China: Moralkeule von Baerbock, Wahrheit von Macron

Bilder: European Parliament, CC BY 2.0 / Ministerie van Buitenlandse Zaken, CC BY-SA 2.0 / Grafik: TP

Empörung über Aussagen des Präsidenten ist typisch deutsch. Und arrogant. Jeder sollte wissen: In Asien endet Baerbocks wertegeleitete Außenpolitik. Ein Gastbeitrag.

Er ist in aller Munde, der "russische Angriffskrieg gegen die Ukraine". In den öffentlich-rechtlichen Medien, im Privatfernsehen, in den Printmedien gibt es kaum jemanden, der diese Floskel nicht benutzt. Und wer es nicht tut, setzt sich dem Verdacht aus, er wolle ihn beschönigen oder entschuldigen, diesen "russischen Angriffskrieg".

Sie hat sich durchgesetzt, als zöge ihre Nichtbenutzung Geldstrafen nach sich. Wer die Floskel ausspricht, zeigt damit, dass er Russlands Krieg verurteilt und die Ukraine unterstützt. Das ist völkerrechtlich vollkommen in Ordnung, nur sind die wenigsten, die die Floskel benutzen, Juristen.

Im medialen Gebrauch geht es um etwas anderes: Man zeigt, dass man auf der moralisch richtigen Seite steht. Daran ist nichts auszusetzen. Ohne diese moralische Empörung, die vor einem Jahr ausbrach, als Russland die Ukraine aus drei Himmelsrichtungen gleichzeitig angriff und Mariupol in Schutt und Asche bombte, wäre die Hilfe für die ukrainischen Flüchtlinge, die Bereitschaft zu Sanktionen, die uns selbst schaden, und die Bereitschaft Olaf Scholz' "Zeitenwende" zu akzeptieren, viel geringer gewesen.

Moralische Empörung ist zur Mobilisierung der Bürger unabdingbar. Das Problem: Sie hält selten lange an und sie kommt schnell an ihre Grenzen. Und da ist sie jetzt auch angekommen.

Europa kann sich neuen Konflikt nicht leisten

Nichts hat das besser gezeigt als die Empörung, die Emmanuel Macron mit seinem Interview auf dem Rückflug von China nach Europa ausgelöst hat. Zugegeben, es ist ein für ein nichtfranzösisches Publikum schwer verdaulicher Brocken, in dem viel von einer "europäischen Souveränität" und "Autonomie" die Rede ist, mit der man in den meisten europäischen Hauptstädten nicht viel anfangen kann.

Die Vorstellung, Europa könne sich unter französischer Führung ausgerechnet jetzt von den USA emanzipieren, dürfte bei direkt an die Ukraine grenzenden Ländern im besten Fall Kopfschütteln auslösen. Seit Monaten liefern diese Länder der Ukraine Waffen und ersetzen sie durch amerikanische und deutsche Lieferungen – französische Panzer und Haubitzen sucht man in Litauen, der Slowakei und Polen vergeblich.

Das Schlagwort von der Souveränität Europas, das eine eigene Rüstungsindustrie, eine eigene Industriepolitik hat und außenpolitisch einig auftritt, ist nicht neu und die Realität ist Macron ja auch durchaus entgegengekommen: durch den Brexit, durch den sich der wichtigste Widersacher gegen Protektionismus und Abkoppelung von den USA selbst aus der EU eliminiert hat, und durch den russischen Angriffskrieg, durch den die EU ja jetzt tatsächlich in der Welt mit einer Stimme spricht (zu der die USA aber den Ton vorgeben).

Was wirklich empört hat, war Macrons Forderung, Europa solle gegenüber den USA und China eine eigene Rolle spielen und sich nicht vor den US-Karren spannen lassen, wenn letztere durch eine Beschleunigung des Konflikts mit Taiwan eine chinesische Überreaktion auslösten.

Mit anderen Worten: mehr Zurückhaltung, China nicht provozieren und, wenn es zu einem Konflikt kommt, eine eigene Rolle spielen. Sonst fehlten Europa Geld und Zeit, um seine "strategische Autonomie" erreichen zu können und es wird zu einem "Vasallen". Das ist blumiger als notwendig. Man könnte es auch so ausdrücken: Europa kann es sich nicht leisten, in einen amerikanisch-chinesischen Konflikt hineingezogen werden.

Diese Aussage ist äußerst empörend. So etwas sollte man als Politiker nicht denken. Und wenn man es denkt, sollte man es nicht sagen. Denn keiner will es hören. Obwohl es stimmt. Und weil alle das wissen, finden sie es ganz besonders empörend.

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