Chaos-Tage im MDR – Intendant Ludwig ist angezählt

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Der MDR steckt in der Krise. Die Wahl zur neuen Programmdirektorin ist gescheitert. Ein Plan B fehlt.
Als die Rundfunkratsmitglieder MDR am vergangenen Montag zum Sitzungssaal in Leipzig kamen, sahen sie vor der Tür: Der Blumenstrauß war bereit, die Fotowand aufgebaut und ein Kamerateam wartete. Manche fühlten sich an DDR-Zeiten erinnert: Sie sollten abnicken, was schon beschlossen war. Beschlossen durch Intendanten und Direktoren des Mitteldeutschen Rundfunks.
Doch der 10. Februar 2025 ging in die Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein – als Tag, an dem ein Kontrollgremium seine Funktion wahrgenommen und ein Stopp-Zeichen gesendet hat. Der Rundfunkrat des MDR sagte Nein zu den Plänen der Geschäftsleitung. Ein seltener Vorgang.
Seit Gründung des MDR 1992 war es erst einmal vorgekommen. 2011 fiel Bernd Hilder bei der Wahl als Intendant durch.
Gehalt von 249 000 Euro
Auch diesmal geht es um eine Personalie: Jana Brandt. Die ist Programmdirektorin in Halle und verantwortet seit vier Jahren den Bereich Hörfunk, Wissen, Bildung sowie Kultur und Jugend. Nebenbei leitete sie seit zehn Monaten kommissarisch den Programmbereich Leipzig, wo das Fernsehen und die digitalen Angebote entstehen.
Dafür erhält sie 30 000 Euro im Jahr zusätzlich zu ihrem Gehalt von fast 249 000 Euro. Damit verdient Brandt mehr als Ulrike Demmer, die Intendantin des RBB. Im Sender stößt das vielen Mitarbeitern sauer auf – will der MDR doch in den nächsten vier Jahren 160 Millionen Euro sparen.
Nun sollten die Rundfunkräte Brandt zur neuen Superdirektorin des MDR küren. Brandt sollte ab 1. März offiziell beide Direktionen führen. So stand es auf der eilig geänderten Tagesordnung. Statt wie üblich 17 Tage vorher wurde sie vier Tage zuvor zugestellt.
Die Rundfunkräte hofften auf eine Präsentation Brandts wie sie sich die Fusion der beiden wichtigsten Direktionen des MDR vorstellt. Doch sie bekamen keine konkreten Zukunftspläne.
Das rächte sich. Brandt hätte eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt. Doch im ersten Wahlgang erhielt sie nur 24 Stimmen der 40 Anwesenden. Im zweiten Wahlgang 26 Stimmen. Eine fehlte. Doch der Vorschlag der Rundfunkräte, die Entscheidung auf die nächste Sitzung zu vertagen, wurde vom Intendanten abgelehnt. Stattdessen Brandt in den dritten Wahlgang geschickt: wieder nur 25 Stimmen.
Mit dem Kopf durch die Wand
Intendant Ludwig warf den Rundfunkräten daraufhin emotional vor, gegen die Strukturreform zu sein. Auch im HR und im RBB gebe es nur eine Programmdirektion. Das weisen die Rundfunkräte zurück.
"Wir sind überhaupt nicht gegen notwendige Reformen. Da hätte es null Gegenstimmen gegeben. Wir sind gegen das Prozedere, ohne klare Strukturvorgaben und ein Konzept eine Personalie zu beschließen. Doch Geschäftsführung wollte mit dem Kopf durch die Wand", so ein Rundfunkrat.
Dazu kommt: Wie viel die neue Super-Direktorin verdient hätte, war geheim. Die Rundfunkräte sollten nur die Personalie abnicken. Den Vertrag mit allen Details hätte später der Verwaltungsrat in geheimer Sitzung abgenickt.
Auch die Rundfunkräte wissen: Es gibt viele Beschwerden über den Führungsstil von Brandt. Sie gilt als egozentrisch und cholerisch. Die missglückte Inthronisierung von Thilo Mischke als Moderator von TTT in der ARD hat auch Jana Brandt verbockt.
Sie ist die zuständige Koordinatorin in der ARD für Kultur und wollte Mischke gegen den Willen der Kulturredaktionen durchsetzen – um dann bei öffentlichem Gegenwind einzuknicken.
Kein Moderator mehr im Studio
Brandt verdankt ihre Erfolge dem fiktionalen TV. Mit Kultur und Radio sowie Orchester und Chor – ihrer Direktion - hat sie wenig am Hut. In den Redaktionen hat man sie kaum wahrgenommen. Stattdessen wurden umstrittene Entscheidungen gefällt: wie eine Programmreform bei MDR Kultur.
Seit dem 3. Februar sind ganze Sendestrecken nicht mehr live, sondern aufgezeichnet – auch tagsüber. "Was, wenn jetzt etwas wie der Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg passiert. Wir könnten gar nicht aktuell reagieren, es sitzt ja kein Moderator mehr im Studio", fragt eine besorgte Radio-Redakteurin.
Wie kann es nun weitergehen? Der MDR teilt auf Anfrage nur nebulös mit:
"Über das weitere Vorgehen wird die Geschäftsleitung des MDR beraten und entscheiden."
Die einfachste Lösung wäre, die Stelle des Programmdirektors in Leipzig auszuschreiben. Doch das ist erst ab Januar 2026 möglich. Denn der frühere Programmdirektor Klaus Brinkbäumer ist zwar nicht mehr im Amt, erhält aber weiter sein Gehalt in Höhe von 219.000 Euro.
Als Gegenleistung moderiert er die Talkshow Riverboat und berichtete über die US-Wahl. Seit Trumps-Amtsübernahme ist er im Urlaub.
"Das war eine dämliche Entscheidung. Vom Gehalt Brinkbäumers könnte man drei Redakteure bezahlen", empört sich ein Redakteur. Der MDR verteidigt sich:
Herr Brinkbäumer bringt sich kontinuierlich mit journalistischen Vorschlägen und Themen in die redaktionelle Arbeit ein. Er kommt als Moderator, Experte und Schalt-Partner zum Einsatz und arbeitet zudem auch hintergründig.
Offen ist, ob Brandt noch einmal als Super-Direktorin antritt. Momentan werden Rundfunkräte angerufen: Was müssen wir tun, damit du Brandt wählst? Die Intendanz hofft auch, dass am 31. März die zehn Rundfunkräte anwesend sind, die in der letzten Sitzung gefehlt haben. Sie könnten Brandt wählen und ihr damit zur Zwei-Drittel-Mehrheit verhelfen.
Doch die Strategie ist riskant. Knickt der Rundfunkrat plötzlich doch ein, verliert er seine Glaubwürdigkeit. Und scheitert aber Brandt erneut, ist nicht nur sie, sondern auch Intendant Ludwig schwer angezählt, steckt der MDR in einer Führungskrise.
Schon jetzt hat die Niederlage Zweifel an der Führungsstärke von Ludwig, der erst seit 15 Monaten im Amt ist, aufkommen lassen. Brandts Vertrag in Halle läuft Ende des Jahres aus. Kaum vorstellbar, dass er bei einer weiteren Abstimmungsniederlage verlängert würde.
Es bleibt spannend beim MDR.