Clan-Kriminalität: Der Thriller vor der Haustür

Seite 5: "Auf der Straße gilt unser Gesetz"

Auch Aussteiger Khalil O. schrieb ein Buch. Dabei behilflich war die Journalistin Christine Kensche von der Welt. Sie berichtet von mehr als 50 Treffen mit einem Mann, dessen Geschichte sie bei Polizei und Staatsanwaltschaft überprüft habe.

Khalil O., der Ende der 1990er Jahre vom (früh bereits gewalttätig gewordenen) Schüler zum Berufsverbrecher und Drogendealer wurde, schlug nach eigener Darstellung damit den gleichen Weg ein wie Brüder, Cousins, Onkel und Freunde. Vor 15 Jahren verließ er die Szene.

Der Buchtitel verrät erwartbare Eindeutigkeit: "Auf der Straße gilt unser Gesetz", darin schildert O. das Leben im arabischstämmigen Clanmilieu in Berlin.

Ich würde sagen, in 80 Prozent der arabischen Großfamilien gibt es Leute, die ihre Finger in irgendetwas drin haben, seien es Drogen, Einbrüche, Schutzgeld oder Prostitution.

Aussteiger Khalil O.

Khalil O. lässt den Leser teilhaben an seinen Vorlieben - für Luxusklamotten, Goldkettchen und die häufigen Bordellbesuche; finanziert wird das alles mit Drogendeals. Kontakte und Geschäftsverbindungen ergeben sich über die Zweige der Verwandtschaft, etwa in Berlin-Kreuzberg, Neukölln oder Wedding; Konkurrenten werden brutal eines Besseren belehrt. Die Opfer trauen sich nicht zur Polizei zu gehen. Anfang der 2000er-Jahre steigt Khalil in den Kokainhandel ein, es gibt einen 24-Stunden-Lieferservice mit Koks.

Den Stoff liefern Verwandte aus Deutschland und den Niederlanden: "Ich trug eine Rolex an jedem Arm und fuhr die fettesten Autos auf Berlins Straßen. An Silvester mietete ich eine Präsidentensuite am Potsdamer Platz." Nach Absturz, Krise und Ausstieg macht Khalil das Abitur nach und wird Sozialarbeiter.

Eine Story wie aus dem Bilderbuch. Gangstershit, der zu Herzen geht. Geschichten, die sich verkaufen lassen. 1001-Nacht, nur anders. Die Anti-Helden sind nahbar geworden. Wir sitzen, eingekastet im Home-Office, und das hier ist mal was Richtiges, Authentisches. Clans in Deutschland: Wie die kriminelle Parallelgesellschaft Schule macht, oder: Was durchschnittstemperierte Deutsche alles toll finden – und wie der Markt bedient wird. Es riecht nach Asphalt. Und natürlich nach Gewalt.

"ersguterjunge": Bushido und sein "Manager"

Rapper Bushido hat unlängst zum Ach-Du-Schreck-Repertoire beigetragen, indem bekannt wurde, dass er vom berühmt-berüchtigten Berliner Clan-Chef Arafat Abou-Chaker unter Druck gesetzt wurde, nachdem beide zuvor offenbar gute Freunde waren und sich prima verstanden hatten, was dann aber schiefging. Man tat sich um im gemeinsamen Musikgeschäft (Label: "ersguterjunge") und war mittels Rechtsform einer GbR auf weiteren "Geschäftsfeldern" aktiv, bis der Streit um einen millionenschweren Immobiliendeal die Geschäftspartner entzweite.

Arafat Abou-Chaker (45) gilt als das Oberhaupt des gleichnamigen Clans. Vor seinem Zerwürfnis mit dem Rapper soll er dessen Manager gewesen sein. Beide jonglierten nicht mit Kleinigkeiten, sondern mit Millionen. Nachher pflegte Bushido Kontakte zu einer verfeindeten Gruppierung, dem Berliner Remmo-Clan.

Die Remmo-Familie schaffte es schon mehrmals mit aufsehenerregenden Nachrichten in die Schlagzeilen. Insgesamt war der Remmo-Clan im Besitz von 77 Objekten, die durch Straftaten finanziert worden sein sollen; mit dem Nachweis taten sich die Behörden jahrelang schwer, bis die Objekte zuletzt beschlagnahmt wurden.

Sohn Jusuf (heute 27) kaufte demzufolge im Alter von 19 Jahren millionenschwere Grundstücke, habe zu dem Zeitpunkt jedoch keine nennenswerten, rechtmäßigen Einkünfte gehabt, so das Berliner Landgericht. Unter anderem soll es Bareinzahlungen aus dem Libanon gegeben haben. Im April 2020 ordnete das Gericht das Einziehen des Anwesens von Clan-Chef Issa Remmo in Buckow und eines weiteren Grundstücks an. Remmo residierte eine Zeitlang auf dem opulenten Grundstück in einer Villa.

Dem Clan-Boss Abou-Chaker könnten am Ende Steuerdelikte zum Verhängnis werden. Hunderte Ermittler in Berlin, Brandenburg und der Schweiz rückten am 22. September 2020 zu einer Razzia aus, 300 Einsatzkräfte durchsuchten 18 Objekte, die Vorwürfe: Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Verstoß gegen das Abgabegesetz. Vermögen in Höhe von mehreren Millionen Euro wurden vorläufig sichergestellt.

Das denkmalgeschützte 16.000 Quadratmeter große frühere Seemanns-Erholungsheim in Kleinmachnow hatten Bushido und sein "Manager" 2011 erworben. Abou-Chaker bezog Pressemeldungen zufolge auch dort sein Domizil, über Bushidos Villa auf dem Areal kursierten Gerüchte, zuletzt soll es angeblich leergestanden haben.