Computerarm oder RSI auch psychisch bedingt
Wissenschaftler meinen belegen zu können, dass RSI nicht nur durch wiederholte Bewegungen verursacht wird, sondern vor allem durch Stress am Arbeitsplatz und mit den Kollegen und Vorgesetzten
Repetitive Strain Injury (RSI), auch Computerarm genannt, ist bei Menschen, die am Bildschirm arbeiten, eine weit verbreitete chronische Krankheit im Arm-Hand-Bereich. Hervorgerufen wird RSI durch schnelle, kurze und oft wiederholte Bewegungen. Sie führen zu Rissen in den beanspruchten Muskeln und zu Symptomen wie Schmerzen und Taubheitsgefühlen, Kraftverlust, Sensitivitätsverlust, Muskelkrämpfen und gar Lähmungen. Nach einer neuen Studie ist RSI aber nicht, wie man bislang glaubte, einzig auf die Art der wiederholten Bewegungen zurückzuführen, sondern hat auch psychische Ursachen.
In aller Regel spielt bei Krankheiten die Psyche mit herein. Bei RSI - "Schädigungen durch wiederholte Belastung" - schien jedoch die Ursache relativ eindeutig zu sein. So ab 80000 Tastaturanschlägen besteht die Gefahr einer Krankheit, die desto größer wird, je schneller man arbeitet. Wissenschaftler von der Abteilung für Epidemiologie chronischer Krankheiten der University of Manchester gehen jedoch davon aus, dass die mit RSI verbundenen Schmerzen nicht nur mit wiederholten Bewegungen, sondern mit verschiedenen Faktoren verbunden sind, darunter auch hohem psychischen Stress und fehlender Unterstützung durch die Kollegen.
Für ihre Studie "Role of mechanical and psychosocial factors in the onset of forearm pain: prospective population based study", erschienen in BMJ (321:676, 16. September ), wurden Fragebogen von mehr als 1200 Menschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren ausgewertet, die im Laufe von zwei Jahren gesammelt wurden. Die Stichprobe soll repräsentativ für die britische Bevölkerung sein. Die Befragten sollten bei der Zeichnung eines Menschenkörpers die Stellen angeben, an denen sie während des letzten Monats mindestens einmal Schmerzen empfunden haben. Zusätzlich wurden Informationen über den beruflichen Werdegang erhoben. Diejenigen, die von Schmerzen im Vorderarm berichteten, mussten einen weiteren Fragebogen ausfüllen.
8,3 Prozent der Menschen aus der Stichprobe hatten Scherzen im Vorderarm. Dabei gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Von diesen 105 Menschen berichteten wiederum 67 Prozent auch von Schulterschmerzen, 65 Prozent von Rückenschmerzen und 45 Prozent von chronischen Schmerzen an vielen Körperstellen. Normalerweise also treten mit RSI verbundene Schmerzen nicht isoliert auf. Einem "leicht" höheren Risiko, Schmerzen im Vorderarm zu entwickeln, sind die Menschen ausgesetzt, die "die Hälfte oder den Großteil der Zeit" während der Arbeit Dinge heben, tragen oder ziehen müssen. Das höchste Risiko ergibt sich bei wiederholten Bewegungen der Arme und der Handgelenke.
Gleichzeitig aber liegen bei den Menschen, die Schmerzen im Vorderarm haben, Bedingungen des psychischen Stresses am Arbeitsplatz vor. Hauptsächlich sei dafür Unzufriedenheit mit der Unterstützung seitens der Vorgesetzten oder der Kollegen verantwortlich. Wer der Überzeugung ist, dass er bei der Arbeit kaum eigene Entscheidungen treffen kann, hat ein verdoppeltes Risiko für die Ausbildung von Schmerzen, während sich bei denjenigen, sie sich über zuviel Hektik, Langeweile oder Monotonie beklagen, keine signifikanten Unterschiede fanden.
Die Wissenschaftler ziehen aus diesen Ergebnissen die Konsequenz, dass Begriffe wie RSI zu einfach seien, um die vielfältigen psychosomatischen Ursachen von Schmerzen im Vorderarmbereich zu erfassen. Gary Macfalane, der die Untersuchung leitete, sagt, dass man noch nicht wirklich weiß, was die Schmerzen verursacht: "Wiederholte Bewegungen spielen eine Rolle, aber es gibt zu viele andere wichtige Faktoren wie Arbeitsanforderungen und Unterstützung in der Arbeit. Auch wie die Einzelnen ihre Arbeit wahrnehmen, kann wichtig sein." Arbeitgeber, die das Risiko von RSI bei ihren Angestellten senken wollen, sollten nach Macfalane nicht nur die körperliche Arbeit und die mechanische Belastung, sondern auch die Arbeitsumgebung und -organisation berücksichtigen.
Erkrankungen der Gliedmaßen - einschließlich Schultern, Nacken Handgelenk und Ellbogen - durch ständig wiederholende Bewegungen bei der Arbeit sind in allen EU-Staaten sehr verbreitet. Nach der Erhebung der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz nehmen sie sogar noch zu. In Luxemburg stehen 30 Prozent aller anerkannten Berufskrankheiten in Verbindung mit RSI. Angeblich ist RSI in den USA für 60 Prozent aller Arbeitsausfälle verantwortlich, in Großbritannien sollen jährlich 200000 Menschen an RSI erkranken.
Zu den Krankheitsrisiken, die mit Computerarbeit verbunden sind, siehe auch Andreas Grote: Schwerstarbeit, in c't, S. 228ff., 13/2000.