Bundestag: Ausschüsse vorläufig verteilt
AfD erhält Vorsitz in Haushaltsausschuss, SPD im Kulturausschuss
Drei Monate nach der Bundestagswahl haben sich die dort vertretenen Parteien auf die Besetzung der Ausschüsse geeinigt, in denen Gesetzesentwürfe vor der Abstimmung im Plenum verhandelt werden. Dass es diesmal deutlich länger dauerte als gewohnt, liegt an den längeren Regierungsbildungsverhandlungen mit mehr Parteien als früher. Nach dem Ja einer Mehrheit der SPD-Delegierten am Sonntag wird nun davon ausgegangen, dass eine erneute Große Koalition zustande kommt, auch wenn der Koalitionsvertrag noch nicht steht und die SPD-Mitglieder noch nicht darüber abgestimmt haben.
Allerdings heißt es vonseiten der Union und der SPD, die jetzt bekannt gegebenen Ausschussentscheidungen seien vorläufig und könnten sich nach der Kabinettsbildung wieder ändern. Ändert sich nichts, behält die Union in der nächsten Legislaturperiode den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss und im Petitionsausschuss sowie in den Ausschüssen zu den Bereichen Europa, Inneres, Landwirtschaft, Geschäftsordnung, Gesundheit, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Boehringer betont bescheiden
Die SPD erhält der Bestimmung nach § 58 der Geschäftsordnung des Bundestages nach den Vorsitz der Ausschüsse für Arbeit und Soziales, Verteidigung, Bildung und Forschung, Kultur und Sport. Die FDP übernimmt die Bereiche Finanzen, Digitale Agenda und Menschenrechte, die Grünen die Vorsitzposten der Ausschüsse Verkehr und Digitalisierung sowie Umwelt und Naturschutz und die Linke den Vorsitz im Familienausschuss und im Ausschuss für Wirtschaft und Energie.
Vorsitzender des Haushaltsausschusses, der traditionell an die größte Oppositionspartei geht, wird der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer. Gegenüber dem Fernsehsender Phoenix gab sich der schwäbische Diplom-Informatiker und Diplom-Kaufmann betont bescheiden und meinte, er werde in diesem Amt aufgrund mangelnder Erfahrung "unvermeidlich" Fehler begehen und bitte "den Ausschuss und das Ausschusssekretariat" deshalb bereits jetzt, "Nachsicht mit ihm zu haben". Seine Möglichkeiten, etwas im Sinne seiner Partei zu bewirken, schätzt er als begrenzt ein: "Meine Vorgänger", so der ehemalige Unternehmensberater bei Booz Allen & Hamilton, "waren alle Mitglieder von Oppositionsfraktionen - und natürlich wurden die alle permanent überstimmt."
Brandner will sich nicht zum "politischen Eunuchen" machen lassen
Ein anderer AfD-Abgeordneter, der Fußballfan Sebastian Münzenmaier, übernimmt den Vorsitz im Tourismusausschuss. Er gilt als einer der problematischeren Politiker in der neu in den Bundestag eingezogenen Partei, weil ihn das Amtsgericht Mainz gewalttätiger Aktivitäten in einer "Ultra"-Gruppe für schuldig befand und deshalb zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und 10.000 Euro Geldstrafe verurteilte. Der gebürtige Hesse hat gegen dieses noch nicht rechtskräftige Urteil Berufung eingelegt.
Der Vorsitz im Ausschuss Recht und Verbraucherschutz geht an den Thüringer Rechtsanwalt und AfD-Abgeordneten Stephan Brandner, der dazu meinte, er wolle auf diesem Posten "professionell agieren", sich aber nicht zum "politischen Eunuchen" machen lassen. Eine Äußerung, die sich anscheinend auf seine 32 Ordnungsrufe im Erfurter Landtag bezieht, wo er unter anderem deshalb ermahnt wurde, weil er über ein eher volkstümliches Vokabular Drogen- und Kindsmissbrauchsskandale von Grünen-Politikern kritisierte und hinsichtlich der Bundeskanzlerin zum "Anklagen" und "Einknasten" riet. Bernd Baumann, der für die AfD die Verhandlungen zur Vorsitzverteilung in den Ausschüssen führte, hatte sich vorher besonders erfreut darüber gezeigt, dass der Rechtsausschuss an seine Partei geht, weil in dessen Zuständigkeitsbereich auch das seinen Worten nach "unglückliche NetzDG" fällt.
Gauland will weiter Reusch als Geheimdienstaufseher durchsetzen
Der Vorsitz im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Geheimdienste überwachen soll, geht an den CDU-Politiker Armin Schuster - einem ehemaligen Bundesgrenzschützer und bekannten Merkel-Kritiker. Weil die anderen Parteien den für diesen neunköpfigen Ausschuss von der AfD vorgeschlagenen ehemaligen Staatsanwalt Roman Reusch nicht akzeptieren wollten, ist dieses Gremium noch unvollständig. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland hat angekündigt, an Reusch festhalten zu wollen, weil dieser beruflich mit Geheimdiensten zu tun hatte und ihre Arbeitsweise kennt. Im Falle einer weiteren Blockade droht er, verstärkt Instrumente wie die Feststellung der Beschlussunfähigkeit zu nutzen, um die anderen Parteien unter Druck zu setzen.
Ein anderes Politikum war der Vorsitz im Kulturausschuss, der nun an die SPD geht. Nachdem der für die AfD in den Bundestag gewählte ehemalige Sloterdijk-Assistent Marc Jongen im Spiegel Interesse an diesem Posten signalisiert, eine "Entideologisierung der Kulturpolitik" gefordert und angekündigt hatte, dass "Leute, die lange selbstverständlich auf dem öffentlichen Förderticket gefahren sind", es künftig nicht mehr so leicht haben würden, warnten Lobbyverbände und Prominente, dass die Wahl des Südtirolers italienisch-niederländischer Abstammung ein "fatales Signal" wäre - was die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel wiederum unter Rückgriff auf die Theorien Antonio Gramscis und Herbert Marcuses zu erklären versuchte.