Cannabis im Gehirn: Lassen Sie Ihren Körper mehr kiffen

Philipp Hahnenberg
Zeichnung eines Kopfes mit einem auf Drehrad am Hinterkopf, im Kopf Marihuanablätter

Völlig legal, weil körpererigen. Bild: Lightspring/ Shutterstock.com

Stress macht krank, Bewegung hilft.Das ist bekannt. Doch nun haben Forscher entdeckt, was dabei im Gehirn passiert.

Stress ist allgegenwärtig in unserer heutigen Gesellschaft und kann ernsthafte Auswirkungen auf unsere psychische Gesundheit haben. Doch warum entwickeln manche Menschen unter chronischem Stress Angstzustände und Depressionen, während andere erstaunlich widerstandsfähig bleiben?

Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Antwort in unserem Gehirn zu finden ist – genauer gesagt in bestimmten Proteinen, die als Cannabinoid-Rezeptoren fungieren.

Die Rolle der Blut-Hirn-Schranke

Eine entscheidende Rolle scheint dabei die Blut-Hirn-Schranke zu spielen, wie ein Forschungsteam der Université Laval unter Leitung von Prof. Caroline Ménard in einer kürzlich in Nature Neuroscience veröffentlichten Studie herausfand. Diese dynamische Struktur kontrolliert den Austausch von Molekülen zwischen Blutkreislauf und Gehirn und enthält sogenannte CB1-Rezeptoren.

"Wird die Blut-Hirn-Schranke durch chronischen Stress beeinträchtigt, gelangen vermehrt Entzündungsmoleküle ins Gehirn und es können Angstzustände sowie depressive Symptome auftreten", erklärt Prof. Ménard. Die Studie zeigte jedoch, dass stressresistente Mäuse eine höhere Anzahl an CB1-Rezeptoren in ihrer Blut-Hirn-Schranke aufwiesen als gestresste oder ungestresste Mäuse mit depressionsähnlichem Verhalten.

Astrozyten als Schutzschild

Die CB1-Rezeptoren befinden sich hauptsächlich in den Astrozyten – sternförmigen Zellen, die eine Verbindung zwischen den Blutgefäßen und Neuronen im Gehirn herstellen. "Astrozyten sind ein wesentlicher Bestandteil der Schranke", betont Ménard. "Wir stellten fest, dass Mäuse, die gegenüber Stress widerstandsfähig waren, mehr CB1-Rezeptoren in der Schranke hatten."

Das Forschungsteam entwickelte einen viralen Vektor, der gezielt die Expression von CB1-Rezeptoren in den Astrozyten von Mäusen erhöhte. Diese gentechnisch veränderten Mäuse zeigten nach drei Wochen eine Verdoppelung der CB1-Rezeptoren in ihren Astrozyten. "Bei diesen Mäusen waren sowohl die Grundangstniveaus als auch die durch sozialen Stress ausgelösten Symptome von Angst und depressionsähnlichem Verhalten reduziert", fasst Ménard zusammen.

Körpereigene Cannabinoide als Stressregulatoren

Dass die CB1-Rezeptoren eine Schlüsselrolle bei der Stressanpassung spielen, bestätigte schon eine im Jahr 2023 veröffentlichte Studie der Northwestern University. Die Forscher fanden heraus, dass das Gehirn unter Stress körpereigene Cannabinoid-Moleküle freisetzt, die eine beruhigende Wirkung entfalten, indem sie die gleichen Rezeptoren aktivieren wie THC aus Cannabispflanzen.

Konkret zeigte die Studie, dass die Amygdala – ein Emotionszentrum im Gehirn – bei Stress endogene Cannabinoide ausschüttet. Diese dämpfen wiederum die eingehenden Stresssignale aus dem Hippocampus, einer Region, die für Gedächtnis und Emotionen zuständig ist. "Diese Ergebnisse stützen die Hypothese, dass die körpereigenen Cannabinoid-Moleküle eine natürliche Reaktion des Körpers auf Stress darstellen", erklärt Studienleiter Sachi Patel.

Neue Ansätze für die Behandlung

Beide Studien legen nahe, dass eine Störung dieses endogenen Cannabinoid-Signalsystems im Gehirn die Anfälligkeit für stressbedingte psychische Erkrankungen wie Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) erhöhen könnte. Die gezielte Aktivierung von CB1-Rezeptoren in Astrozyten könnte daher ein vielversprechender Ansatz für die Entwicklung neuer Therapien sein.

"Die Herausforderung besteht jedoch darin, die Wirkung auf die Astrozyten zu beschränken, da eine starke und langanhaltende Aktivierung derselben Rezeptoren in Neuronen Nebenwirkungen haben kann, insbesondere auf Wachsamkeit, Angst und Appetit", gibt Ménard zu bedenken. Bis ein Molekül gefunden ist, das spezifisch auf CB1-Rezeptoren in Astrozyten wirkt, empfiehlt sie körperliche Aktivität als wirksame Methode, um die negativen Auswirkungen von Stress abzumildern.

Bewegung als Schutzfaktor

Tatsächlich zeigte die Studie der Université Laval, dass Mäuse, die Zugang zu einem Laufrad hatten oder mit Antidepressiva behandelt wurden, ebenfalls erhöhte CB1-Rezeptoren in ihren Astrozyten aufwiesen. Dies unterstreicht die Bedeutung eines gesunden Lebensstils mit ausreichend Bewegung für die psychische Widerstandsfähigkeit.

Die aktuellen Forschungsergebnisse liefern wertvolle Einblicke in die biologischen Mechanismen, die unsere Stressresistenz beeinflussen. Sie zeigen, wie komplex das Zusammenspiel verschiedener Faktoren im Gehirn ist und eröffnen neue Möglichkeiten für die Entwicklung zielgerichteter Therapien.

Gleichzeitig machen sie deutlich, dass wir selbst viel für unsere mentale Gesundheit tun können, indem wir auf einen aktiven Lebensstil achten. Regelmäßige Bewegung – sei es durch Sport oder einfach durch einen Spaziergang an der frischen Luft – kann uns helfen, besser mit den Herausforderungen des Alltags umzugehen und unsere innere Balance zu bewahren.