China will mit Strafen Patriotismus stärken
Während Xi Jinping in die Fußstapfen von Mao Zedong getreten ist, wird erwogen, mangelnden Respekt vor der Nationalflagge und der Nationalhymne mit bis zu drei Jahren Gefängnis zu bestrafen
Das chinesische Parlament ist groß, aber eigentlich kleiner als das deutsche, wenn man die Zahl der Bevölkerung berücksichtigt. Über 700 Abgeordnete entscheiden nach der Bundestagswahl über das Schicksal Deutschlands, eigentlich sollten es 598 Abgeordnete sein. 631 waren es in der vergangenen Legislatur, aber die hatten sich verweigert, das Wahlgesetz zu reformieren.
Viel haben die einzelnen Abgeordneten in einer Parteiendemokratie, in der meist Fraktionszwang besteht, nicht zu sagen. Das wird selbstverständlich nicht besser, wenn es mehr Abgeordnete sind. In China werden fast 1,4 Milliarden Menschen von 2.987 Abgeordneten im Nationalen Volkskongress vertreten, der allerdings aus dem Parlament wirklich nur eine Abnickveranstaltung macht. Würde es in China relativ zur Bevölkerung so viele Abgeordnete wie in Deutschland geben, würden es um die 12.000 sein, eine Kleinstadt also.
Wie auch immer, im chinesischen Parlament überlegt man, ob man nicht mangelnden Respekt gegenüber der Nationalhymne und der Nationalflagge härter bestrafen soll. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag wurde eingereicht. Generalsekretär der Kommunistischen Partei und Staatschef Xi Jinping hatte auf dem 19. Parteikongress seine Macht gefestigt und war in die Fußstapfen von Mao Zedong getreten. Sein "Gedankengut für das neue Zeitalter des Sozialismus chinesischer Prägung" erhielt Verfassungsrang, wodurch er sich mehr oder weniger neben Mao stellen ließ (China, Herbst 2017: Neues hinter Altem).
Absehbar ist ein entsprechender Personenkult, der dem gewünschten Patriotismus parallel läuft. Geplant ist etwa eine Kampagne, um das Gedankengut als "Geist des 19. Parteikongresses" zu verbreiten. Im zunehmend repressiver werdenden Staat sollen Big Data und Vernetzung zum Aufbau eines Systems dienen, in dem die einzelnen Menschen nach ihrem Verhalten auf einer Vertrauensskala eingestuft werden. Wer nicht systemkonform handelt, wird bestraft, wer brav ist, erwirbt Privilegien. So wird Repression in ein Gamification-Modell umgesetzt.
Achtung ist nicht nur vor dem Staatschef und den obersten Parteifürsten vonnöten, die über jede Kritik erhaben sind, sondern eben auch vor den staatlichen Symbolen. Der Schutz der "Autorität der Nationalhymne" soll auch die "Autorität des Staates, des Volkes und der chinesischen Nation" schützen. Schon länger stand in der Planung, die Strafen zu verschärfen, mit denen der Patriotismus gestärkt werden soll. Die Nationalhymne soll zentraler Bestandteil der patriotischen Erziehung in der Grundschule werden. Wer den Text der Hymne verändert oder sie respektlos singt, muss bestraft werden. Die Lokalbehörden müssen die Aufführung und Abspielen der Hymne, die nicht als Hintergrundmusik oder zur Werbung verwendet darf, regulieren und kontrollieren.
Erst Anfang Oktober war das Gesetz in Kraft getreten, das ein despektierliches Verhalten gegenüber Hymne und Flagge mit 15 Tagen Haft belegte. Und weil angeblich in Hongkong manchmal die Nationalhymne nicht den notwendigen Respekt erhalten hat, so meinte ein Regierungsvertreter, sei es wichtig, das Gesetz auch hier einzuführen. Sonst würde grundsätzlich das "Prinzip 'Ein Land, zwei Systeme' und die soziale Moral in Frage gestellt sowie Wut unter den Chinesen, die meisten Bewohner Hongkongs eingeschlossen, ausgelöst" werden.
Bei der Gelegenheit kam man wohl darauf, einen neuen Gesetzesentwurf mit höheren Strafen einzureichen, der dann in China sowie in Hongkong und Macau gültig sein soll. 15 Tage Haft waren wohl nicht abschreckend genug. Jetzt soll eine Missachtung der Nationalhymne und der Nationalflagge mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden können. Zur Bestrafung können dem Übeltäter auch die politischen Rechte entzogen oder dieser unter öffentliche Überwachung gestellt werden. Ob der Gesetzesvorschlag abgenickt wird oder nicht, was die nächsten Tage geschehen könnte, ist nicht so entscheidend. Die Botschaft ist, dass Unterwerfung unter den Staat gefordert und Kritik oder auch nur ein ironischer oder spielerischer Umgang mit den Staatssymbolen nicht erwünscht ist.