Chaos im Parlament
Griechenlands Politik schreitet auf Weimarer Verhältnisse zu
Der erste Tag der parlamentarischen Diskussion über die neuen Sparmaßnahmen begann chaotisch und mit turbulenten Gewaltszenen. Das Gesetzespaket, welches insgesamt elf Ministerien betrifft, soll im Eilverfahren bis Ende der Woche verabschiedet werden. Der Sparkurs wurde zur Nebensache, als sich im Plenum Szenen wie aus der Weimarer Republik abspielten.
Nikos Dendias, Fraktionsvorsitzender der Nea Dimokratia und als Bürgerschutzminister der Regierung von Antonis Samaras maßgeblich an der Strafverfolgung gegen die Goldene Morgenröte beteiligt, schritt am Abgeordnetenpult von Ilias Kasidiaris, dem Presse- und Fraktionssprecher der GM vorbei, als dieser eine Rede gegen die Sparmaßnahmen hielt. Der von Dendias gewählte Weg ist der kürzeste von seinem Pult zum Seitenausgang des Plenums.
Kasidiaris unterbrach seine Rede sofort: "Nicht vor mir!", rief er Dendias zu. In dem vom Parlamentsfernsehen übertragenen Video scheint es, als hätte Kasidiaris dabei Dendias mit der Hand gestoßen. Dieser drehte sich um, schaute Kasidiaris an. "Siehst Du nicht, dass ich rede!", herrschte Kasidiaris den verdutzten Dendias an. Er stieß den früheren Minister zur Seite, gleichzeitig überschütteten ihn seine Fraktionskollegen mit Wasser und bewarfen ihn mit leeren Wasserflaschen.
Kasidiaris Parteikollege Giannis Lagos rief: "Komm, hau hier ab." Christos Pappas, ebenfalls Fraktionssprecher der Goldenen Morgenröte fügte hinzu, "Was gehst du hier vorbei?" Kasidiaris rief "eeeee" und stieß Dendias erneut. Der von Kasidiaris geschubste Dendias fand sich zwei Reihen weiter unten wieder.
Tragikomisch wurde es, als der Vorsitzende des Ausschusses, Makis Balaouras, Minuten lang "Wache! Wache!" rief. Die Polizisten der Parlamentswache, die im Gegensatz zu ihren übrigen Kollegen auf den Straßen ein mehrfaches Gehalt erhalten, verspäteten sich. Vouli TV, der Fernsehkanal des Parlaments, unterbrach die Liveübertragung, um damit offensichtlich "die Ehre des Parlaments" zu wahren. Tatsächlich hatte der Regisseur des Programms, als Kasidiaris handgreiflich wurde, auf eine Totale geschaltet.
Die Parlamentswache griff, als sie endlich auftauchte, umso schärfer durch. Außer der gesamten Fraktion der Goldenen Morgenröte wurden auch sämtliche Journalisten entfernt. Dazu entfernten die Wachpolitzisten die Fotografen und Journalisten aus den für sie vorgesehenen Emporen des ersten Stockwerks und verschlossen die Eingänge.
Das Hohe Haus wünscht nicht, dass die chaotischen Bilder und Eindrücke um die Welt gehen. Vergessen wurden dagegen zwei Schulklassen, welche im zweiten Stock der Emporen der Sitzung beiwohnten. Kasidiaris, der bereits im Wahlkampf 2012 vor laufenden Fernsehkameras handgreiflich gegen die kommunistische Abgeordnete Liana Kanelli wurde und die damalige Abgeordnete des SYRIZA und jetzige Regionalpräsidentin von Attika mit einem Wasserglas bewarf, weigerte sich, den Saal zusammen mit der Wache zu verlassen. Er bestand darauf, dass er aus eigenen Stücken hinausgehe. Vor der Tür hatten Journalisten verbotenerweise mit ihren Mobiltelefon auf Video festgehalten, was beim Hinausgehen geschah.
Fotografieren oder gar Videos aufzuzeichnen ist laut Parlamentsregel auf allen Fluren verboten. Die außerhalb des von Kasidiaris genutzten Ausgangs stehende Wache tat ihr Bestes, um eine Videoaufzeichnung zu verhindern, es gelang nicht. "Ich habe gerade eine Schwuchtel da drin gefickt", rief Kasidiaris, "darum gehe ich nun voll Ekel über die Sparmemoranden, welche Griechenland in die Katastrophe gebracht haben." Bei seinen Wählern kommt diese Art gut an. Balaouras hatte ihm beim Hinausgehen zugerufen: "Raus! Sie beschmutzen das Parlament."