Bundeswehr und Zeitenwende: Mehr Nachwuchs für die Truppe

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit Schützlingen.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit Schützlingen. Foto: penofoto / Shutterstock.com

Verteidigungsminister spricht von steigenden Bewerberzahlen. Bayern verpflichtet Schulen zur Kooperation mit Militärs. Was das im Unterricht bedeutet.

Die Personalprobleme der Bundeswehr könnten laut Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bald Geschichte sein. "Es gibt auch immer mehr Menschen, die sich freiwillig melden, gerade weil sie für ihr Heimatland Dienst leisten wollen", sagte Pistorius der Rheinischen Post und dem Bonner General-Anzeiger.

Bundeswehr verzeichnet 15 Prozent mehr Bewerber

"Im Vergleich zum Vorjahr haben sich zum Stichtag 8. Juli 15 Prozent mehr Menschen bei uns für den militärischen Dienst beworben."

Eine selbstverständliche Reaktion auf geopolitische Spannungen ist das nicht, denn im Februar 2023, ein Jahr nach der "Zeitenwende", die nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine ausgerufen worden war, galten die Bewerberzahlen laut einer Sprecherin der Bundeswehr noch als "tendenziell rückläufig".

Pistorius rechnet vorerst mit ausreichend Freiwilligen

Laut Pistorius dürfte in absehbarer Zeit niemand zum Wehrdienst gezwungen werden, obwohl sein neues Wehrdienstmodell nur vorläufig auf Freiwilligkeit setzt – das Ausfüllen eines Fragebogens, den alle Volljährigen erhalten, soll für junge Männer bereits verpflichtend sein. Das Wort "kriegstüchtig" möge er selbst nicht, sagte Pistorius in dem Interview, verwies aber auf die aus seiner Sicht bestehende Bedrohungslage.

Unsere Berechnungen aus Umfragen und anderen Erhebungen zeigen, dass wir den ersten Aufwuchs der Truppe von zusätzlich 5000 Kräften pro Jahr durch Freiwillige schaffen können. Und mehr Kapazitäten haben wir derzeit gar nicht, weil es zu wenige Ausbilder und Kasernen gibt.

Boris Pistorius im Gespräch mit der Rheinischen Post

Seit Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 hatte die Bundeswehr auf Jugendoffiziere im Schulunterricht und Werbeveranstaltungen mit Event-Charakter sowie Infostände auf Spielemessen wie der Gamescom gesetzt.

Bundeswehr-Gesetz in Bayern: Dazu sind Schulen verpflichtet

Antimilitaristische Gruppen sowie die Bildungsgewerkschaft GEW hatten vor allem die Auftritte an Schulen immer wieder kritisiert. Auf "ein ‚Friedensgebot‘ für alle Bildungseinrichtungen, also für Schulen, Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen", verwies die Gewerkschaft auch in einer Stellungnahme zum Bayerischen Bundeswehr-Gesetz, das am gestrigen Mittwoch vom Landtag des Freistaats beschlossen wurde.

Schulen und Lehrkräfte können sich demnach nicht einfach weigern, Jugendoffiziere der Bundeswehr im Unterricht auftreten zu lassen, sondern die bayerische Staatsregierung verpflichtet Schulen und Hochschulen per Gesetz zur Kooperation mit der Bundeswehr.

Anteil minderjähriger Rekruten zuletzt gestiegen

Die Schulen arbeiten mit den Jugendoffizieren der Bundeswehr im Rahmen der politischen Bildung zusammen. Die Karriereberater der Bundeswehr und Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben dürfen im Rahmen schulischer Veranstaltungen zur beruflichen Orientierung über Berufs- und Einsatzmöglichkeiten in ihrem Bereich informieren.

Aus dem Entwurf der bayerischen Staatsregierung für das Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern

Bereits vor dieser Regelung in Bayern hatten Einsätze von Jugendoffizieren an Schulen bundesweit zugenommen. Mehr als 90 von ihnen sind an deutschen Bildungseinrichtungen unterwegs, 4.308 Vorträge hielten sie nach Bundeswehr-Angaben allein 2022, im ersten Jahr des Ukraine-Kriegs, an dem Deutschland laut Pistorius "indirekt" beteiligt ist.

Die GEW hatte in diesem Zusammenhang auch vor der Rekrutierung Minderjähriger gewarnt, denn dies ist ab dem vollendeten 17. Lebensjahr grundsätzlich möglich. Der Anteil minderjähriger Rekrutinnen und Rekruten ist 2023 sogar gestiegen. Von rund 18.800 neuen Soldatinnen und Soldaten waren 1.996 Soldaten zum Zeitpunkt ihrer Einstellung erst 17 Jahre alt. Das entspricht einem Anteil von 10,6 Prozent – im Vorjahr hatte er noch bei 9,4 Prozent gelegen.