China holzt Russland ab

Illegaler Holzeinschlag dank Schmiergeld und Bestechung

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Nicht nur die Mafia profitiert vom Ende der sowjetischen Regierung – auch andere nicht vom Staat ausgehende illegale Aktivitäten werden jetzt nicht mehr ausreichend verfolgt. Das chinesische Wirtschaftswunder nutzt dies schamlos aus.

1996 exportierte Russland 529.000 m³ Holz nach China – letztes Jahr waren es über 20.000.000 m³, fast 40mal soviel. Das kann ja wohl nicht mit rechten Dingen zugehen? Das tut es auch nicht: die Wälder Russlands in der Nähe der chinesischen Grenze werden gnadenlos abgeholzt, wovon der New Scientist in seiner neuesten Ausgabe berichtet. Manche sind dabei zum Millionär geworden und die Grenzstadt Suifenhe wuchs von einigen 1000 Einwohnern auf über 130.000, die nun in einer Stadt mit spiegelnden Wolkenkratzern und Luxusrestaurants leben, bezahlt durch Profitgier, Korruption, Bestechung, Verarmung auf dem Land und der Zerstörung der Umwelt.

Die Plünderung des Osten Russlands und des angrenzenden Sibiriens begann mit den Überschwemmungen, die den mittleren Bereich des Yangtze 1998 heimsuchten, wobei Tausende starben und Millionen obdachlos wurden. Ursache war die Entwaldung in China; die chinesische Regierung verbot daraufhin den Holzeinschlag in den verbliebenen natürlichen Wäldern Chinas. Die holzverarbeitende Industrie Chinas suchte nach Alternativen und fand sie in den unberührten Wäldern Russlands – über die Hälfte der Nadelbäume weltweit wächst dort.

Abgeholzter Regenwald in Papua-Neuguinea. Das Holz wird in China weiter verarbeitet und dann auch nach Europa exportiert. (Bild: Greenpeace)

Seit dem chinesischen Abholzverbot haben sich die Importe durch die Grenzstadt Suifenhe verachtfacht, 600 Wagenladungen mit Baumstämmen rollen täglich in ihren Bahnhof. Viele davon aus den Naturschutzgebieten des Nachbarlands oder weit über den zugelassenen Einschlagsquoten in den zugelassenen Gebieten. Dazu werden spezielle geräuschgedämmte Motorsägen verwendet, um nicht entdeckt zu werden, und wer von den offiziellen Aufsehern in der russischen Umweltbehörde das Spiel aus Bestechung und Schmiergeld nicht mitmacht, erhält Morddrohungen.

1 m³ Hartholz erbringt in China 140 US-Dollar. Davon bekommt der chinesische Vermittler die Hälfte, jeweils fünf Dollar gehen an lokale Banden für Schutzgeld, an den Zollinspektorin, den Aufseher der Umweltbehörde und ein Mitglied der Miliz. Weitere drei Dollar erhalten die Waldaufseher und neun Dollar die regionale und städtische Verwaltung. Die Profiteure des Umweltfrevels sitzen also nur zum Teil in China, zum ebenso großen Teil aber in Russland selbst.

Das System kollabierte, als 2001 der russische Präsident Wladimir Putin die Verwaltung der russischen Wälder reformierte und verschlankte. Der World Wildlife Fund schätzt, dass 20 bis 50% des Holzeinschlags in Russland illegal sind, Fachleute sehen den Anteil jedoch noch höher.

Zudem wurden zu Sowjetzeiten noch 40% des Holzes vor Ort verarbeitet – heute sind es weniger als 10%. Damit bleibt von der lukrativen Weiterverarbeitung des Rohstoffs praktisch nichts mehr im Land selbst hängen, da selbst die wenigen Fabriken im Land von Chinesen betrieben werden, sondern findet in China, Japan und Südkorea statt. Hohe Steuern für Fabriken im Lande und geringe Importsteuern auf der chinesischen Seite sorgen dafür, dass dies auch so bleibt. Die so erzeugten Produkte wie beispielsweise Möbel werden dann billig in die EU und die USA exportiert; auch hier haben sich die Werte verachtfacht. Die hierzu verwendeten tropischen Hölzer stammen aus Papua-Neuguinea, wo 90% des Holzes illegal geschlagen werden. Die Tropenwälder Papua-Neuguineas werden spätestens in 16 Jahren verschwunden sein, die in Indonesien schon in 10 Jahren. Das meist weichere russische Holz bleibt allerdings zu 80% in China und dient beispielsweise als Verschalung für Betonbauten.

Da das russische System praktisch zusammengebrochen ist, kann momentan nur die Gesetzgebung in China das Problem eindämmen. Neben Aufklärung wird dabei an Antikorruptionsgesetze gedacht. Momentan ist jedoch das Interesse noch relativ gering, auf diese Art sich mit der boomenden Wirtschaft des eigenen Landes anzulegen, nur um Umweltschäden in anderen Ländern einzuschränken.