Clan-Kriminalität: Der Thriller vor der Haustür

Seite 4: "Was geht?" Buchprojekt suggeriert Einsichten

Die Autobiografie von Mahmoud Al-Zein (auch El-Zein, Al-Zayn) erschien am 1. Oktober 2020, rechtzeitig zur Buchmesse: Der Pate von Berlin. Das Buch wird vom Verlag selbstredend mit den passenden Werbeslogans feilgeboten, so zum Beispiel, das hier vorgelegte Werk sei "krass, brisant und ungeschönt".

Das dürfte das nötige Interesse wecken. Der Untertitel verrät: "Mein Weg, meine Familie, meine Regeln" und suggeriert Einblicke in das Innere eines ansonsten unzugänglichen Kosmos. Oder, wie ein Clanmitglied in einem Videobeitrag uns wissen lässt: Diese Welt ist eine andere als unsere – halt "von einem anderen Planeten".

Die Verlagsseite stützt sich martialisch auf die Innenansicht der Clan-Seele - ein unsichtbarer Ort, an dem bedingungslose Loyalität alles ist, sozusagen ein Heiligtum. Das Ergebnis liest sich dann so:

Wenn mal jemand daneben tritt, wird auch mal ein Auge zugedrückt. Aber wenn die Grenze des Respekts überschritten wird, fließt Blut.

"Shu fi?" – "Was geht?" fragt der zum Autor Gekürte gleich zu Anfang und räsoniert:

Die Männer meiner Familie haben mir grundlegende Werte vermittelt - dass man nur auf dem rechten Weg siegreich sein kann; dass das Unrecht, das man anrichtet, irgendwann zu einem zurückkommt; was falsch und was richtig ist. Diese Lehren prägten mein Leben von Anfang an. Allerdings dauerte es eine Weile, bis mir klar wurde, was sie im Kern bedeuten. Ich musste es erst herausfinden. Und zwar ohne die Hilfe meiner Familie. Auf die harte Tour.

Dem Clan-Chef (oder dem Verlag?) ist es nicht zu blöd, die Pose des Denkers zu besetzen. In der Wortwahl Anklänge an biblisches Spruchgut, in der Substanz weitgehend geistfrei:

Alles hat seine Zeit - die Geschäfte, das Vergnügen, der Lohn, die Rache. Nur für die Familie, für die ist immer Zeit.

Mahmoud Al-Zein: Der Pate von Berlin, 2020, Mottospruch im Buch

Da denkt sich der intelligente Zeitgenosse: Was für ein Satz! Der vom Verlag ausgelegte Köder kokettiert selbstredend mit echtem Blut - sicher nicht das Kunstblut aus dem Tatort.

4 Blocks: Kampf um die Unterwelt als Quotenrenner

Kriminelle Clans kämpfen in der Serie 4 Blocks um die Vorherrschaft im Berliner Untergrund. Als reale Vorlage dienten die Machenschaften innerhalb von Großfamilien wie dem Abou-Chaker-, Miri-, Remmo- oder Al-Zein-Clan. "Wir verschaffen Ihnen einen Überblick über das organisierte Verbrechen in Deutschland", wirbt der Focus in einem eigenen Themenblock über die "ethnisch abgeschottete(n) Subkulturen". Da möchte man doch anbeißen - die Serie selber ist ein Renner.

Der Sender weiß, was zieht:

Drogen, Schutzgeld, Glücksspiel - der Kampf um Berlins Unterwelt tobt und mittendrin ist der libanesische Hamady-Clan, der vier Blocks in Neukölln kontrolliert.

An der Stelle noch ein Wort zum Clan Al-Zein. Al-Zein ist eine über den Libanon nach Europa gezogene kurdisch-arabische Großfamilie mit Ablegern in Europa und in Deutschland, der mehr als zehntausend Mitglieder zugerechnet werden.

Zum typischen Repertoire an illegalen Geschäften gehören Drogen- und illegaler Medikamentenhandel, Gewalt- und Körperverletzungsdelikte, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Betrug, Raub bzw. Ladendiebstahl, Hausfriedensbruch, Leistungsmissbrauch, illegaler Waffenbesitz und Auftragsmord.

Beim Einbruch 2014 in die Juwelierabteilung des Berliner KaDeWe arbeiteten die Täter vermutlich mit dem Miri-Clan zusammen. Mitglieder sprachen in Interviews unverhohlen von Schutzgelderpressung und Geldwäsche. Der Vorfall machte bundesweit Schlagzeilen und verhalf dem Milieu wenige Tage vor Weihnachten zu einer Welle von Aufmerksamkeit; die Kommerzialisierung somit auch auf allen Ebenen des medialen Interesses im Schlepptau.

Es war ein spektakulärer 79-Sekunden-Coup: Fünf maskierte Männer zertrümmerten mit Macheten, Äxten und Hämmern das Panzerglas der Vitrinen und rafften die Auslagen zusammen. Die Beute: 15 Rolex-Uhren und Chopard-Diamantschmuck im Wert von rund 817.000 Euro.

Die Tatausführung lenkte den Verdacht der Fahnder bald auf polizeibekannte Familienclans. Als Besitzer des Fluchtfahrzeugs wird Hussein Miri ausgemacht. Er wird verhaftet und sagt gegen Mitglieder des Al Zein-Clans aus. Der Al-Zein- und der Miri-Clan seien offenbar zerstritten, sagte damals Staatsanwältin Susan Wettley. Nichts Ungewöhnliches.