Bye-bye, Berliner Mietendeckel!

Demonstration gegen "Mietenwahnsinn" am 6. April 2019 in Berlin. Bild: Leonhard Lenz, CC0 1.0

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Land Berlin die Kompetenz abgesprochen, per Gesetz die Miethöhen zu regulieren. Nun ist guter Rat teuer

Die Party ist vorbei, der Kater dürfte gewaltig sein. Das Bundesverfassungsgericht hat das im Februar 2020 in Kraft getretene Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) für nichtig erklärt. Und zwar nicht nur in Teilen, mit Optionen auf eine "Nachbesserung", sondern grundlegend und ohne Hintertür.

Für die betroffenen Mieter ist das ein Schock. Denn der im Januar 2020 vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedete Mietendeckel versprach wenigstens für fünf Jahre Schutz vor weiteren Mieterhöhungen und eröffnete in seiner seit November 2020 geltenden 2. Stufe auch die Möglichkeit, überhöhte Mieten abzusenken.

Für insgesamt 1,5 Millionen Mietwohnungen wurden nach Baualtersklassen und Ausstattungsmerkmalen gestaffelte Höchstmieten festgelegt, die auch für Neuvermietungen verbindlich waren. Ausgenommen waren lediglich Neubauten (ab 2014)

Steiniger Weg von der Idee bis zum Gesetz

Für die rot-rot-grüne Regierung war der Mietendeckel das wichtigste Referenzprojekt. Es begann im November 2018, als der auf Miet- und Wohnungsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Peter Weber in einer juristischen Fachzeitschrift einen Artikel veröffentlicht, in dem unter Bezugnahme auf die Föderalismusreform von 2006 die Möglichkeiten einer Mietpreisregulierung auf Landesebene dargelegt wurden. Linke und Grüne zeigten sich zunächst skeptisch.

Dafür erkannten einige SPD-Politiker die Chance, sich als Anwalt der Interessen der Mieter zu profilieren. Im Januar 2019 veröffentlichte die damalige Berliner Bundestagsabgeordnete und heutige Wehrbeauftragte des Bundes, Eva Högl, einen Gastartikel im Tagesspiegel, in dem die Grundzüge eines möglichen Gesetzes für ein mehrjähriges Mietenmoratorium skizziert wurden.

Doch die auch in der SPD traditionell gut vernetzte Immobilienlobby machte postwendend mobil, und versuchte den Vorstoß zu kippen. Da sprang dann die Linke in die Bresche, und setzte sich an die Spitze der Bewegung. Schließlich stiegen auch SPD und Grüne mit ins Boot, denen wohl dämmerte, dass die Ablehnung einer durchgreifenden Mietenregulierung auch den eigenen Klientelen kaum zu vermitteln wäre. Für die SPD galt es auch, in ihren Augen schlimmeren Schaden zu verhindern, denn just in dieser Zeit sorgte auch die in der Bevölkerung recht populäre Initiative "Deutsche Wohnen&Co enteignen", die ein entsprechendes Volksbegehren anstrebt und derzeit Unterschriften dafür sammelt, für Furore. Der in Teilen der SPD skeptisch beäugte Mietendeckel war der Preis, den die Partei zahlen musste, um sich die ungeliebte Initiative vom Leib zu halten.

Dass die Oppositionsparteien CDU und FDP sowie die Immobilienwirtschaft Sturm gegen dieses Gesetz liefen und nach dessen Verabschiedung Verfassungsklagen in Karlsruhe einreichten, kann nicht verwundern. Es entbrannte eine "Gutachterschlacht", vor allem um die Frage, ob das Land Berlin überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für Mietregulierungen hat. Eine Frage, die das Verfassungsgericht jetzt kategorisch verneint hat.

Hoffnung geplatzt, Berliner Senat blamiert

Der Berliner Senat, der sich vor der eigentlich erst im Juni erwarteten Karlsruher Entscheidung betont optimistisch gab, steht jetzt splitternackt da. Denn der von explodierenden Mieten, dramatischer Wohnungsknappheit und skandalös niedrigen Neubauzahlen besonders im unteren Preissegment geprägte Berlin Wohnungsmarkt ist und bleibt eine soziale Zeitbombe. Hoffnung vieler Mieter auf künftig kalkulierbare und bezahlbare Mieten zerplatzten heute wie eine Seifenblase.

Viele müssen sogar mit saftigen Nachforderungen rechnen, da die im Mietendeckel festgelegten Obergrenzen für Bestands- und Neuvertragsmieten von vornherein rechtswidrig waren. Und auch in einigen anderen Bundesländern, die mit Spannung auf das Urteil gewartet haben, können bereits existierende Pläne für Landesgesetze zur Mietenregulierung endgültig ad acta gelegt werden.

In den kommenden Wahlkämpfen wird die Wohnungspolitik eine zentrale Rolle spielen. Auch im Bund, aber besonders in Berlin. Paradoxerweise könnte dort ausgerechnet die Linke vom Scheitern ihres Referenzprojektes profitieren. Denn sie unterstützt als einzige Partei vehement das Enteignungsvolksbegehren, das nach dem Ende des Mietendeckels noch mehr Berlinern als ohnehin schon als adäquate Antwort auf das unerträgliche Agieren der Immobilienwirtschaft erscheinen wird.

Meistert die Initiative bis Ende Juni die Hürde von 170.000 gültigen Unterstützungsvolksbegehren, könnte ein entsprechender Volksentscheid am 26. September, parallel zu den Abgeordnetenhauswahlen stattfinden.

Kurzfristige Entlastung wird dies den betroffenen Mietern aber selbst im Erfolgsfall nicht bringen, langwierige Prozesse sind programmiert und letztendlich wird wohl erneut Karlsruhe das letzte Wort sprechen. Es ist auch keineswegs ausgemacht, ob es in Berlin nach den Wahlen eine Neuauflage der rot-rot-grünen Koalition geben wird, die die Umsetzung dieses Volksentscheids ernsthaft betreiben würde.

Und bei aller Wut und Enttäuschung über den gecancelten Mietendeckel darf eines auch von Mieteraktivisten nicht aus den Augen verloren werden. Neben Mietpreisregulierungen auf Bundesebene bleibt forcierter Neubau im unteren Preissegment, am besten in unmittelbarer kommunaler Trägerschaft, das wichtigste Instrument im Kampf gegen die Wohnungskrise.

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