Chinas Unterwasserkabel-Cutter: Wie man eine Welt abschaltet – und keiner weiß, wer's war

Lars Lange
3D-Darstellung eines Unterwasser-Kommunikationskabels

Bild: ioda /shutterstock.com

Neues Tiefsee-Schneidwerkzeug offenbart Verwundbarkeit der globalen Infrastruktur. Grenzen des hybriden Kriegs werden verschoben. Experten sind beunruhigt.

Tief unter der Meeresoberfläche verlaufen die wahren Lebensadern unserer vernetzten Welt: Unterwasserkabel, die die kritische Infrastruktur für Internet, Finanzmärkte, militärische Kommunikation und Energieversorgung bilden.

Ohne diese Unterwasserkabel würde das Internet, wie wir es kennen, nicht existieren. Videokonferenzen zwischen Shanghai und New York, das Streamen von Filmen aus einem anderen Land oder eine einfache WhatsApp-Nachricht an Freunde im Ausland – all diese alltäglichen Vorgänge sind abhängig von diesen Tiefseekabeln.

Unterwasser-Schneidwerkzeug: "Bis zu 4.000 Meter Wassertiefe"

Jetzt hat China ein neuartiges Unterwasser-Schneidwerkzeug vorgestellt, das für Aufsehen in der internationalen Gemeinschaft sorgt. Wie die South China Morning Post berichtet, handelt es sich dabei um ein kompaktes Gerät, das in der Lage ist, selbst besonders gut geschützte Kommunikations- und Stromkabel in großen Meerestiefen zu durchtrennen.

Diese Enthüllung markiert das erste Mal überhaupt, dass ein Staat offiziell den Besitz einer solchen Technologie bekannt gibt.

Das Schneidwerkzeug funktioniert laut Interesting Engineering in bis zu 4.000 Meter Wassertiefe – das entspricht dem Doppelten der Tiefe, in der aktuelle Unterwasser-Kommunikationsinfrastruktur verlegt ist.

Es wurde gezielt für den Einsatz mit chinesischen Tauchfahrzeugen wie dem "Fendouzhe" oder der Haidou-Serie konzipiert – das sind kleine Spezial-Tiefsee-Tauchboote.

Kritische Unterwasserinfrastruktur

Unterwasserkabel sind in der modernen Welt von entscheidender Bedeutung. Foreign Policy weist darauf hin, dass 95 Prozent aller weltweiten Daten über diese mit Stahl, Gummi und Polymerschichten ummantelten Kabel übertragen werden. Täglich fließen Finanztransaktionen im Wert von mehr als zehn Billionen US-Dollar über den Meeresboden.

Die Nutzung von Unterwasserinfrastruktur geht aber weit über die Datenübertragung hinaus. Foreign Policy berichtet, dass der Meeresboden zunehmend von Öl- und Gaspipelines sowie Stromkabeln durchzogen wird.

Wissenschaftler schätzen allein die Gesamtlänge der submarinen Stromkabel auf etwa 1.207.000 Kilometer, eine Zahl, die sich laut Branchenexperten innerhalb eines Jahrzehnts verdoppeln könnte. Mit dem zunehmenden Tiefseebergbau für seltene Erden steigt die strategische Bedeutung des Meeresbodens weiter an.

Das neuartige Schneidwerkzeug wurde vom Chinesischen Schiffswissenschaftlichen Forschungszentrum (CSSRC) und dem angeschlossenen Staatlichen Labor für bemannte Tiefseefahrzeuge entwickelt. Die technischen Herausforderungen dabei sind enorm.

Technische Herausforderungen und Lösungen

In 4.000 Meter Tiefe herrscht ein Wasserdruck von über 400 Atmosphären. Nach Informationen von Interesting Engineering verhindert ein spezielles Gehäuse aus Titanlegierung und ein System ölkompensierter Dichtungen, dass das Gerät auch bei längeren Einsätzen implodiert.

Herkömmliche Schneidwerkzeuge sind gegen stahlarmierte Kabel wirkungslos. Daher setzte das Entwicklerteam, so Newsweek, auf ein mit Diamanten beschichtetes Schleifrad von 150 mm Durchmesser, das mit 1.600 Umdrehungen pro Minute rotiert. Dies erzeugt genügend Kraft zum Durchtrennen von Stahlummantelungen und wirbelt dabei kaum Sediment auf.

The Eurasian Times berichtet, dass das Gerät mit einem 1-Kilowatt-Motor und einem Getriebe mit 8:1-Übersetzung ausgestattet ist, das ein optimales Verhältnis zwischen Drehmoment (sechs Newtonmeter) und Effizienz bietet, wobei längere Einsätze allerdings Überhitzungsprobleme verursachen können.

Dank fortschrittlicher Positionierungstechnologie kann es von Robotergreifarmen in absoluter Dunkelheit präzise ausgerichtet werden.

Ziviler Zweck: "Meeresressourcenerschließung"

China betreibt laut Interesting Engineering inzwischen die weltgrößte Flotte bemannter und unbemannter Tauchfahrzeuge, die alle Teile der Weltmeere erreichen können. Diese Kombination aus modernsten Tauchbooten und dem neuen Schneidwerkzeug verschafft dem Land beispiellose Unterwasserfähigkeiten.

Offiziell ist das Gerät für zivile Zwecke konzipiert. The Eurasian Times zitiert das Forscherteam um Hu Haolong, wonach das Werkzeug für "Meeresressourcenerschließung" entwickelt wurde und in Tests bereits 60 mm dicke Kabel an Land durchtrennen konnte.

Beunruhigung bei Experten

Trotz der offiziellen Darstellung als Zivilgerät sorgen die militärischen Einsatzmöglichkeiten international für Beunruhigung. Fachleute, so The Eurasian Times, sehen die Gefahr, dass China das Gerät im Falle einer Invasion Taiwans einsetzen könnte, um die Unterwasserkabelverbindungen der Insel zu kappen.

Doch schon jetzt gibt es in den Gewässern rund um Taiwan Zwischenfälle mit beschädigten Unterwasserkabeln. Nach Berichten des australischen Thinktanks Australian Strategic Policy Institute (ASPI) setzt China dafür vermehrt Schiffe ein, die nicht unter chinesischer Flagge fahren, sondern in Drittstaaten registriert sind.

Verdächtige Vorfälle

Ein Beispiel dafür ereignete sich Ende Februar 2025: Die taiwanesischen Behörden stoppten ein Schiff namens "Hong Tai 58" nach der Beschädigung eines Seekabels. Obwohl das Schiff in Togo registriert war, bestand die Besatzung ausschließlich aus chinesischen Staatsangehörigen. Das Fahrzeug fiel zudem durch widersprüchliche Kennungen auf.

Ähnliches geschah Anfang Januar mit dem Schiff "Shunxing 39", das unter den Flaggen von gleich zwei Ländern – Kamerun und Tansania – registriert war, aber chinesischen Eigentümern gehörte. Es wurde mit der Beschädigung des Trans-Pacific Express in Verbindung gebracht, einer wichtigen Datenlinie zwischen Taiwan und den USA.

Beobachter sehen darin eine neue Taktik: Statt direkt erkennbar chinesische Schiffe einzusetzen, nutzt China zunehmend schwer zuzuordnende Fahrzeuge.

Solche "Tarnschiffe" bieten einen entscheidenden Vorteil: Im Falle einer Entdeckung ist die Verbindung zum tatsächlichen Auftraggeber schwer nachweisbar. Die Schiffe operieren typischerweise über verschachtelte Firmenstrukturen in verschiedenen Ländern.

Taiwan hat reagiert und im Januar eine Liste mit 52 Schiffen veröffentlicht, die trotz ausländischer Registrierung chinesischen Eigentümern zugeordnet werden. Die Flotte umfasst Schiffe unter Flaggen von Kamerun, Tansania, der Mongolei, Togo und Sierra Leone.

Auch in Europa geriet China im Oktober 2023 in Verdacht, als sein Schiff "New Polar Bear" die 77 Kilometer lange Balticconnector-Pipeline zwischen Finnland und Estland beschädigte. Laut The Eurasian Times wies China die Vorwürfe zunächst zurück, gab aber im August 2024 zu, dass das unter Hongkonger Flagge fahrende Schiff den Schaden verursacht hatte – angeblich aufgrund eines schweren Sturms.

Neue Etappe im hybriden Krieg

Die Enthüllung des chinesischen Tiefseekabelschneidgeräts markiert einen bedeutenden Meilenstein in der Entwicklung hybrider Kriegsführung.

Die Fähigkeit, kritische Infrastruktur in großen Tiefen zu beschädigen, ohne dass ein Verursacher eindeutig identifiziert werden kann, eröffnet eine besorgniserregende neue Dimension der zwischenstaatlichen Konfrontation.

Hybride Kriegsführung zeichnet sich vor allem durch die bewusste Verschleierung der Urheberschaft aus. Angriffe werden so gestaltet, dass eine eindeutige Zuordnung unmöglich oder zumindest schwierig wird – die sogenannte "plausible Bestreitbarkeit" ist ihr Kernelement.

Durch diese Unklarheit werden traditionelle Abschreckungsmechanismen und Vergeltungsoptionen wirkungslos, da kein eindeutiges Ziel für Gegenmaßnahmen existiert.

Besonders beunruhigend ist die Kombination aus technologischen Fähigkeiten wie dem neuartigen Kabelschneidgerät und taktischen Ansätzen wie dem Einsatz von schwer zurückverfolgbaren Schiffen unter fremder Flagge.

Diese zweistufige Strategie ermöglicht es, Schaden anzurichten und gleichzeitig jede Verantwortung abzustreiten – selbst bei offensichtlichen Verdachtsmomenten fehlt der endgültige Beweis für eine direkte Beteiligung staatlicher Akteure.

In einer Welt, die zunehmend von digitaler Kommunikation und Datenströmen abhängig ist, wird die Unterwasserkabelinfrastruktur zu einem kritischen Verwundbarkeitspunkt für alle entwickelten Volkswirtschaften.

Eine gezielte Durchtrennung von Kabeln an strategisch wichtigen Punkten kann erhebliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Störungen verursachen, ohne dass der Verursacher jemals zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Die kommenden Konflikte werden sich immer stärker in diesen Grauzonen abspielen, in denen Angreifer im Schatten bleiben und traditionelle Konzepte von Kriegsführung und Verantwortlichkeit an ihre Grenzen stoßen.