CO2-Anstieg lässt Nährstoffe in Pflanzen schwinden

Grashüpfer und Reagenzglas mit Chemischen Elementen

CO2-Anstieg lässt Pflanzen zwar üppiger wachsen, doch ihr Nährstoffgehalt sinkt. Pflanzenfresser leiden unter dem Mangel. Droht ein Zusammenbruch ganzer Ökosysteme?

Ein Grashüpfer in der Prärie von Kansas frisst heute nicht dasselbe Gras wie vor hundert Jahren. Denn es enthält weniger Nährstoffe und Mineralien. Hauptursache ist das Kohlendioxid, dessen Gehalt in der Atmosphäre den höchsten Stand in der Geschichte der Menschheit erreicht hat.

Infolge des Nährstoffmangels in den Futterpflanzen ging die Zahl der Heuschrecken innerhalb von zwei Jahrzehnten um mehr als ein Drittel zurück, und das, obwohl sich die Pflanzenbiomasse im selben Zeitraum verdoppelte. So lautet das Ergebnis einer 2020 veröffentlichten Studie.

Ein Wissenschaftlerteam um Michael Kaspari, Ökologe an der University of Oklahoma, untersuchte, inwieweit Pflanzenfresser wie Heuschrecken und grasende Säugetiere davon betroffen sind. Die wenigen vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass die Nährstoffverdünnung weitreichende Probleme verursachen könnte.

Ort der Untersuchung war die Konza-Prärie, im Nordosten von Kansas – Lebensraum für Gräser, Sträucher, Bäume, Nagetiere, Vögel, Eidechsen und Rehe. Neben der Flora untersuchten Kaspari und seine Kollegen anhand von 93.000 Insekten, wie sich die Insektenwelt innerhalb von drei Jahrzehnten entwickelte.

Demnach hatte sich seit Mitte der 1980er Jahre bis 2016 zwar die pflanzliche Biomasse – vorwiegend Grass – verdoppelt. Gleichzeitig ging die Heuschrecken-Populationen jedes Jahr um mehr als zwei Prozent zurück.

Als Ursache dafür erkannten die Forscher einen abnehmenden Nährstoff- und Mineraliengehalt in den Gräsern: So nahmen mehrere Elemente wie Stickstoff, Phosphor, Kalium und Natrium, die Heuschrecken benötigen, im selben Zeitraum ab. Neben anderen Faktoren, die eine Rolle spielen, sei die Nährstoffverdünnung, die für etwa ein Viertel des Heuschreckenrückgangs verantwortlich war, schätzen die Forscher.

Mehr Kohlendioxid – weniger Nährstoffe in der Pflanze

Wissenschaftler pumpten jahrelang Kohlendioxid in Pflanzen und untersuchten anschließend ihren Nährstoffgehalt. Im Ergebnis steigerte sich der Kohlendioxidgehalt um etwa 200 Teile pro Million, die Pflanzenmasse um etwa 18 Prozent, während sich Inhaltsstoffe wie Stickstoff, Eiweiß, Zink, Eisen, Kalium und Kalzium verringerten.

Im Schnitt verlieren die Pflanzen bei erhöhtem Kohlendioxidgehalt etwa acht Prozent ihres Mineraliengehalts. Das sei, als würde man eine Schüssel nahrhaften Grünkohlsalats gegen eine Schüssel nährstoffarmen Eisbergsalat tauschen, erklärt Michael Kaspari, der 2021 im Annual Review of Ecology, Evolution and Systematics die Bedeutung von Mikronährstoffen wie Kalzium und Eisen in nordamerikanischen Ökosystemen erörterte.

Stickstoffverfügbarkeit nimmt auch in natürlichen Ökosystemen ab

Weltweit wurde von Wissenschaftlern beobachtet, dass natürliche Ökosysteme immer weniger Nährstoffe enthalten – in Bäumen, Gräsern und wilden Pflanzenarten.

Beispiel Stickstoff: Als Dünger auf den Äckern ausgebracht, wird er in benachbarte Gewässer oder Naturschutzgebiete ausgewaschen. Forscher untersuchten den Stickstoffgehalt in mehr als 43.000 Blattproben, die zwischen 1980 und 2017 gesammelt wurden.

Im genannten Zeitraum war der atmosphärische Kohlendioxidgehalt um fast 20 Prozent gestiegen, die Stickstoffkonzentration in den Blättern jedoch um neun Prozent gesunken. Der verminderte Stickstoffgehalt in Pflanzen deutet auf einen geringeren Eiweißgehalt hin, sagen Wissenschaftler. Andere Studien zeigen einen Mangel an Phosphor und anderen Spurenelementen auf. Ferner beobachteten die Forscher in Blattproben zwischen 1992 und 2009 einen zurückgehenden Gehalt an Mineralien – darunter Kalzium, Magnesium und Kalium.

Goldrute: Mehr Kohlendioxid führt zu proteinarmen Pollen

Im Jahre 1842, kurz vor der industriellen Revolution, lag der Kohlendioxidgehalt bei 280 Teilen pro Million, heute liegt er knapp über 420. Zu diesem Ergebnis kam das Team um Lewis Ziska, das anhand von Sammlungen des Naturkundemuseums der Smithsonian Institution in Washington Pollen der Goldrute analysierte – die als Nahrungsquelle für Bienen dient.

Der Proteingehalt der Pollen und damit der Nährstoffgehalt nahm im Laufe der Zeit um etwa ein Drittel ab. Bei neueren Experimenten mit der Goldrute stieg der Kohlendioxidwert sogar bis zu 500 Teilen pro Million.

Über ihre Spaltöffnungen nehmen Pflanzen Kohlendioxid und Zucker auf, den sie für den Rest des Aufbaus ihrer Strukturen benötigen, erklärt der Pflanzenphysiologe von der Columbia University in New York City.

Bei hohem Kohlendioxidgehalt aber verlieren die Wurzelmoleküle an Kapazität, weshalb sie weniger effizient Mineralien und andere Elemente aufnehmen können. Infolgedessen werden weniger Spurenelemente aus dem Boden in die Stängel und Blätter transportiert. Gleichzeitig verdunsten die Pflanzen weniger Wasser.

Insekten vermehren sich schlechter bei Mineralienmangel

"Wenn Insekten unter Nährstoffstress stehen, wachsen sie nicht so schnell, werden nicht so schnell geschlechtsreif und vermehren sich weniger schnell", erklärt Andrew Elmore, Ökologe am University of Maryland Center for Environmental Science in Frostburg.

So benötigen Bienen außer Proteinen auch Mikronährstoffe. Bestimmte Mineralien wie Natrium sind für Tiere wichtiger als für Pflanzen. Während viele Pflanzen ganz ohne Natrium auskommen, benötigen Tiere Natrium, damit Gehirn und Muskeln richtig funktionieren. Rinder lecken etwa gerne Salzsteine. Ähnliches gilt für Jod, das Tiere und Menschen für die Schilddrüsenfunktion benötigen.

Auch Lebewesen am oberen Ende der Nahrungskette sind betroffen

Die Population der Vögel in der o. g. Konza-Prärie reduzierte sich von 65 im Jahr 1980 auf weniger als 20 Individuen im Jahr 2021, glaubt man der Vogelökologin Alice Boyle von der Kansas State University in Manhattan. Demnach könnten die Bestände, die sie mit ihrem Team untersuchte, innerhalb von 100 Jahren aus der Prärie verschwinden.

Über die Auswirkungen der Nährstoffverdünnung auf große Pflanzenfresser wie Rehe ist weniger bekannt. Doch in einer Langzeitanalyse über Kuhmist untersuchte der Weideökologe Jay Angerer in Texas A&M Agrilife Research in Temple Kuhfladen mit mehr als 36.000 Messungen über mindestens 22 Jahre. Ergebnis: Seit 1994, als der Kohlendioxidgehalt bei etwa 360 Teilen pro Million lag, war die Konzentration von Rohprotein in den Kuhfladenproben um nahezu zehn Prozent gesunken.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf natürliche Ökosysteme aus?

Während einige Organismen davon profitieren, sind andere benachteiligt, glauben die Wissenschaftler. So scheinen die Heuschrecken aus o. g. Studie darunter zu leiden, während andere – Pflanzen schädigende Heuschrecken – von einer weniger nährstoffreichen Ernährung zu profitieren scheinen. Wie geht der Planet damit um, wenn sich die Atmosphäre immer stärker mit Kohlendioxid anreichert?

Aktuell laufen diverse Studien, die genau das untersuchen: Das Projekt Nutrient Network etwa analysiert weltweit den Nährstoffhaushalt von Grasland und die Populationen von Pflanzenfressern, um den Zusammenhang zwischen Pflanzenwachstum bzw. -vielfalt und dem Einfluss von Weidetieren besser zu verstehen. Und das Cedar Creek Ecosystem Science Reserve an der Universität von Minnesota analysiert seit mehr als vierzig Jahren, wie Ökosysteme auf Umweltveränderungen mit mehr Kohlendioxid reagieren.

Abnehmender Nährstoffgehalt infolge intensiver Agrarwirtschaft

In mehrjährigen Untersuchungen aus den USA, Großbritannien und Australien wurden in einigen Obst-, Gemüse- und Getreidesorten ein niedrigerer Vitamin- und Mineralstoffgehalt festgestellt als noch in den 1950er Jahren.

Gemüse und Getreide seien ärmer an Vitaminen und Mineralstoffen. Man müsse die zehnfache Menge davon essen, um die gleiche Nährstoffmenge wie früher aufzunehmen. Der Gehalt an Vitalstoffen falle seit den 1970er Jahren rapide. Menschen greifen daher immer öfter zu Nahrungsergänzungsmitteln und speziellen Vitaminsäften.

Eine Ursache könnte in der intensiven Landwirtschaft mit ihren Hochertragssorten und verkürzten Getreidehalmen liegen. Während mehr Getreide mit höherem Stärkegehalt produziert wurde, sinkt der Gehalt an Mikronährstoffen, weil die Pflanzen weniger davon aufnehmen.

Ausgelaugte und schadstoffbelastete Böden führten zu einem drastischen Verlust an Pflanzeninhaltsstoffen. Auch könnten unreif geerntete Früchte, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, gentechnisch verändertes Saatgut, UV-Bestrahlung, lange Transportwege und Lagerzeiten zu Nährstoffverlusten beitragen.