China: Auf dem Weg zur technologischen Großmacht

China ist weltweit führend in 37 von 44 kritischen Technologien. Bild: See-ming Lee 李思明, SML Universe / CC BY-SA 2.0 Deed

Die Bevölkerung beginnt zu schrumpfen. Aber die Qualifikation der Arbeitskraft nimmt sprunghaft zu. Warum das die Grundlage schafft für rasante technologische Entwicklungen.

China scheint am Beginn einer demografischen Krise zu stehen. Seit Jahren gehen die Geburtenzahlen zurück und die Bevölkerung altert zunehmend. Es ähnelt sehr dem, was es in vielen Industrieländern zu beobachten ist.

Seit dem vergangenen Jahr verzeichnet die Volksrepublik sogar, wie berichtet, einen bisher noch leichten Bevölkerungsrückgang. Es ist das erste Mal seit der letzten großen Hungersnot von 1959 bis 1961.

Die Zahl der Geburten ging schon ab Mitte der 1980er-Jahre zurück, hatte sich seit den frühen Jahren des Jahrtausends auf niedrigem Niveau stabilisiert, um dann nach 2017 steil abzufallen. In den letzten Jahren gab es nur noch 1,1 Geburten pro Frau im gebärfähigen Alter.

Das ist weit unter der Reproduktionsrate von 2,1 und noch niedriger als die entsprechende japanische Rate von 1,3. Hierzulande beträgt sie aktuell 1,46.

Anders als in Deutschland ist die Zahl der Geburten in China stark mit der Zahl der Eheschließungen korreliert, die dort ebenfalls einen vieljährigen Rückgang erlebt haben. Im vergangenen Jahr nahmen sie erstmalig wieder zu, wie die jüngste Statistik der jährlichen Neuvermählung zeigt. Offenbar holen derzeit viele Paare ihre durch die Corona-Pandemie verzögerte Hochzeit nach.

Nun kann man meinen, dass der Rückgang der Bevölkerung und demnächst vor allem ihres Anteils im Erwerbsalter, ein großes Problem für eine Volkswirtschaft sein muss. Zumal China anders als die europäischen und amerikanischen Staaten keine nennenswerte Einwanderung von potenziellen Arbeitskräften hat und diese auch nicht anzustreben scheint.

Andererseits setzt Chinas Führung seit einigen Jahren massiv auf die Entwicklung der Robotik, der dafür notwendigen Produktion fortgeschrittener Chiptechnik und auf die Forschung an künstlicher Intelligenz. Damit werden die Voraussetzungen für den künftigen Ersatz menschlicher Arbeitskraft geschaffen, die auch in China längst nicht mehr unbegrenzt zu minimalen Löhnen zu erhalten ist.

Entsprechend kommt ein Beobachter in der Asia Times zu dem Schluss, dass Chinas demografischer Ausblick vorerst wenig Anlass zur Sorge gibt. Zumal gleichzeitig in den vergangenen acht Jahren die Zahl der Hochschulabsolventen enorm angestiegen sei. Während zu Beginn des Jahrtausends nur sechs Prozent eines Jahrgangs ein Studium absolvierte, waren es 2023 63 Prozent.

Besonders beeindruckend sind die relativen Werte, wenn man sie vor dem Hintergrund der absoluten Zahlen betrachtet. 2023 haben fast 12 Millionen Menschen in China ein College-Studium abgeschlossen und über 40 Prozent von ihnen haben einen Abschluss in einem naturwissenschaftlich-mathemischen oder technischen Fach.

Im Durchschnitt der OECD liegt der Anteil lediglich bei 26 und in den USA sogar nur bei 18 Prozent. Chinas technisch versiertes Arbeitskräftepotenzial ist inzwischen so groß wie das der USA und der EU zusammen genommen. Aufgrund der in den letzten Jahren erheblichen Investitionen in neue Hochschulen wächst es rasch weiter an.

Die Auswirkungen davon sind längst zu beobachten. China ist in der Entwicklung und Herstellung von Elektroautos führend, ebenso in der Solar- und Windindustrie sowie in der Batterietechnik. China ist mithin auf der technologischen Überholspur und holt selbst in der Chiptechnik auf, wo kürzlich der Abstand zu Südkorea und den USA verringert werden konnte.

Mit anderen Worten: China ist auf dem Weg nicht nur zu einer ökonomischen, sondern auch zu einer technologischen Großmacht zu werden, und Westeuropa wäre gut beraten, sich mit dieser Tatsache abzufinden. Man sollte sich auf eine Welt einzurichten, in der es vielstimmiger und weit weniger eurozentriert als in den letzten beiden Jahrhunderten zugehen wird.

Das Völkerrecht und die von Pengchun Chang, einem chinesischen Diplomaten, maßgeblich mitgestaltete Erklärung der Menschenrechte könnten dafür eine gute Richtschnur sein. Eine undefiniert bleibende und imaginierte „regelbasierte Ordnung“ eignet sich dafür weniger.