China: Volkskongress gibt grünes Licht für mehr Konsum
In China ist am gestrigen Dienstag die Tagung des Volkskongresses zu Ende gegangen
(Bild: Mirko Kuzmanovic/Shutterstock.com)
China setzt auf mehr Konsum und höhere Staatsausgaben. Erstmals seit Jahrzehnten steigt das Haushaltsdefizit auf vier Prozent. Ein wirtschaftspolitischer Überblick.
Weltspitze durch Investitionen in Technologie und Binnenkonsum – so ließe sich das wirtschaftspolitische Fazit des siebentägigen Volkskongresses zusammenfassen, das am Dienstag in der chinesischen Hauptstadt Beijing zu Ende gegangen ist.
Auf seiner Abschlusssitzung haben die rund 2900 Delegierten des Einparteienparlaments erwartbar fast einstimmig für neue Regierungspläne zur Ankurbelung der Wirtschaft gestimmt. Die soll dieses Jahr um ambitionierte fünf Prozent wachsen, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet.
Defizit steigt erstmals seit Jahrzehnten auf vier Prozent
Trotz globaler wirtschaftlicher Herausforderungen und des anhaltenden Handelsstreits mit den USA strebt China ein ambitioniertes Wirtschaftswachstum an. Im Vergleich dazu prognostiziert Goldman Sachs für die USA 2025 ein Wachstum von 1,7 Prozent.
Dabei ist die wirtschaftliche Lage in China längst nicht mehr so rosig wie noch vor einigen Jahren: Der Immobiliensektor ist überhitzt, der Arbeitsmarkt angespannt und viele Lokalregierungen sind überschuldet (Telepolis berichtete).
Möglich ist das Wachstum nur durch ein staatliches Investitionsprogramm. Erstmals seit Jahrzehnten wird hierfür das Haushaltsdefizit auf vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Die Regierung will Geld in die Hand nehmen, um den angeschlagenen Immobiliensektor zu stützen, Banken mit Kapital auszustatten und die Verbraucher zu mehr Konsum zu bewegen.
Der Analyst Jeremy Zook von der US-Rating-Agentur Fitch bezweifelt zwar, dass die auf dem Volkskongress beschlossenen Maßnahmen ausreichen werden, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen. Finanzminister Lan Fo'an versicherte Journalisten allerdings, dass die Regierung über genügend Reserven verfüge, um auf Unsicherheiten zu reagieren.
Mehr Ausgaben für Wissenschaft, Bildung und Rüstung
Erhöhen will die Regierung vor allem das Budget für Wissenschaft und Technologie (plus 8,3 Prozent), Rüstung (plus 7,2 Prozent) und Bildung (plus 6,1 Prozent). Die Ausgaben für Gesundheit und Sozialsysteme steigen um moderate fünf Prozent.
Während hierzulande vor allem die steigenden Rüstungsausgaben auf erheblichen Widerhall stießen (Telepolis berichtete), lohnt zur Einordnung ein genauerer Blick auf die Zahlen: Mit einem Rüstungsbudget von umgerechnet rund 225 Milliarden Euro liegt Chinas kommender Militäretat noch immer deutlich unterhalb von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – was innerhalb der Nato inakzeptabel gering wäre.
Im Technologiebereich setzt der Ausgabeplan vor allem auf "Industrien der Zukunft", genannt wurden hier unter anderem: Künstliche Intelligenz, Biomanufacturing, Quantentechnologie, verkörperte künstliche Intelligenz und 6G.
Damit soll das Land mit Blick auf die Zukunft weiter zur technologischen Weltspitze aufschließen und schließlich – unabhängig von US-Technologie – in allen Schlüsselbereichen auf eigenen Beinen stehen.
Zentraler Bestandteil der Regierungsstrategie ist die Ankurbelung des Binnenkonsums. Damit soll zum einen die Wirtschaft belebt, aber gleichzeitig auch im Rahmen der 2020 eingeführten Politik der "zwei Wirtschaftskreisläufe" die heimische Innovationskraft gestärkt und unabhängig von internationalen Störgrößen gemacht werden.
Um den Konsum anzukurbeln, sollen Verbraucher Rabatte in Höhe von umgerechnet 41,3 Milliarden Dollar erhalten, wenn sie alte Autos und Haushaltsgeräte durch neue ersetzen.
Ein Großteil der Neuverschuldung werde jedoch in die Stützung des Immobilienmarktes und überschuldeter Kommunen fließen, gibt Jeremy Zook, Chefanalyst für China bei der Ratingagentur Fitch, zu bedenken.
Xi will Privatwirtschaft stärken – in Grenzen
Staatschef Xi Jinping scheint zudem entschlossen, die Privatwirtschaft wiederzubeleben, die einen Großteil des Wachstums und der Arbeitsplätze in Chinas staatlich dominierter Wirtschaft stellt. Die starken regulatorischen Eingriffe, insbesondere im Tech-Bereich, haben das Vertrauen von Unternehmern und ausländischen Investoren in den letzten Jahren erschüttert.
Der Volkskongress diskutierte einen Gesetzentwurf, der das Umfeld für private Unternehmen verbessern soll, indem er Aspekte wie Marktzugang, Finanzierung, Wettbewerb und Eigentumsschutz regelt. Darüber abgestimmt wurde allerdings nicht.
Xi wolle Unternehmern, aber auch Kommunen und Aufsichtsbehörden signalisieren, dass der Privatsektor wichtig und notwendig sei, sagt Neil Thomas vom Asia Society Policy Institute. Premier Li Qiang kündigte an, dass Privatunternehmen künftig einen höheren Anteil an Krediten erhalten und die Finanzierung über Anleihen ausgeweitet werde.
Chen Zhiwu, Wirtschaftsprofessor an der Universität Hongkong, gab jedoch gegenüber der New York Times zu bedenken, dass die erneute Lockerung der Zügel gegenüber dem Privatsektor vor allem im Kontext der übergeordneten nationalen Ziele zu verstehen ist.
"Letztendlich ist es so, dass der private Unternehmenssektor in China nur dann von Wert ist, wenn die Partei ein gewisses Wachstum benötigt oder die Wirtschaft stabilisieren muss", sagte Chen. Sollten diese Ziele erreicht werden, ist ein erneuter Kurswechsel zugunsten des Staatssektors wahrscheinlich, meint Chen.
Handelskrieg mit USA überschattet Wirtschaftspläne
Überschattet werden Chinas Wirtschaftspläne vom Handelskrieg mit den USA. Beijing hat seine Exportmärkte zwar diversifiziert, die USA bleiben jedoch ein wichtiger Handelspartner.
Die größere Sorge gilt weniger den Zöllen selbst, sondern der Nachfrage nach chinesischen Produkten, sagt Alicia Garcia Herrero, Chefvolkswirtin für den Asien-Pazifik-Raum bei der Investmentbank Natixis.
US-Präsident Donald Trump hat die Zölle auf Importe aus China seit seinem Amtsantritt im Januar 2021 zweimal erhöht. Beijing zeigt bisher keine Anzeichen eines Einlenkens. "Wenn die amerikanische Seite diesen falschen Weg weitergeht, werden wir bis zum Ende kämpfen", sagte Handelsminister Wang Wentao auf dem Volkskongress.
Auf die Frage nach Trumps "America First"-Politik sagte Außenminister Wang Yi, es würde das Gesetz des Dschungels herrschen, wenn alle Länder einen "Mein Land zuerst"-Ansatz verfolgen würden.
"Ein großes Land sollte seine internationalen Verpflichtungen einhalten und seine Verantwortung wahrnehmen", sagte Wang. Es sollte "nicht egoistische Interessen über Prinzipien stellen und schon gar nicht seine Macht nutzen, um Schwächere zu schikanieren."