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Buchhalterische Einigung auf der Klimakonferenz

Hochwasser bei Worms 2013. Bild: Jivee Blau/CC BY-SA-3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von offenen Aufgaben nach der Klimakonferenz, beschlossenen Sonderausschreibungen und sich verändernden Niederschlagsmustern

Wie bereits berichtet, bleibt nach der Klimakonferenz in Katowice weiterhin das große Fragezeichen stehen, wie die Staatengemeinschaft die globale Erwärmung auf die vereinbarten 1,5 Grad beschränken will (Ehrgeiziges Ziel [1]). Die Generalsekretärin der Vereinten Nationen für Klimaschutz, Patricia Espinosa sprach dennoch von einem hervorragenden Erfolg der Konferenz.

Immerhin haben die Staaten ein detailliertes und einheitliches Regelwerk erarbeitet, wie sie fortan über ihre Bemühungen und Erfolge im Klimaschutz gegenüber den UN berichten müssen. Nur reichen die bisherigen nationalen Reduktionsziele (NDCs) bisher bei weitem nicht, um die Erderwärmung unter 2, geschweige denn unter 1,5 Grad zu halten. Und auch bei der Umsetzung der bereits zugesagten nationalen Ziele hapert es in einigen Ländern gewaltig, beispielsweise in Deutschland. Doch weitergehende Selbstverpflichtungen der Staaten waren von der Klimakonferenz auch nicht zu erwarten gewesen. Nun ist es Aufgabe der Bevölkerungen, ihre Regierungen zu neuen und ambitionierteren Zielen zu drängen. Dass nun gerade Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zu einem neuen Anlauf beim Klimaschutz aufruft [2], klingt allerdings fragwürdig.

Brasilien blockiert

Unstimmigkeit im jetzt in Katowice verabschiedeten Regelwerk gibt es noch bezüglich der Mechanismen des internationalen Emissionshandels. Im Artikel 6 des Klimaabkommens soll geregelt werden, inwiefern sich Klimaschutzmaßnahmen in anderen Ländern auf die eigenen Klimaziele anrechnen lassen. Diese Art von Kompensation nannte sich früher Clean Development Mechanism.

Doch die Unterhändler konnten sich nicht darüber einigen, wie eine doppelte Buchführung verhindert werden kann - damit Klimaschutzmaßnahmen nicht sowohl für den Staat, wo sie stattfinden, als auch für den, der dafür bezahlt, positiv verbucht werden können.

Ausgleichszahlungen für Emissionen sind ein Mechanismus, auf den die Luftfahrtbranche zählt, die nur durch Kompensationszahlungen ihre Emissionen nominell reduzieren kann. Deren Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) soll eigentlich ab 2021 starten.

Blockiert wurde eine Einigung zu Artikel 6 verschiedenen Berichten zufolge von Brasilien, das sich wohl Gewinne aus dem Offsetting verspricht und sie nicht geschmälert wissen will. Dabei hat Brasiliens designierter Präsident Jair Bolsonaro mit Ricardo de Aquino Salles einen Mann als Umweltminister vorgesehen, der eine Gefahr für den Regenwald und damit eine der größten Kohlenstoffsenken der Erde darstellt. Salles wird (auch finanziell) von der Agrarindustrie unterstützt und hält den Klimawandel für - wenn überhaupt existent - nicht besonders bedeutsam.

Ein Zeichen für mehr Klimaschutz setzten am Freitag weltweit Schülerinnen und Schüler, die sich dem Schulstreik der 15jährigen Klimaaktivistin Greta Thunberg anschlossen. In Deutschland beteiligten sich Tausende von Schülern an Aktionen in mindestens 15 Städten. In Australien beispielsweise kam es bereits vor einige Wochen zu größeren Klimaprotesten und -streiks von Lernenden [3].

Die "Erfinderin" des Schulstreiks fürs Klima, die schwedische Schülerin Thunberg, protestiert jeden Freitag vor dem schwedischen Parlament für mehr Klimaschutz, anstatt zu Schule zu gehen. Bei der Klimakonferenz in Katowice hielt sie eine vielbeachtete Rede [4], in der sie den Regierenden der Welt vorwirft, nicht ehrlich mit dem Thema Klimawandel umzugehen und die Zukunft zu verspielen: "Sie sagen, Sie lieben Ihre Kinder über alles. Trotzdem stehlen Sie ihnen ihre Zukunft, direkt vor ihren Augen."

Beschleunigung des Netzausbaus und Sonderausschreibungen

Im Schatten der Klimakonferenz wurden in Deutschland einige kleine Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, die auch die Entwicklung der erneuerbaren Energien betreffen. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett Regelungen beschlossen, die den Ausbau der Stromnetze beschleunigen sollen - die Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG). Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen demnach vereinfacht, verkürzt und besser miteinander verzahnt werden, verspricht [5] das Bundeswirtschaftsministerium.

Bei der Verstärkung bestehender Stromtrassen könnte beispielsweise auf vorherige Raumordnungsverfahren verzichtet werden. Das Änderungspaket enthält jedoch auch Veränderungen beim Einspeisemanagement erneuerbarer Energien und KWK-Anlagen. Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) kritisiert [6], dass diese zugunsten der Übertragungsnetzbetreiber, aber zu Ungunsten der Verteilnetzbetreiber gingen.

Das Energiesammelgesetz hat am Freitag den Bundesrat passiert und sollte nun nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten am 1. Januar 2019 in Kraft treten. Im Energiesammelgesetz sind die Sonderausschreibungen für erneuerbare Energien für die nächsten Jahre festgelegt: Im Jahr 2019 wird 1 Gigawatt ausgeschrieben, 2020 dann 1,4 GW und 2021 schließlich 1,6 GW. Die Mengen sind zusätzlich und fallen nicht unter den 52-GW-Deckel für PV-Anlagen.

Für die Windenergie ist das laufende Jahr voraussichtlich noch schlechter ausgefallen als von Branchenvertretern erwartet. "In den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres sind Windenergieanlagen mit 2.073 MW neu ans Netz gegangen. Auch wenn im letzten Quartal erfahrungsgemäß mit einem zusätzlichen Schwung zu rechnen ist, dürfte der Zubau in 2018 noch unter den Branchenerwartungen zurückbleiben", erklärte [7] Hermann Albers, Präsident des Bundesverband WindEnergie (BWE). Der BWE hatte für 2018 mit einem Zubau von 3.300 MW gerechnet. Begrüßt werden die Sonderausschreibungen für 2019 und 2020. Der Geschäftsführer von VDMA Powersystems, Mathias Zelinger, kritisierte einen derzeitigen Stau bei der Genehmigung von Windenergieanlagen.

Extremniederschläge werden häufiger

Auch wenn die Flusspegel vor allem im Westen Deutschlands wieder allmählich steigen, die Auswirkungen des Dürresommers werden in Deutschland wohl auch noch im nächsten Jahr zu spüren sein. Sowohl extreme Trockenheit als auch starke Regenfälle, die zu Überschwemmungen führen, werden immer häufiger. Dabei sind Nordeuropa, Nordasien sowie die Mitte und der Osten der USA häufiger von starken Niederschlägen, die meisten afrikanischen Regionen häufiger von Trockenheit betroffen. Dies ist das Ergebnis [8] einer systematischen Auswertung der Daten von 50.000 Wetterstationen, die das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung vorgenommen hat.

Demnach gab es in den genannten Regionen der USA zwischen 1980 und 2013 ein Viertel mehr extrem nasse Monate als früher, in Nordeuropa lag die Zahl der nassen Monate zwischen 19 und 37 Prozent höher. In Afrika südlich der Sahara und der Sahelzone haben hingegen extrem trockene Monate um bis zu 50 Prozent zugenommen, Die Forscher haben auf diese Weise gezeigt, dass sich eine gefühlte Zunahme von Extremwetterereignissen auch anhand von Daten belegen lässt, wie es in der Einleitung ihrer Publikation [9] in den Geophysical Research Letters heißt.

Durch den Klimawandel habe sich die statistische Wahrscheinlichkeit von Extremniederschlagsereignissen verändert. "Normalerweise passieren Rekordwetterereignisse zufällig und wir wissen, wie viele in einem Klima ohne Erwärmung passieren würden", erklärt Leitautor Jascha Lehmann vom PIK. "Es ist wie beim Würfeln: Im Durchschnitt bekommt man bei einem von sechs Mal eine sechs. Aber durch die Einlagerung großer Mengen an Treibhausgasen in der Atmosphäre hat die Menschheit die Würfel gezinkt. In vielen Regionen werfen wir viel häufiger Sechsen mit schwerwiegenden Auswirkungen für Gesellschaft und Umwelt." Bedenklich sei, dass die Niederschlagsmuster schon bei einem Grad globaler Erwärmung so stark beeinflusst würden. Bei 1,5 bis 2 Grad ist eine Verschärfung der Extreme zu erwarten.

Um CO2-Emissionen zu vermeiden oder auszugleichen, wird als vermeintliche Lösung ja immer wieder angepriesen, auf großen Flächen Energiepflanzen anzubauen. Einige Vorschläge gehen auch dahin, bei der Verbrennung dieser Biomasse das CO2 abzuscheiden und unterirdisch einzulagern, und so "negative Emissionen" zu generieren. Egal in welcher Form die Bioenergie letztlich genutzt wird, der Anbau von Energiepflanzen in großem Stil würde für die Artenvielfalt wohl einen größeren Schaden als Nutzen darstellen, wie Wissenschaftler des Senckenberg Forschungszentrums feststellen [10].

So führten Klimaerwärmung als auch der Anbau von Bioenergiepflanzen gleichermaßen zum Verlust von Lebensräumen. "Ob sich die Temperatur bis 2100 um 1,5 oder 3 Grad erhöht: Rund 36 % der Lebensräume von Wirbeltieren sind entweder durch den Klimawandel oder die neue Landnutzung infolge des Anbaus von Bioenergie-Pflanzen massiv gefährdet. Die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt sind also vergleichbar. Unterschiedlich ist nur, auf wessen Konto sie gehen", erklärt Alke Voskamp vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.

Zugrunde liegt die Annahme, dass bis zum Jahr 2100 auf 4,3 Prozent der globalen Landflächen Energiepflanzen angebaut werden müssten, um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen. Das entspreche der 1,5fachen Fläche aller EU-Länder zusammen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4255312

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/news/Klimakonferenz-Ehrgeiziges-Ziel-4252137.html
[2] https://www.presseportal.de/pm/30621/4144965
[3] https://www.heise.de/tp/features/Jugendliche-fordern-Klimaschutz-und-Sicherheit-fuer-die-Kohlekumpels-4241350.html
[4] https://www.youtube.com/watch?v=VFkQSGyeCWg
[5] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2018/20181212-kabinett-stimmt-fuer-gesetz-zur-beschleunigung-des-energieleitungsausbaus.html
[6] https://www.vku.de/presse/pressemitteilungen/netzausbaubeschleunigungsgesetz-20-verteilnetzbetreiber-werden-ausgebremst-weichen-falsch-gestellt/
[7] https://www.wind-energie.de/presse/pressemitteilungen/detail/auswertung-der-quartalszahlen-ausbau-von-windenergie-an-land-stockt-massiv-genehmigungspraxis-aend/
[8] https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/rekordnasse-und-rekordtrockene-monate-in-verschiedenen-regionen-weltweit-angestiegen-klimawandel-bringt-mehr-niederschlagsextreme
[9] https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1029/2018GL079439
[10] https://idw-online.de/de/news707576