Clan-Kriminalität: Der Thriller vor der Haustür

Seite 3: Und das sind die Great Four der Clans:

  • Abou-Chaker (Berlin): 250 Mitglieder;
  • Remmo (Berlin, Ruhrgebiet): 500 Mitglieder;
  • Miri (Bremen, Niedersachsen, Ruhrgebiet): 2.500 Mitglieder;
  • Al-Zein: Mehr als 10.000 Mitglieder (geschätzt); Ableger europaweit verzweigt.

Die Ruhrstadt Essen gilt neben Bremen und Berlin als einer der drei bundesweiten Hotspots für Clankriminalität. Mitgliederzahlen sind schwerlich exakt zu beziffern.

Angesichts der anwachsenden Delikte fand im Januar 2019 ein bundesweites Symposium der Landesregierung unter dem Dach der "Ruhr-Konferenz" statt. Einige Monate später, am 10. Dezember 2019, stellte Minister Reul eine neue, behördenübergreifende Dienststelle vor, durch die die Bekämpfung der Clankriminalität in der Metropolregion Ruhr effizienter werden soll.

Viel zu spät, wie Kritiker fanden. Der Name: "Sicherheitskooperation Ruhr zur Bekämpfung der Clankriminalität" ("SiKo Ruhr") spricht Bände, denn wenn man Clankriminalität auf die Art bekämpfen muss, muss zuvor etwas passiert sein, und das nicht von heute auf morgen.

Nicht mal ein Jahr später (Stand diesmal: August 2020) ist die Zahl der Straftaten gemäß dem Clan-Lagebild 2020 um 12,7 Prozent und die der Verdächtigen mit Clan-Hintergrund um 13,4 Prozent gestiegen; auch die Zahl der kriminellen Familienclans ist größer geworden: Derzeit gehen die Ermittler in NRW von 111 Clans aus, im Vorjahr waren es 104.

Äußerst mühsam gestaltet sich die Arbeit, auch nur halbwegs brauchbare kriminelle Bilanzen zu erstellen, wobei die Ermittler häufig im Trüben fischen. Bundesweit wird den Gruppierungen, von denen hier die Rede ist, ein zweistelliger krimineller Millionen-"Ertrag" nachgesagt, nicht gerechnet die Millionen, die auf mittelbare Schäden entfallen. Dabei handelt es sich um Kollateralschäden der diversen Geschäftspraktiken.

"Warum sind Sie so gewalttätig?"

Und die Clans machen weiter Schlagzeilen. Auf Seiten der Journalistenkollegen:innen scheint es Ehrensache für manche, den rüden Bossen hinterher zu sein und zumindest einen coolen Spruch zu ergattern, zum Beispiel anlässlich einer Gerichtsverhandlung oder auf offener Straße.

Im SWR-Magazin Walulis Woche war das Clan-Thema im Herbst 2020 Gegenstand von reichlich Häme, vor allem, was den notorischen Medienhype betrifft; Clanmitglieder kommen in dem TV-Beitrag mit abgedrehten Auftritten und supercoolen Sprüchen zu Wort (Sendung vom 16.10.2020).

Im Clip (das Video ist inzwischen leider nicht mehr verfügbar) gewährt einer der smarten Jungs zynisch scheinbaren Einblick in seine Persönlichkeit. Auf die Frage: "Warum sind Sie so gewalttätig?" kommt die Antwort aus der Psycho-Pistole: "Mein Therapeut glaubt, das liegt an meiner tief verwurzelten Unsicherheit, für die mein Vater verantwortlich ist, weil er mir immer das Gefühl gegeben hat, nicht genug zu sein." Für Deutsche, die ihr eigenes Leben langweilig finden, ist so was auf jeden Fall ein gefundenes Fressen.

So wird ganz nebenbei der Markt mit Gangstershit bedient: Clan-Boss Mahmoud Al-Zein veröffentlicht seine Autobiografie in einem namhaften bundesdeutschen Verlag. Aussteiger gewähren Einblicke in ihr Inneres und können dabei auf reges Interesse zählen. Noch in aller Ohren: Rapper Bushido liegt medienwirksam im Clinch mit Arafat Abou-Chaker. Stoff für die nimmersatte Unterhaltungsmaschinerie.

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