Chefs als Mobber: Wie weit darf Kostensenkung gehen?
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Mobbing als Methode des Managements: Manche Chefs schrecken nicht davor zurück, um Kosten zu senken und Betriebsräte auszubremsen
Wirtschaftliche Krisenzeiten setzen Manager unter Druck. Kostensenkung und die weitere Digitalisierung sorgen für Unruhe in der Belegschaft. In vielen Unternehmen werden derzeit Veränderungen organisiert. Das Kündigungsschutzgesetz und die Rechte von Betriebsräten erschweren ein schnelles Durchgreifen im Betrieb. Mit unterschiedlichen Methoden gehen Unternehmenslenker vor und schrecken auch vor Mobbing nicht zurück.
Viele Unternehmen klagen über Umsatzrückgänge. Die Mehrheit der Unternehmen plant keine Neueinstellungen, zeigt der aktuelle Geschäftsklimaindex CGK der Auskunftei Creditreform. Über 20 Prozent der Unternehmen meldeten eine Reduzierung des Personalbestands. "Fünf Jahre nach Pandemie-Beginn und viele Krisen später ist ein Großteil der Unternehmen in Deutschland geradezu verzweifelt", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. 41,7 Prozent der befragten Unternehmen planen Investitionen.
Weitere Digitalisierung
Geld wird oft in Technik investiert, die Arbeit ersetzen soll. Durch Prozessautomatisierung sollen "standardisierte Arbeitsabläufe, die bisher manuell durchgeführt wurden, durch automatisierte Programme, Roboter (RPA) oder KI-Tools ausgeübt werden", schreibt Patrizia Schwarzer von der Haufe Akademie.
Prozessautomatisierung erfolgt in unterschiedlichen Geschäftsbereichen. Robotic Process Automation (RPA) automatisiert regelbasierte, sich wiederholende Aufgaben. Beispiele sind die Übertragung von Daten zwischen Systemen. Versicherungen setzen KI-Modelle ein, die automatisiert alle relevanten Informationen aus eingegangenen Rechnungen herauslesen können und dadurch die Schadenserfassung gänzlich digitalisieren.
"Die Industrie ruht sich nicht aus. Im Gegenteil – sie rüstet sich für die Zukunft. Eine zentrale Rolle spielt dabei der technologische Fortschritt in Form von Industrie 4.0 und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz", berichtet Diplom-Finanzwirtin Sylvia Meier.
Die Aktivitäten des Managements führen häufig zu einer Verschlechterung des Betriebsklimas. Eine Studie der Universität Leipzig im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums hat aktuelle Daten zu Mobbing am Arbeitsplatz veröffentlicht. 6,5 Prozent der Beschäftigten sind von Mobbing durch Kollegen und/oder Vorgesetzte betroffen. "Es gibt Handlungsbedarf, denn im Arbeitskontext stellt Mobbing eine relevante Belastung dar", konstatiert Steffi Riedel-Heller.
Auch wenn bereits in den 1990er Jahren Heinz Leymann mit dem Buch "Mobbing: Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann" die Verbreitung dieser Methoden offenlegt, fehlt es an einer einheitlichen Definition.
"Prinzipiell handelt es sich beim Mobbing um einen gezielten Psychoterror, durch welchen der Betroffene, beispielsweise ein Mitarbeiter, von seinen Kollegen so lange gequält und schikaniert wird, bis er entweder selbst kündigt oder irgendwann erkrankt und vom Arbeitgeber gekündigt wird", schreibt das Portal arbeits-abc.de.
Die Folgen von Mobbing
Auch wenn das Mobbing nicht von der Führungskraft ausgeht, ist der Vorgesetzte gefordert. Ein Unternehmen hat nicht nur Weisungsbefugnisse gegenüber Beschäftigten, sondern auch eine Fürsorgepflicht. Ein Vorgesetzter hat rechtzeitig einzugreifen, denn je früher er reagiert, umso höher sind die Chancen, den Mobbing-Prozess zu stoppen.
Mobbing, so stellte der bereits 1999 verstorbene Leymann heraus, hat nichts mit der Persönlichkeit des Opfers zu tun. Es kann jeden treffen, da Unternehmen dies auch nutzen können, um Arbeitsplätze abzubauen. Das Betriebsklima wird verschärft, Beschäftigte kündigen von selbst oder schließen eher Aufhebungsverträge ab.
Betriebsräte umgehen statt beteiligen
Personalabbau, Digitalisierung oder Produktumstellungen durch E-Autos umfassen Maßnahmen, bei denen Betriebsräte zu beteiligen sind. Die Diskussionen und Verhandlungen mit den Gremiumsvertretern versuchen Manager oft zu umgehen – mit unterschiedlichen Methoden: Die Aktion Arbeitsunrecht schildert regelmäßig Fälle, bei denen mit Kündigungen versucht wird, Betriebsratsvorsitzende aus dem Betrieb zu entfernen.
Mobbing ist dabei auch eine Strategie gegen Betriebsratsmitglieder. Nicht jeder Manager möchte aber gleich darauf spezialisierte Kanzleien einsetzen. Vielmehr ist das Ignorieren des Betriebsrates eine bewährte Methode: Maßnahmen, die der Mitbestimmung unterliegen, werden einfach umgesetzt. Etwa die Einführung von Software, die das Arbeitstempo überwachen kann. Fällt dies dem Betriebsrat auf, werden vermeintliche Sachzwänge oder Zeitdruck vorgeschoben, in der Erwartung, das Gremium setzt seine Rechte nicht gerichtlich durch.
Auch Drohungen mit Werkschließung werden oftmals als Argument gebracht, wenn eine Beschäftigtenvertretung nach Betriebsverfassungsgesetz vorgeht. Ein prägnantes Beispiel: Auf den Beschluss, die Betriebsvereinbarung zu mobiler Arbeit durchzusetzen, reagierte das Management mit der Drohung, in dem Fall den Standort aufzulösen. Der Betriebsrat verzichtete auf eine Regelung.
Den Umgang mit Betriebsräten in Betrieben mit chinesischen Investoren hat Shuwen Bian untersucht. Den "abwesenden Partner in der Sozialpartnerschaft" beklagt Bian, die an der Universität Kassel, dem Frankfurter Institut für Sozialforschung und dem Institute of Public Policy (Guangzhou) forschte.
Es erstaunt, dass die Verweigerung von Diskussionen mit dem Betriebsrat nur auf Kapitalvertreter aus China bezogen wird. Die Begründungen, warum eine Information des Betriebsrates nicht möglich ist, variieren. Mal, weil das Management in den USA sitzt. Oder weil die Firma im Familienbesitz ist. Oder da der Finanzvorstand sich gerade einarbeiten muss. Es hat sich eine Kultur der Ausreden entwickelt, mit der gesetzliche Vorgaben umgangen werden.
"Diese Abwesenheit in der Sozialpartnerschaft wird besonders problematisch, wenn eine gemeinsame Lösungsfindung zur Bewältigung einer Krisensituation unerlässlich ist", so die Studienautorin.
Bisher gibt es weder beim DGB noch bei der Hans-Böckler-Stiftung eine bundesweite Erfassung der Versuche von Unternehmen, Betriebsratsmitglieder zu kündigen oder Betriebsräte abzuschaffen.
Die Landesregierung in Brandenburg will gegen die Behinderung von Betriebsratsarbeit konsequenter vorgehen. Die betriebliche Mitbestimmung sei ein unverzichtbarer Teil der Arbeitswelt, erklärte Justizminister Benjamin Grimm (SPD). Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz sollen gebündelt bei den örtlichen Sonderabteilungen der Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zusammenlaufen.