Bush führt in Umfragen mit einem soliden Vorsprung

Doch die Umfragen machen wichtige Vorannahmen, beispielsweise wird oft davon ausgegangen, dass unter den "likely voters" der Anteil der Republikaner höher ist: Manipulation?

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Es sieht nicht gut aus für John Kerry. Nach Umfragen liegt George W. Bush weiter vorne im Rennen um die Präsidentschaft, angeblich weil er als stärkere Führungspersönlichkeit mit einer klareren Vision gilt, wie die Washington Post schreibt, während Kerry so betrachtet wird, wie ihn die Bush-Kampagne darstellt, nämlich als jemand, der hin- und herschwankt. In einer Umfrage für die Washington Post und die ABC liegt Bush mit 51 Prozent vor Kerry mit 46 Prozent. Allerdings hat Kerry gegenüber der letzten Umfrage hier aufgeholt. In einer anderen Umfrage sieht es aber noch düsterer aus. Nach der von Gallup für CNN und USA Today durchgeführten Umfrage liegt Bush, für den 52 Prozent stimmen würden, mit 8 Prozentpunkten vor seinem Herausforderer.

Ausschnitt aus der Anzeige von MoveOn in der New York Times

Statistiken müssen freilich nicht unbedingt ein realistisches Bild abgeben. Und da viele Menschen durch den Regierungsstil der Bush-Regierung besonders nach dem 11.9. misstrauisch geworden sind, wird nicht mehr alles hingenommen. In Zeiten des Internet und der Blogs können auch Informationen, die nicht von den Mainstreammedien berichtet oder hinterfragt werden, an eine breite Öffentlichkeit gelangen. Und so hat sich ein Blogger, der selbstredend kein Bush-Anhänger ist, die Erfolgsmeldungen bei den Gallup-Umfragen einmal näher angesehen.

Die Interviews basieren auf telefonischen Interviews, die mit 1006 Erwachsenen durchgeführt wurden. Mit einer 95prozentigen Wahrscheinlichkeit könne man davon ausgehen, dass die Irrtumswahrscheinlichkeit bei + oder - 3 Prozent liege. Ausgegangen wird von einer Wahlbeteiligung von 55 Prozent. 758 der Befragten gaben an, auch wirklich wählen zu wollen, 926 waren registrierte Wähler. All dies fügt bei der Endaussage, dass 52 Prozent der US-Bürger, die sagten, dass sie zur Wahl gehen werden (Likely voters), für Bush stimmen würden, weitere Unsicherheiten hinzu, dazu kommen Formulierungen und "praktische Schwierigkeiten", wie Gallup sagt, die weitere Irrtümer oder Einseitigkeiten verursachen können.

Steve Soto, der den Blog The Left Coaster betreibt, fiel schon zuvor auf, dass die Gallup-Umfragen noch besser als die der anderen Institute für Bush ausschlagen. Das gefiel ihm nicht. So wandte er sich an Gallup und bat um die Zusendung der Auswahlkriterien für die "likely voters", also für diejenigen Befragten, die sagen, dass sie an der Wahl teilnehmen werden und die zu 52 Prozent für Bush gestimmt hatten. Eine Pew-Umfrage beispielsweise hatte in zwei Umfragen Anfang und Mitte September festgestellt, dass die Zahl der Bush-Wähler stark von 54 auf 47 Prozent zurückgegangen, während die der Kerry-Wähler von 38 auf 46 Prozent angestiegen ist. Bei derGallup-Umfrage Mitte September, also etwa zur gleichen Zeit, lag Bush bei den likely voters mit 55 Prozent vor Kerry mit 42 Prozent, bei den registrierten mit 52 zu 44 Prozent.

Seltsame Gewichtung zugunsten von Bush

Viel hängt von der Gewichtung der "likely voters" ab. Soto erhielt nach seinen Angaben von Gallup folgende Zahlen für die erste der erwähnten Umfragen Mitte September:

Likely Voter Sample Party IDs - Poll of September 13-15
Reflected Bush Winning by 55%-42%

Total Sample: 767
GOP: 305 (40%)
Dem: 253 (33%)
Ind: 208 (28%)

Registered Voter Sample Party IDs - Same Poll
Reflected Bush Winning by 52%-44%

Total Sample: 1022
GOP: 381 (38%)
Dem: 336 (33%)
Ind: 298 (30%)

Gallup geht mithin davon aus, dass sich unter den Befragten, die sagen, sie würden zur Wahl gehen, mehr republikanische als demokratische Wähler befinden. Diese Grundannahme wirkt sich natürlich auf das Ergebnis aus, was man auch daran sieht, dass bei den registrierten Wählern, bei denen der Unterschied nicht so hoch angesetzt ist, auch das Ergebnis enger ausfällt. In der letzten Umfrage, in der Bush bei den "likely voters" nur noch mit 8 Prozent, war die Gewichtung noch einmal zugunsten der Republikaner verschoben:

Likely Voter Sample Party IDs - Poll of September 24-26
Reflected Bush Winning by 52%-44%

Total Sample: 758
GOP: 328 (43%)
Dem: 236 (31%)
Ind: 189 (25%)

Man fragt sich, was in diesen 10 Tagen geschehen ist, so dass Gallup den Unterschied zwischen den republikanischen und demokratischen Wählern noch einmal erhöht. Gehen die demokratischen Wähler nicht mehr zur Wahl, weil sie sich schon verloren geben?

Nicht nur Soto findet diese Gewichtung seltsam, auch John Zogby vom Meinungsforschungsinstitut Zogby International wundert sich. Bei seiner Umfrage, ebenfalls Mite September führte Bush gegenüber Kerry bei den "likely voters" nur mit 46 zu 42 Prozent. Allerdings, so klärt er auf, legt er eine andere Gewichtung zugrunde: 39% Demokraten, 35% Republikaner und 26% Unabhängige. Zogby erklärt seine Gewichtung, nachdem er auf eine Newsweek-Umfrage Anfang September, kurz nach dem republikanischen Parteitag, eingegangen ist, in der Bush einen Vorsprung von 11 Prozentpunkten vor Kerry hatte und das Verhältnis mit 38% Republikanern, 31% Demokraten and 31%:Unabhängigen unter den "likely voters" angesetzt war (inzwischen liegt Bush bei der letzten Newsweek-Umfrage am 11.9. mit 49 zu 43 Prozent in Führung):

If we look at the three last Presidential elections, the spread was 34% Democrats, 34% Republicans and 33% Independents (in 1992 with Ross Perot in the race); 39% Democrats, 34% Republicans, and 27% Independents in 1996; and 39% Democrats, 35% Republicans and 26% Independents in 2000. While party identification can indeed change within the electorate, there is no evidence anywhere to suggest that Democrats will only represent 31% of the total vote this year. In fact, other competitors have gone in the opposite direction. The Los Angeles Times released a poll in June of this year with 38% Democrats and only 25% Republicans. And Gallup's party identification figures have been all over the place.

Umfragen: Mit Vorsicht zu genießen

Spricht das alles für einen BIAS zugunsten von Bush und den Republikanern bei vielen Mainstreammedien und Meinungsforschungsinstituten? Steve Soto geht davon aus und wirft Gallup vor, eine Desinformationskampagne zu betreiben. Den Medien könnte man Naivität vorwerfen, weil sie ohne kritische Überprüfung der Methode einfach die Ergebnisse veröffentlichen. Bei Gallup scheint dies fast auf der Hand zu liegen, wenn von der einen Umfrage zur nächsten ein Vorsprung von Bush erhalten wird, auch wenn er geschrumpft ist, indem davon ausgegangen wird, dass in den 10 Tagen mehr Bürger sich den Republikanern zugewendet haben.

Allerdings könnten Gallup und Co. mit ihren Umfrageergebnissen zugunsten von Bush durch eine günstige Gewichtung auch Wahlhilfe für Kerry betreiben. Wenn der Sieg für Bush sicher zu sein scheint, gehen vielleicht weniger Bush-Anhänger zur Wahl, weil er ja eh gewinnen wird, während Kerry-Anhänger oder bislang Unentschiedene sich stärker beteiligen. Aber das ist alles wilde Spekulation. Um so wichtiger wäre natürlich, dass die Medien, die eine gewisse Verantwortung übernehmen, nicht nur einfach schnell Umfrageergebnisse wiedergeben, sondern sie auch methodisch bewerten. Das aber findet praktisch nicht statt, vielleicht auch aus dem Grund, dass die Medienkonsumenten wegen ihrer scheinbaren Objektivität beeindruckende Zahlen viel interessanter finden als deren Zustandekommen.

Das Meinungsforschungsinstitut Ipsos fügt allerdings der Gewichtung ein weiteres Argument bei, nämlich dass sich zumindest nach dem Parteitag der Republikaner mehr Menschen als diesen stärker zugeneigt beschrieben hätten. So hatten sich bei einer AP-Ipsos-Umfrage im August des Jahres 50 Prozent der Befragten als Demokraten bezeichnet und 44 Prozent als Republikaner. Im September hatte sich das Verhältnis praktisch umgekehrt. Ende 2003 seien es etwa gleich viele gewesen, davor hätten sich mehr den Demokraten zugeneigt. Das aber kann sich jederzeit wieder ändern.

Das erste der insgesamt drei Fernsehduelle zwischen Bush und Kerry wird am Donnerstag stattfinden, eine von beiden Seiten perfekt durchorganisierte und -inszenierte Show, die aber noch einiges bewirken kann. Das ist spannend nicht nur im Hinblick darauf, wer nun wirklich die Wahlen gewinnen wird, sondern auch darauf, wie die Umfragen ausfallen werden und mit welcher Gewichtung deren Ergebnisse zustand kommen. Wichtig dürfte nur sein, dass man sich nicht zu sehr auf die Umfragen verlassen sollte, die gleichwohl für die Politik das darstellen, was für viele der Wetterbericht ist: eine wichtige Orientierung.

Aufwind hat die Kritik an den Gallup-Umfragen für CNN und USAToday nun auch durch MoveOn, eine Organisation, die Intrenetkampagnen gegen Bush organisiert (Die Rache der fliegenden Toaster). Sie hat in der heutigen Ausgabe der New York Times eine ganzseitige Anzeige mit dem Text geschaltet:

"Gallup-ing to the Right. Why does America's top pollster keep getting it wrong?"

Gallup wird die Verwendung falscher Ausgangszahlen vorgeworfen, wie dies auch andere Kritiker gemacht haben. Zudem werden CNN und USAToday gegeißelt, weil sie die Gallup-Umfragen einfach übernehmen. Das sei auch deswegen wichtig, weil Gallup mit den Umfragen nicht nur die Wähler beeinflusse, sondern auch beauftragt wurde, das Publikum für das Fernsehduell am 8 . Oktober auszusuchen. Gallup sei überdies ein evangelischer Christ, der gesagt haben soll, dass seine Umfrage für ihn einen "Gottesdienst" darstellen. Das Wichtigste sei an seinen Umfragen zu erkennen, "wie die Menschen zu Gott stehen".

Frank Newport, Chefredakteur von Gallup Poll, entgegnete, dass die Kritiker nichts von den wissenschaftlichen Grundlagen verstünden. Die angewzeifelten Annahmen seien das Ergebnisse langer Expertendiskussionen und Jahre langer Forschung. Man habe keine exakten Daten über die Parteiorientierung der Wähler und müsse diese gewichten und mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit versehen. Die Parteiorientierung sei eine Frage der Einstellung, die sich ändern könne, weswegen unterschiedliche Zahlen zustande kämen. Detailliert auf die Kritik ging er allerdings nicht ein.