei US-Agenturen beauftragt worden seien, Handelspraktiken zu identifizieren, die aus der Sicht der Trump-Regierung gegen faire Maßstäbe verstoßen. Die zu erwartenden Gegenmaßnahmen richteten sich nach Ansicht der Generaldirektion Handel der EU-Kommission zwar absehbar vorwiegend gegen China, Kanada und Südamerika. Die EU müsste sich aber auf "unerwünschte Nebeneffekte" gefasst machen.
Auch die Drohung Trumps, Zölle und Ölpreise als Druckmittel für eine Friedenslösung in der Ukraine einzusetzen, schürt die Sorge vor wirtschaftlichen Kollateralschäden. "Trump habe angekündigt, mit Zöllen, aber auch durch Manipulation des Ölpreises, auf beide Seiten einzuwirken, um einen Frieden in der Ukraine zu erzwingen", berichtet ein deutscher Diplomat.
Appelle für Geschlossenheit
Angesichts dieser Herausforderungen sei ein geschlossenes Auftreten der EU von zentraler Bedeutung, betont der deutsche Diplomat: Man habe "erneut die Bedeutung von Einigkeit im EU-Kontext" betont.
Auch beim informellen Treffen der EU-Wirtschafts- und Finanzminister sei deutlich geworden, "dass die EU geeint auftreten" und "geschlossen die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken" müsse, heißt es in einem Nachbericht des Bundesfinanzministeriums zum jüngsten Treffen in Brüssel.
Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit
Die Notwendigkeit einer engen Abstimmung innerhalb der EU wird auch in einem Bericht der Ständigen Vertretung über ein Treffen hochrangiger EU-Spitzen betont: Pedro Lourtie, der Kabinettschef des EU-Ratspräsidenten habe betont "dass unter allen Chefs das Gefühl der Dringlichkeit bei den Themen Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit vorherrschte".
Als Schlüssel zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit gilt der sogenannte "Competitiveness Compass", den die EU-Kommission Ende Januar präsentierte. Binnenmarktkommissar Thierry Breton erklärte laut dem Nachbericht des Bundesfinanzministeriums, der Kompass werde sich "auf die im Draghi-Bericht genannten Kernbereiche konzentrieren, der Schließung der Innovationslücke gegenüber den USA und China, der weiteren Dekarbonisierung sowie Sicherheit".
Forderung nach strategischem Konzept
Doch intern gibt es offenbar auch Zweifel, ob die bisherigen Maßnahmen ausreichen werden. "Wir brauchen ein umfassendes strategisches Konzept, das auch Bereiche wie Handel, Währung und Industriepolitik einbezieht", wird ein deutscher EU-Diplomat aus einem großen Mitgliedstaat in dem Drahtbericht der Ständigen Vertretung zitiert.
Noch hofft man in Brüssel, dass ein offener Handelskrieg mit den USA vermieden werden kann. Doch die Zweifel wachsen, ob die Regierung Trump für rationale Argumente empfänglich ist. "Wir müssen uns auf stürmische Zeiten einstellen", sagt ein Kommissionsmitarbeiter gegenüber Telepolis: "Die Frage ist nicht ob, sondern wann es zum Clash kommt. Und darauf sollten wir vorbereitet sein."
Es sind wahrlich interessante Zeiten für die Europäische Union. Wie sie sich gegenüber dem unberechenbaren Kurs der neuen US-Regierung positionieren wird, dürfte weitreichende Folgen haben – nicht nur für die europäische Wirtschaft, sondern auch für die geopolitischen Kräfteverhältnisse in der Welt.