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Kevin McCarthy wurde von den eigenen Leuten in die Wüste geschickt. Es zeigt die Macht der Trump-Anhänger, ihren Willen zur Zerstörung. Was kommt jetzt?

Kevin McCarthy, der am Wochenende noch einen Regierungsstillstand verhindern konnte [1], wurde gestern aus dem Amt des Sprechers des US-Repräsentantenhauses entlassen [2]. Rechtsgerichtete Mitglieder seiner eigenen republikanischen Partei schickten ihn weniger als ein Jahr nach seiner Wahl in die Wüste.

Es ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass ein Sprecher des Repräsentantenhauses seines Amtes enthoben wurde. Die politische Revolte findet statt, während die Zustimmung der Amerikaner:innen zum Kongress und zur US-Regierung sich auf einem historischen Tiefstand befindet. Eine Mehrheit der Befragten gibt an [3], wenig oder kein Vertrauen in die Zukunft des politischen Systems der USA zu haben.

Die Abwahl legt vieles offen, die politischen Fehler McCarthys und zugleich den gescheiterten Versuch, die extremistischen Trump- und MAGA-Anhänger ("Make America Great Again") in der Partei einzubinden und zu befriedigen. Es zeigt auch, dass die Partei zunehmend unregierbar geworden ist.

Das hat konkrete Auswirkungen auf den Politikbetrieb in den Vereinigten Staaten, dem immer noch mächtigsten Land der Welt. So hatte McCarthy einen Deal mit den Demokraten geschlossen, den Regierungsstillstand abzuwenden, wenn die weitere Finanzierung des Ukraine-Kriegs ausgekoppelt und darüber später separat abgestimmt wird. "Ein neuer Sprecher wäre an diese Abmachung nicht gebunden", erklärt Norman Ornstein [4] vom American Enterprise Institute.

Über politische Blockaden hinaus lässt die revoltenartige Abwahl von McCarthy deutlich zutage treten, dass die Republikaner keine Partei mehr im klassischen Sinne sind, sondern eine "radikale Aufstandsbewegung", wie Ornstein und sein Kollege Thomas Mann vom Enterprise Institute detailliert analysiert haben [5].

Sie können auch gar nicht mehr mit dem Anspruch auftreten, irgendwelche Interessen und Bedürfnisse der allgemeinen Bevölkerung zu vertreten. Sie verabscheuen jegliche Form demokratischer Partizipation. Die sogenannte GOP ("Grand Old Party") ist zu einer politischen Organisation der Businessklasse mutiert, mit dem Zweck, ihr den Rücken freizuhalten und den Reichen die Taschen mit Geld vollzustopfen.

So brachten die Republikaner unter Präsident Donald Trump ein gigantisches Steuerentlastungspaket von 1,5 Billionen US-Dollar durch den Kongress, das die Oberschichten und Unternehmen entlastet, während die Gegenfinanzierung von den unteren Schichten der Bevölkerung durch Einsparungen erwirtschaftet werden muss [6].

Die Rand Corporation schätzt, dass in den USA seit den 1980er-Jahren 47 Billionen Dollar von der Normalbevölkerung zur obersten Einkommensspitze transferiert wurden [7]. Hinzu kommt der Diebstahl durch Steueroasen. Eine Studie vom Internationalen Währungsfonds (IWF) beziffert ihn auf rund 35 Billionen in den letzten 40 Jahren allein in den Vereinigten Staaten.

Prinzip verbrannte Erde

Von diesen Raubzügen erfuhr die Bevölkerung nichts. Sie wurde abgelenkt, hysterisiert und gespalten [8]: Waffenbesitz als heiliges Recht, für das Republikaner kämpfen. Religiöser Fanatismus und Kreationismus, der Abtreibungen als Ursünde anprangert. Immigranten als Bedrohung der Nation. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.

Das Chaos, das die GOP im Bann des Irrsterns Trump und seiner Extremistenbewegung in der Gesellschaft verbreiten will, um überhaupt Mehrheiten hinter sich versammeln zu können, frisst sich mehr und mehr in die Parteiorganisation hinein. Kritiker:innen von Trump und des Coup-Versuchs sind innerhalb der Republikaner isoliert. Die Tochter des früheren US-Vizepräsidenten Dick Cheney Liz Cheney, eine der wenigen prominenten Republikaner:innen, die sich gegen Trump ausgesprochen hat, konnte sich bei den parteiinternen Vorwahlen um einen Sitz im Repräsentantenhaus nicht durchsetzen.

Die Gretchenfrage ist nun: Wem nützt das republikanische Parteichaos, den Demokraten oder den Republikanern? Man sollte nicht zu schnell antworten, denn die Bewertung hängt von vielen Aspekten ab. Jedenfalls scheint die Beliebtheit von Trump nicht zu leiden [9].

Für die Zivilgesellschaft und Demokratie ist parlamentarisches Chaos, das Prinzip der verbrannten Erde, Gift. Es vernichtet die letzten Reste des Vertrauens, spaltet und bringt politische Irrationalität ans Ruder.

Das zeigt sich auch an der Stimmungslage im Land. Laut einer US-Umfrage [10] halten mehr als zwei Fünftel der Amerikaner einen Bürgerkrieg in den nächsten zehn Jahren für einigermaßen wahrscheinlich – eine Zahl, die sich bei den überzeugten Republikaner-Anhängern auf mehr als die Hälfte erhöht.

Für die innere Stabilisierung der USA gibt es nur einen nachhaltigen Weg: Es braucht echte progressive Alternativen, die den US-Amerikaner:innen spürbar zugutekommen. Nur so kann Vertrauen zurückgewonnen werden.

URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9324684

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.telepolis.de/features/Keine-neuen-Ukraine-Hilfen-vorerst-Kippt-die-Stimmung-in-den-USA-9323028.html
[2] https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-repraesentantenhaus-mccarthy-100.html
[3] https://www.theguardian.com/us-news/2023/oct/03/kevin-mccarthy-oust-republican-house-speaker-vote-result-matt-gaetz
[4] https://www.thenation.com/article/politics/kevin-mccarthy-gaetz/
[5] https://chomsky.info/20210616/
[6] https://truthout.org/articles/morally-bankrupt-budget-after-1-5-trillion-gift-to-rich-trump-demands-1-7-trillion-in-safety-net-cuts/
[7] https://jacobin.com/2021/06/noam-chomsky-class-war-universal-health-care-climate-justice-denuclearization
[8] https://www.telepolis.de/features/Sind-die-USA-auf-dem-Weg-zum-Unrechtsstaat-7151918.html?seite=all
[9] https://edition.cnn.com/2023/09/28/politics/presidential-primary-poll-front-runners-compared-dg/index.html
[10] https://www.telepolis.de/features/Wollen-wir-wirklich-die-maximale-Katastrophe-7249932.html?seite=all

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