China kurz vor Sprung in bemannte Raumfahrt
Der erste Taikonaut schon bald im All?
Seit langem kocht die Gerüchteküche (Magische Schiffe). Auf die Frage, wann China denn seinen ersten Taikonauten ins All schießt, gab es bisher nur ausweichende Antworten. Was bislang von keiner offiziellen Stelle direkt bestätigt wurde, haben zwei hochrangige "Insider" vor wenigen Tagen feierlich verkündet: China will nächstes Jahr die dritte "aktive" Raumfahrernation werden.
Trotz aller politischen Barrieren und kulturell-sozialen Schranken hat China seinen Platz im internationalen Konzert der unbemannten Raumfahrt längst gefunden. Wenngleich das 'Reich der Mitte' dabei nicht die erste Geige spielt oder gar den Ton angibt, hat es doch auf diesem Sektor in den letzten Jahren enorm aufgeholt. Und vieles deutet darauf hin, dass China in der bemannten Raumfahrt neben den USA und Russland die neue dritte Kraft wird.
Schon seit geraumer Zeit unternimmt China große Anstrengungen, um den ersten "Taikonauten" (die Prefix 'Taiko' bedeutet so viel wie 'Astro' oder 'Kosmo') weltraumtauglich zu machen und in die Schwerelosigkeit zu entlassen. Nachdem das erste bemannte Raumfahrtprogramm im Dezember 1980 aufgrund zu hoher Kosten eingestellt wurde, nahmen die Techniker und Wissenschaftler 1992 wieder ihre Arbeit auf. Das derzeitige Projekt mit dem Namen 921 ist nun soweit gediehen, dass das bevölkerungsreichste und flächenmäßig drittgrößte Land der Erde nach über 40-jähriger Anlaufphase - die Volksrepublik startete ihre erste Rakete bereits 1959 - jetzt kurz vor dem Sprung in die bemannte Raumfahrt steht.
Seit 1979 hat China 47 Satelliten ins All gebracht und zwölf verschiedene Raketen entwickelt. Die Erfolgsrate bei den 63 Starts betrage 90 Prozent. Und seit Oktober 1996 verbucht China eine Erfolgsrate von 21 gelungenen Starts in Folge. Seit 1986 hat China 27 Satelliten für andere Länder wie die USA, Pakistan, Australien, Schweden, Brasilien und die Philippinen in den Weltraum gebracht.
Den wichtigsten Schritt in die bemannte Raumfahrt hingegen machte China am 20. November 1999, als es das unbemannte Raumschiff Shenzhou (Magisches Schiff) mit einer Trägerrakete vom Typ "Langer Marsch 2F" in den Orbit schickte. Das derzeitige Prunkstück der chinesischen Raumfahrt hielt sich 21 Stunden im Orbit auf und umkreiste die Erde 14 mal. Die Kapsel landete ohne Probleme im vorhergesehenen Landegebiet in der Mongolei.
Was bislang höchst inoffizieller Natur war, bestätigte vor wenigen Tagen der Vizepräsident der chinesischen "Aerospace Science Technology Corp" Hu Hongfu während einer Rede anlässlich der dritten Zhuhai internationalen Luftfahrtshow in Südchina:
Es dauert nicht mehr lange, bis die ersten Taikonauten mit einer chinesischen Trägerrakete ins All starten.
Über den genauen Zeitpunkt des Start schwieg sich Hongfu zwar aus. Dennoch gab er zu verstehen, dass der Start irgendwann Anfang des 21. Jahrhunderts stattfinden werde. Dass mit Blick auf die chinesische Raumfahrt die Gerüchteküche schon seit langem kocht, liegt mitunter daran, dass bis auf den heutigen Tag kein Raumfahrer aus dem 'Reich der Mitte' jemals offiziell namentlich vorgestellt wurde, obgleich im September die Meldung lanciert wurde, dass mindestens zwei angehende Taikonauten in Russland auf ihren Weltraumtrip vorbereitet werden. Genau dies bestätigte der Vorsitzende der "China National Space Administration" und Direktor des "State Bureau of Aerospace" Luan Enji ebenfalls am Rande der Luftfahrtschau in Zhuhai: "Die erste Astronauten-Generation des Landes unterzieht sich derzeit intensivem Training". Einen Zeitpunkt für den ersten bemannten Raumflug nannte auch er nicht, außer dass es "zu Anfang des 21. Jahrhunderts" sein werde. Die Volksrepublik wolle auch weiter mit westlichen Ländern wie den USA und Russland zusammenarbeiten. Angesichts der Tatsache, dass die chinesische Regierung seit 1968 aus propagandistischen Gründen nichts über den Zeitpunkt der ersten bemannten Mission und allen damit verbundenen Fehlschlägen verlautbaren ließ, interpretieren viele Insider diese neue Offenheit als ein deutliches Signal dafür, dass der Start einer chinesischen Trägerrakete mit einer Taikonauten-Crew an Bord recht bald bevorsteht.
Bislang hielten westliche Experten einen Starttermin im Oktober 2001 für durchaus wahrscheinlich. Nun rückt der Termin wohl doch um einiges näher. Es ist kein Geheimnis, dass Chinas Raumfahrt primär auf sowjetischer Technologie basiert. So kaufte China 1994 eine russische Sojus-Kapsel und 1996 ein komplettes Docking- und Lebenserhaltungssystem sowie einige Raumanzüge. Dies führte dazu, dass Experten aus verschiedenen Ländern China vorhalten, den Großteil der angewandten Technik einfach nur kopiert zu haben. Allerdings hat mit den Jahren die chinesische Raumfahrt ein unverkennbares eigenes Profil entwickelt. Die Langer-Marsch-Raketen beispielsweise haben sich als ein überaus zuverlässiges, erfolgreiches Trägersystem für Satelliten etabliert, das billiger operiert als die US-Systeme oder die europäische Ariane: Sie beförderten bislang über 70 Nutzlasten von westlichen Kunden ins Weltall.