China lernt schnell und radikal

Seite 3: 100 Mal an existenziellen Wendepunkten

Die KP Chinas hat 100 Mal an existenziellen Wendepunkten ihrer selbst und der Volksrepublik insgesamt gestanden, vom Langen Marsch über die Gründung der VR, vom "Großen Sprung nach vorn" und die letzte große Hungersnot, von der Kulturrevolution zum großen Wagnis "Reform und Öffnung" 1978, von der Entscheidung zur Räumung des Tian‘anmen-Platzes zum WTO-Beitritt und der Selbsterklärung als "marktwirtschaftliches" System. Vom westlichen Technologieboykott zur Technologieführerschaft. Von struktureller Produktionsabhängigkeit vom westlichem Kapital zu system(at)ischem eigenem Lernen und leisem, unprätentiösem, aber gezieltem und umfassendem "Upgrading".

Vom Versuch, die Bevölkerungsexplosion mit der Ein-Kind-Politik in den Griff zu bekommen bis zu den großen Experimenten der vielfältigen Sozialkreditpunkte-Systeme, von Korruptionsbekämpfung und tatsächlicher existenzieller Selbstreinigung, von den lebendigen Debatten über Big Data, AI, ihrer (Nicht-) Verwendung und einer (Nicht-) Überwachung in einer partizipativen Demokratie der Zukunft zur neuen unternehmerischen und Gründer-Revolution. Von der Billig- und Dreckproduktion sowie Mülldeponie des Westens zu High-Tech, ökologischer Revolution, zur Süd-Süd-Hilfe und zur Neuen-Seidenstraßen-Initiative. Von der effektiven Bewältigung der Corona-Krise und den Umgang mit westlichen Sanktionen bis zu neuen Ideen und Konzepten, wie dem Dualen Kreislaufsystem, vom Neuaufbau der internationalen Wertschöpfungsketten bis zur weltweiten Verteilung der chinesischen Impfstoffe an die ärmsten Länder.

Eine alte, lernfähige und innovative Partei

Diese Partei mit ihren mehr als 90 Millionen Mitgliedern ist eine der ältesten und vermutlich eine der erfahrensten Parteien der Welt, die scheinbar immer die internen intellektuellen und politischen Kapazitäten hatte, ihre geschichtlichen Erfahrungen aufzubereiten und ihr Handeln an neue Gegebenheiten anzupassen. Nach Werte- und Vertrauenszerstörung in der "Kulturrevolution" und nach "Reform und Öffnung" 1.0 war man in den 1980ern, 1990ern und frühen 2000ern mit ungekannten Verhaltens-Degenerationen und organisierter Kriminalität konfrontiert. Und diese Partei hat sich nach mehreren Malen in ihrer Geschichte wieder neu erfunden. Das alles, ohne ihr großes Ziel, einen Wohlstands- und Reichtums- statt Armuts-Sozialismus, aufzugeben.

So hat sie anscheinend auch die Kraft, dieses riesige Land zusammenzuhalten, räumlich, ethnisch und über die verschiedenen politischen Ebenen (Kommunen, Provinzen, Nation). Und nach allem, was man in China von der Gattin des Professors über die Studentin bis zum Taxifahrer hört, und was man inzwischen in internationalen Vertrauensstudien und Glücksstudien nachlesen kann, haben diese Partei und diese Regierung mit ihrem Kampf gegen die Korruption und nun auch gegen die Corona-Epidemie heute deutlich mehr Autorität als noch vor rund 20 Jahren - und mehr als die meisten westlichen Parteien und Regierungen. In China erklären weit mehr Menschen, in einer Demokratie zu leben als in den USA.

Für heute genug der Provokationen!

Chinas nationale Souveränität, territoriale Unversehrtheit, Stabilität und Langfristigkeit, seine soziale Inklusion und soziale Mobilisierung sind daher durchaus hohe Güter. China organisiert, für jeden China-Reisenden leicht erkennbar, ein großes und unendlich viele kleine Experimente, wertet Erfahrungen aus, lernt und ändert gegebenenfalls, und das, wenn nötig, sehr schnell und radikal. Es leistet Einiges für die globalen Gemeinschaftsgüter. China zeigt, dass Sozialismus im 21. Jahrhundert kein statisches, bürokratisches Armutssystem mehr ist, sondern diesbezüglich den real existierenden Finanzkapitalismus und sein hegemoniales System überflügeln und so die Menschheitsperspektiven durchaus erweitern kann. Aber für heute genug der Provokationen!