CCS in Europa: Ein riskantes Spiel mit hohen Kosten und unsicherer Technik
Europa setzt auf CO2-Speicherung. Bis 2050 sollen 554 Mio. Tonnen CO2 jährlich abgeschieden werden. Doch die Pläne könnten auf Sand gebaut sein.
Carbon Capture and Storage (CCS), also die Abscheidung und Speicherung von CO2, soll eine tragende Säule auf Europas Weg zur Klimaneutralität werden.
Die Ziele sind ehrgeizig: Bis 2050 wollen die EU und Großbritannien mit CCS jährlich 554 Millionen Tonnen CO2 abscheiden und speichern. Das entspricht 13 Prozent der gesamten EU-Emissionen im Jahr 2022 und fast einem Viertel der britischen Emissionen, wie aus einer Analyse des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) hervorgeht.
Technik bisher nicht ausgereift und zu teuer
Um diese Ziele zu erreichen, müsste CCS jedoch in großem Maßstab und sektorübergreifend funktionieren, was bisher nicht der Fall ist. Zwar wird CCS bereits seit 1971, primär in der Öl- und Gasindustrie, eingesetzt. Doch in anderen Sektoren, in denen die Technologie nun zum Einsatz kommen soll, ist sie weitgehend unerprobt.
Die IEEFA warnt in ihrem Bericht: Die meisten geplanten Anwendungen befinden sich noch im Prototypen- oder Demonstrationsstadium, es fehlen Testfälle, Gesetze und Standards. Zudem sei CCS schlicht zu teuer, um kommerziell zu funktionieren.
Hinzu kommt die hohe Komplexität der geplanten CCS-Wertschöpfungskette: Viele technisch und wirtschaftlich anspruchsvolle Einzelprojekte müssen gleichzeitig in sogenannten Clustern zusammenarbeiten.
"Es besteht die Gefahr, dass die Menge des abgeschiedenen Kohlendioxids nicht wie geplant ausfällt, wenn man sich auf verschiedene Abscheidungsstandorte mit unterschiedlichem Zuverlässigkeitsgrad verlässt", sagt Andrew Reid, Energiefinanzanalyst bei IEEFA und Autor des Berichts. Geringere Mengen würden sich wiederum auf die Rentabilität und wirtschaftliche Tragfähigkeit der Transport- und Speicherbetreiber auswirken.
Steuerzahler müssten Milliarden zuschießen
Laut IEEFA gibt es in Europa fast 200 potenzielle CCS-Projekte, die auf die Abscheidung und Speicherung von mehr als 150 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abzielen. Mehr als 90 Prozent davon stammen aus Sektoren, in denen sich die Technologie bestenfalls im Prototypen- oder Demonstrationsstadium befindet.
Die Kosten für Abscheidung, Transport und Speicherung liegen bei durchschnittlich 198 US-Dollar pro Tonne CO2, doppelt so hoch wie der prognostizierte CO2-Preis von 105 US-Dollar pro Tonne für den Rest des Jahrzehnts.
Insgesamt schätzt die IEEFA die Gesamtkosten für europäische CCS-Projekte auf 520 Milliarden Euro. Finanzielle Anreize wie reduzierte Zahlungen im Rahmen des Emissionshandels könnten zwar etwa drei Viertel der Projektkosten decken. Für den Rest müssten aber die Regierungen aufkommen, was die Steuerzahler bis zu 140 Milliarden Euro kosten könnte.
Reid warnt: "Wenn wir uns auf CCS als Lösung für den Klimawandel verlassen, werden die europäischen Regierungen gezwungen sein, horrende Subventionen zu zahlen, um eine Technologie zu unterstützen, die in der Vergangenheit gescheitert ist."
Zweifel an der Umsetzbarkeit der Pläne
Dass die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen real sind, zeigt die geringe Zahl der europäischen CCS-Projekte, die in Betrieb oder im Bau sind. In den Niederlanden haben sich die Kosten für ein Bauprojekt mehr als verdoppelt, während eine CO2-Abscheideanlage in einem Zementwerk in Norwegen wegen Kostensteigerungen verschoben werden musste. Die oft als Erfolg gefeierten Offshore-Speicher in Norwegen haben mit technischen Problemen zu kämpfen, die das Erreichen der Speicherkapazität verhindern oder verzögern.
Um die Ziele zu erreichen, müssten bis 2030 etwa 90 CCS-Anlagen in der EU und Großbritannien in Betrieb sein. Derzeit gibt es in der EU drei betriebsbereite CCS-Projekte, in Großbritannien keines. Die vorgeschlagenen Zeitpläne für europäische Projekte seien zu optimistisch, kritisiert die IEEFA – trotz der offensichtlichen Herausforderungen und der jüngsten Misserfolge bei kleineren, weniger komplexen Projekten.
Die IEEFA warnt: Das größte Risiko besteht darin, dass es zu spät sein könnte, den Kurs zu ändern und die Emissionen durch alternative Maßnahmen zu verringern oder zu reduzieren, wenn sich herausstellt, dass CCS nicht wie erhofft zum Erreichen der Klimaziele beiträgt. "Die politischen Entscheidungsträger sollten dringend nach praktikableren Lösungen suchen", fordert Andrew Reid.